Gerald Votava, Kabarettist, Radiomoderator, Sänger, Charlydrahrer.

Christoph Liebentritt

Wer Gerald Votava ein bisschen vom Griaßeichdiemadln und Servasdiebuam kennt, weiß eines: Hier wird nicht gleich der Bär steppen, wenn es um Lyrik und Musik geht. Insofern verwundert es auch nicht allzu sehr, dass ihm die große Wiener Autorin Christine Nöstlinger vor ihrem Tod 2018 späte Dialektgedichte zur Vertonung freigegeben hat. 2019 erschienen sie in Buchform posthum unter dem Titel Ned, dasi ned gean do warat im Residenz-Verlag. Gerald Votava hat sie jetzt für Bader Molden Recordings unter dem Titel A schenes Lem! musikalisch behäbig interpretiert.

Die Gedichte gehen ein wenig von der gängigen Lesart Nöstlingers als Großmeisterin des Kinderbuchs mit gut 140 Veröffentlichungen weg. Immerhin schrieb und schrub Nöstlinger in ihrer zur unhinterfragten Perfektion gebrachten öffentlichen schlechten Laune neben den zu Herzen gehenden Außenseitergeschichten vom Franz oder der Mini oder der Dani Dachs und dem in den 1980er-Jahren auf Ö3 umgehenden Wischer-Monster Dschi-Dsche-i Dschunior auch über die kalten harten Fakten des Lebens als Erwachsene.

buttersessions

Iba de gaunz oamen Leit nannte sich ein Gedichtband. Er sorgte in den 1970ern für Furore, weil es da anteilnehmend, aber mit Sicherheitsabstand zu den Futkarlis und bladen Blunzen im Gemeindebau um Menschen ging, denen es "hint und vuan ned zsamgeht". Siehe auch das aktuelle Poem Ea hod ia a Messa in Bauch grennt.

Gerald Votava hatte schon 2011 mit Nöstlinger zu tun. Die "gaunz oamen Leit" wurden damals im Rabenhoftheater auf die Bühne gebracht. 2016 verkörperte er in der Verfilmung von Nöstlingers Kindheitserinnerungen in Maikäfer flieg zudem ihren Vater. Man kannte und schätzte sich. Net ganz Oasch, wie man in Wien sagt.

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Weil man es ja jetzt auch noch immer dazu extra erwähnen muss: Während der diversen Lockdown-Monate reduzierte Gerald Votava nun in der Abgeschiedenheit der eigenen vier Wände letzte Gedichte, die ihm Nöstlinger vor ihrem Tod zur Bearbeitung überlassen hatte. Geplant waren angeblich opulentere Band-Arrangements statt der kargen vorliegenden Heimwerkeridylle. Das grundsympathische Hauptproblem mit der Vertonung von Lyrik, die Christine Nöstlinger offenbar zu Lebzeiten nicht mehr veröffentlichen wollte, weil sie nun einmal in aller Öffentlichkeit – und stur – eine späte Schreibblockade behauptete, bleibt aber.

"Bes oda bled?"

Gedichte und Songtexte sind zwei Paar Schuhe. Deshalb geraten Gerald Votavas sonor im Sprechgesang vorgetragene, rhythmisch gut abgehangene Liedminiaturen im Zweifel etwas aufgesetzt. Mit akustischer Gitarre, einem Drumcomputer aus der Zeit, in der der Voodoo Jürgens noch auf der Brennsuppe dahergeschwommen ist, sowie dem zu Recht vielbeschäftigten, aber hier etwas überflüssigen Knöpferlharmonikaspieler Walther Soyka von der Willi-Resetarits-Partie vertont Votava Gedichte wie Da Vata hod gsoffn, Sie hod mas Heaz ausse grissn oder gültige Sätze wie diesen: "I frog mi imma, wos is schlimma, bes oda bled?" Die Antwort lautet ja.

Wahrhaftiger wäre es, wenn der Futkarli einem diese Texte in der Nacht im Café Bauchstich ins Ohr kauen würde. Das Bauchstich gibt es aber im 20. Hieb, wo die Nöstlinger gewohnt hat, schon lange nicht mehr. (Christian Schachinger, 24.12.2021)