Mangels Bildmaterials besagter Einzelgängerplaneten, ist hier der Lyriden-Meteorschauer zu sehen.

Foto: APA/dpa/Daniel Reinhardt

Wien – Bei der Beobachtung eines sonnennahen Sternentstehungsgebiets hat ein internationales Astronomenteam mit Beteiligung aus Österreich die bisher größte Ansammlung vagabundierender Planeten entdeckt. Diese kreisen um keinen Stern, sie sind sozusagen heimatlos. Die große Zahl dieser Einzelgängerplaneten gibt Aufschluss über ihre Entstehung, berichten die Forscher im Fachjournal "Nature Astronomy".

Vor zehn Jahren sorgte die Entdeckung von zwei Astronomenteams für Aufsehen, die mittels Gravitationslinseneffekts zehn an keinen Stern gebundene Planeten nachwiesen. Sie rechneten aufgrund ihrer Entdeckung hoch, dass es in der Milchstraße doppelt so viele herrenlose Planeten wie Sterne geben könnte.

Entstehung unklar

Über die Entstehung dieser Einzelgängerplaneten (Free-Floating Planets, FFPs) wird noch gerätselt. Entweder werden sie wie Sterne durch den Gravitationskollaps kleiner Gaswolken gebildet, oder sie entstehen wie Planeten um Sterne, werden dann aber von ihrem Sternsystem ausgeworfen. Um festzustellen, welcher Mechanismus wahrscheinlicher ist, fehlte bisher aber eine größere homogene Probe von FFPs.

Das Forscherteam um Hervé Bouy von der Universität Bordeaux, dem auch Núria Miret Roig vom Institut für Astrophysik der Universität Wien angehörte, hat im Rahmen des europäischen Projekts "Cosmic Dance" eine sogenannte Sternassoziation ins Visier genommen. Dabei handelt es sich um offene Sternhaufen, in denen die Sterne nicht mehr durch Gravitation aneinander gebunden sind.

20 Jahre analysiert

Bei der Analyse von zehntausenden Bildern, die über einen Zeitraum von 20 Jahren entstanden sind, entdeckten sie in der jungen, rund 400 Lichtjahre entfernten "Upper Scorpius Association" 170 bisher unbekannte vagabundierende Planeten. Laut Uni Wien handelt es sich dabei um die größte Stichprobe von FFPs in einer einzigen Sternassoziation. Zudem verdoppelte sich damit die Gesamtzahl der bisherigen Funde von Einzelgängerplaneten.

Video: Junge frei umherstreifende Exoplaneten entdeckt.
Herve Bouy

"Die große Anzahl der entdeckten FFPs deutet darauf hin, dass der dynamische Auswurf von Planetensystemen ein wichtiger Mechanismus für ihre Entstehung ist, da der Kollaps von Gaswolken nicht zu so vielen FFPs führen würde", erklärt Miret Roig. Das Ergebnis lasse auch auf relativ kurze Entstehungszeiträume von Riesenplanetensystemen im Rahmen von etwa drei bis zehn Millionen Jahren schließen.

Grundlage für Folgestudien

Für die Wissenschafter sind die neu entdeckten vagabundierenden Planeten hervorragende Ziele für Folgestudien, insbesondere für die Untersuchung von Planetenatmosphären ohne blendenden Wirtsstern. Darüber hinaus könne man mit ihnen das Vorhandensein von Gas und Staub um FFPs untersuchen, um ihren Entstehungsprozess zu beleuchten.

Sollte der Anteil an Einzelgängerplaneten in anderen Sternentstehungsgebieten ähnlich hoch sein wie in der "Upper Scorpius Association", könnte es mehrere Milliarden Einzelgängerplaneten in der Größe des Jupiters geben, die in der Milchstraße ohne Wirtsstern unterwegs sind, betonen die Forscher. Von erdgroßen Planeten könnte es sogar noch viel mehr geben, da diese häufiger vorkommen als massereiche Planeten. (APA, 23.12.2021)