Der Exoplanet KELT-9b ist eine deutlich größere und massereichere Version des Jupiters unseres Sonnensystems.

Illustr.: ÖAW, Harald Ritsch

Seit die ersten Exoplaneten vor etwas mehr als zwei Jahrzehnten entdeckt wurden, haben Forscher versucht, etwas über die Atmosphären der fremden Welten herauszufinden. Besonders spannend ist dabei die Frage, warum sie sich so sehr von den Planeten in unserem Sonnensystem unterscheiden. Um die Atmosphären dieser fernen Planeten zu beobachten, wird in den Spektren der Exoplaneten nach deren chemischen "Fingerabdrücken" gesucht.

"Bei einem sogenannten Transit zieht der Planet von der Erde aus gesehen vor seinem Mutterstern vorbei", erklärt Luca Fossati vom Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF). "Wenn der Planet eine Atmosphäre hat, geht ein Teil des Sternenlichts durch sie hindurch und erlaubt uns, die physikalischen Eigenschaften und die Zusammensetzung der Atmosphäre zu untersuchen."

Eine der heißesten bekannten Welten

Nun ist es Fossati und seinen Kollegen gelungen, in der glühend heißen Atmosphäre des Exoplaneten KELT-9b Spuren von Sauerstoff zu finden. Der 2017 aufgespürte "Heiße Jupiter" im Sternbild Schwan befindet sich 650 Lichtjahre von der Erde entfernt und gilt als heißester bekannter Exoplanet.

KELT-9b besitzt die 2,8-fache Masse des Jupiters, ist aber nur halb so dicht. Der Gasplanet bekommt von seinem Mutterstern HD 195689 extrem viel Strahlung. Da der Planet dem Stern sehr nahe ist – für eine vollständige Runde benötigt er nur 36 Stunden – und ihm deshalb immer die gleiche Seite zeigt, werden auf der ständig beleuchteten Hemisphäre Temperaturen von über 4.000 Grad Celsius erreicht.

Interessanter Extremist

Dies sind Bedingungen, bei denen sogar Wolfram schmelzen würde, ein Metall, das üblicherweise in unseren Glühbirnen verwendet wird. Bei solchen Temperaturen können elementare Moleküle wie Wasser, Kohlendioxid und Methan nicht existieren, von Leben, wie wir es kennen, ganz zu schweigen. Aber gerade diese extremen Eigenschaften machen KELT-9b für die Wissenschafter so interessant.

Mit dem Ziel, die Eigenschaften von KELT-9b besser zu charakterisieren, entdeckte das internationale Wissenschafterteam die spektralen "Fingerabdrücke" von atomarem Sauerstoff im Spektrum des Planeten. Es ist der erste eindeutige Nachweis von Sauerstoffatomen in der Atmosphäre eines Exoplaneten. Die Idee für den Nachweis lieferten neue Simulationen der Planetenatmosphäre, die von Fossati geleitet wurden.

Die Forscher hatten ein Computermodell entwickelt, das die Atmosphären heißer Exoplaneten simulieren kann. Mit diesem Modell lassen sich die wichtigsten Eigenschaften der äußersten Exoplaneten-Atmosphären am Computer nachbilden und ihre Struktur, Zusammensetzung und Temperatur mit bisher unerreichter Genauigkeit vorhersagen.

Video: Das Nasa-Weltraumteleskop TESS (Transiting Exoplanet Survey Satellite) lieferte Einsichten in die ultraheiße Welt KELT-9b.
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Akkurates Atmosphärenmodell

Die aus den Simulationen für KELT-9b gewonnenen Daten stimmten nicht nur mit früheren Beobachtungen anderer chemischer Elemente – wie Wasserstoff – in seiner Atmosphäre überein, sondern deuteten auch auf das Vorhandensein von Sauerstoffatomen hin, was die Forscher dazu bewegte, nun nochmal genauer hinzuschauen. Die Technologie, die schließlich auch zur tatsächlichen Entdeckung von Sauerstoff auf dem lebensfeindlichen Gasriesen geführt hat, und die Computermodelle könnten künftig ebenso effektiv für die Suche nach Sauerstoff in den Atmosphären von gemäßigteren, erdähnlichen Exoplaneten eingesetzt werden, berichtet das Team im Fachjournal "Nature Astronomy".

Die Wissenschafter analysierte frühere Beobachtungen des Planeten, die mit dem 3,6-Meter-Teleskop des Calar-Alto-Observatoriums in Spanien gemacht wurden. "Unsere Ergebnisse bestätigten die Vorhersage des theoretischen Modells: Die Sauerstoffspuren waren von Anfang an vorhanden, wurden aber in früheren Analysen übersehen", so Fossati. Das Modell hat nicht nur ihre Existenz vorhergesagt, es stimmt auch überraschend gut mit den Beobachtungen überein. Das gibt den Forschern die Gewissheit, dass die Physik, auf der die Simulationen basieren, die Realität heißer Atmosphären von Exoplaneten in einem noch nie dagewesenen Ausmaß abbildet.

Windspitzen von 40.000 Kilometer pro Stunde

Die Ergebnisse zeigen, dass KELT-9b zwar im Laufe der Zeit etwas Gas aus seiner heißen Atmosphäre verliert, aber nicht die Gefahr besteht, dass er in absehbarer Zeit verdampft. Seine Nähe zum Stern führt jedoch zu starken Turbulenzen und stürmischen Winden in seiner Atmosphäre. Die Beobachtungen deuten darauf hin, dass die Windgeschwindigkeiten bis zu 40.000 Kilometer pro Stunde erreichen können, was bemerkenswert ist, wenn man bedenkt, dass die stärksten auf der Erde gemessenen Windgeschwindigkeiten etwa 400 Kilometer pro Stunde betragen und jene des Jupiters bei etwa 1.500 Kilometer pro Stunde liegen.

Die Übereinstimmung zwischen dem Modell und den Beobachtungen ist ein Meilenstein in der Erforschung von Planeten außerhalb des Sonnensystems. "Wir wissen jetzt, dass wir realistische Modelle von Exoplaneten erstellen und die Atmosphären der heißesten Exoplaneten deutlich besser verstehen können", betont Fossati.

Ähnliche Beobachtungen der Atmosphären kleinerer, kühlerer Planeten sind zwar noch nicht möglich, werden es aber eines Tages sein. "Wir betrachten diese Arbeit als Generalprobe für die künftige Suche nach Sauerstoff in den Atmosphären verschiedener Planeten in der Galaxie, einschließlich kleinerer, möglicherweise bewohnbarer, erdähnlicher Welten", so Fossati. (red, 25.12.2021)