Schon unter Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) begannen die Versuche von Siegfried Wolf, seine Steuerlast zu drücken. Beide waren Berater von Kanzler Sebastian Kurz.

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Die Justiz war der Sache schon auf der Spur gewesen: Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt hatte ermittelt, ob es beim Steuerverfahren des Unternehmers Siegfried Wolf zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei. Ermittelt wurde nicht gegen Wolf, sondern gegen Finanzbeamte, die damals involviert gewesen sein sollen. Wie aus neuen Chats hervorgeht, hatten Finanzbeamte intern schon zuvor das Einschalten der Korruptionsstaatsanwaltschaft in den Raum gestellt. Thomas Schmid, damals Kabinettschef und Generalsekretär im Finanzministerium, zu Wolf: "Das ist irre, Großbetriebsprüfung droht auch mit Korruptionsstaatsanwaltschaft!"

Ende 2020 wurde das Verfahren in Wiener Neustadt aber eingestellt. Doch parallel dazu erreichte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) dann eine anonyme Anzeige zu der Sache – und die Ermittler hatten aus anderen Verfahren Zugriff auf die Chats von Thomas Schmid und Siegfried Wolf. In diesen wurden sie fündig: Während sich laut WKStA im Steuerakt von Wolf "keine Hinweise auf die massiven Interventionen" gefunden hätten, habe die elektronische Kommunikation "die fast als 'Parallelverfahren' zu bezeichnenden Hintergrundvorgänge" aufgezeigt. So schreiben es die Staatsanwälte in ihren Anordnungen zu Hausdurchsuchungen, die Anfang dieser Woche über die Bühne gegangen sind.

Eurofighter kosteten das Handy

Elektronisch geplaudert hat der Unternehmer Wolf mit Schmid über seine Steuerprobleme eine ganze Menge. Wie Wolf darauf kam, diesen mit seiner Causa zu befassen: Er sitze gerade neben Altkanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP), und der "sagte, ich soll dich um Unterstützung bitten (...) deshalb meine SMS". Schmid antwortete: "Jederzeit. Du weißt, du hast unsere Wertschätzung. Wir besprechen alles morgen."

Den Generalsekretär kannte Wolf nicht nur über Schüssel, sondern auch aus seiner Funktion als Aufsichtsratschef der Staatsholding, die er von 2014 bis 2015 innegehabt hatte. Ein weiterer gemeinsamer Bekannter der beiden: der frühere Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Der hatte bis 2000 mit Wolf bei Magna gearbeitet, Schmid war dann im Ministerium kurz sein Sprecher. In dieser Zeit, unter Kanzler Schüssel, hatte sich Wolf auch in die Typenentscheidung für den Eurofighter involviert. Er ist einer der Letzten, die in der Causa Beschuldigte sind; die WKStA hat sich in dem Konnex auch sein Handy geholt. Wolf bestreitet den Korruptionsverdacht, und es gilt die Unschuldsvermutung.

Frank Stronachs Magna-Konzern, in dem Wolf Karriere gemacht hatte, profitierte von den sogenannten Eurofighter-Gegengeschäften; Wolf stieg dort bis zum obersten Boss auf. Im Magna-Imperium war Wolf in verschiedenen Unternehmensteilen tätig und bezog aus diversen Gesellschaften in Österreich, Kanada und der Schweiz Einkünfte.

Intensiver Kontakt mit Schelling

Aus dieser Zeit stammen die Steuerprobleme, die nun zu den weitreichenden Ermittlungen geführt haben: Zwischen 2006 und 2010 hat sich die Grundlage für Wolfs Einkommensteuer um fast 14 Millionen Euro erhöht. Grund dafür war vor allem die Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Schweiz. Ab 2007 hätte er dort bezogene Einkünfte auch in Österreich melden und versteuern müssen, das war aber nicht geschehen. Ein Fehler, der freilich auch seinem Finanzamt nicht aufgefallen war und letztlich dazu führte, dass ihm an die elf Millionen Euro Steuernachzahlung drohten.

Letztlich zahlte Wolf rund sieben Millionen nach, zudem wurden ihm 730.000 Euro, die auf Zinsen entfielen, nachgesehen. Aus den Chats ableitbare Interventionen, auch bei der erwähnten Finanzamtschefin, trugen ihm die jetzigen Ermittlungen ein.

Ein bislang nicht bekannter Amtsvermerk über Wolf und die Finanz zeigt, wie intensiv der Unternehmer im Ministerium interveniert hat. Auch mit dem damaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) war er in der Sache regelmäßig in Kontakt, bis weit nach Schellings Amtszeit. Im September 2016 informierte ihn Wolf, dass er mehrfach mit Schmid geredet habe. "Kümmere mich darum", antwortete der Finanzminister.

Bereits zuvor hatte sich Schelling "gekümmert", das zeigen Chats mit seinem Kabinettschef Thomas Schmid. Wenn die Großbetriebsprüfung auf ihrem Standpunkt beharre, werde Wolf "das halt in der Berufung bekämpfen" müssen, meinte Schelling – und bat Schmid: "Bitte SMS gleich löschen." "Ich würde so was grundsätzlich lieber auf Whatsapp schreiben", antwortete ihm der.

Nach seinem eher unfreiwilligen Ausscheiden aus der Regierung erzählte Schelling im Dezember 2017: "Habe mich gestern mit Sigi getroffen und ein paar interessante Projekte diskutiert." Noch während der Übergangsregierung 2019 verschaffte Schelling Wolf einen Rückruf des damaligen Finanzministers Eduard Müller, der unter Schelling Sektionschef gewesen war. "Wie aus den Chats ersichtlich ist, habe ich zugesagt, dass der Steuerberater von Herrn Wolf seine Argumente nochmals darstellen kann, weil es auch intern zwei Meinungen gab. Ansonsten gab es keinerlei Zusagen oder Interventionen meinerseits", sagt Schelling dem STANDARD.

Auftritt von Kern sabotiert

Rasch dockte Wolf auch an die türkise Bewegung von Sebastian Kurz an: 2016, als der damalige Außenminister Vorbereitungen für die Übernahme der ÖVP traf, habe Wolf für ihn eine Spendenrallye in seinem Schloss in Reifnitz organisiert – das erzählte zumindest der damalige ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner. Während des Vorwahlkampfs 2017 schlug Schmid per Chat dann Alarm: Der damalige Kanzler Christian Kern (SPÖ) plane, eine Pressekonferenz im Magna-Werk abzuhalten, um für den Beschäftigungsbonus zu werben. Schmid bat Wolf, den Auftritt zu verhindern. "Keine Panik!! Ich kläre das", antwortete der. Die Pressekonferenz fand nie statt.

Wolf war damals schon längst in Russland tätig: Aus dem Magna-Konzern Frank Stronachs war er 2010 ausgestiegen. Er wurde dann Aufsichtsrat bei Russian Machines des russischen Oligarchen Oleg Deripaska. Der ist am Baukonzern Strabag rund um Hans Peter Haselsteiner beteiligt, aus dessen Aufsichtsrat sich Wolf 2015 verabschiedet hatte. Wolf kommt im Wirtschaftscompass mit rund 30 aktiven Positionen vor, er ist etwa Aufsichtsratschef der Sberbank Europe AG in Wien, also der Europatochter der größten russischen Bank, oder ständiger Vertreter der OOO UK Gruppa GAZ, die ebenfalls dem Imperium von Deripaska zuzurechnen ist. Putin beschrieb er im Jahr 2014 als "sehr, sehr korrekten Mann"; später erhielt er vom russischen Präsidenten den "Orden der Freundschaft". Für die EU wünschte sich Wolf "ein bisserl mehr russische Demokratur".

Treffpunkt Autobahnraststätte

Trotz seiner weitreichenden Einflusssphäre soll sich Wolf aber mit ganz persönlichem Einsatz um seine Steuerprobleme gekümmert haben. Auch mit der Leiterin jenes Finanzamts, das für ihn zuständig war, chattete er. Die Beamtin kannte er quasi auch aus sportlichen Gründen: Sie ist Mitglied in seinem Golfclub Fontana, in dem er Vizepräsident ist. "Wir wollen für unsere Bürgerinnen und Bürger und unsere Unternehmen eine serviceorientierte Verwaltung sein", erläuterte sie ihre Berufsauffassung einem Lokalsender.

Die WKStA ermittelt nun, ob sich die Beamtin von Wolf bestechen ließ: Bei einem Treffen an der Autobahnraststätte Guntramsdorf soll sie ihm ihre Karrierewünsche mitgeteilt haben, konkret den Wechsel auf den Chefposten einer anderen Dienststelle. Dieses Ansinnen leitete er an Schmid weiter.

An ihrer Karriere zeigte sich Wolf auf jeden Fall sehr interessiert – und fragte bei Schmid nach: "Lieber Thomas – war das Hearing unserer Dame (...) gestern okay? Sigi". Schmid bejahte, was Wolf der Finanzbeamtin prompt weitererzählte. "Höre gerade Hearing ist top!! gelaufen". Nachdem sie den Posten erhalten hatte, bedankte sie sich mit "Many thanks" und acht Rufzeichen bei Wolf. Seine Antwort: "with pleasure ... du gibst einfach einen aus!!" Wenig später wurde Wolfs Antrag auf Steuernachsicht abgefertigt – mit Unterschrift der Finanzbeamtin. Happy End ist es keines: Nach einer internen Revision wurde die Sache wieder aufgerollt. Wolfs Abgabenverfahren ist immer noch anhängig.

Die WKStA prüft nun, ob Wolfs Steuerakt schon länger manipuliert worden sei. 2017 bemerkte der zuständige Sachbearbeiter, dass im Aktenlager Bestandteile fehlten und nicht mehr alle Dokumente da waren. Ein Kollege schrieb ihm später in einer E-Mail, er frage sich schon, wie der Akt "dann in den Kasten unserer Frau Vorständin gekommen ist". Ob und welche Aktenteile gefunden wurden, sei aus Sicht der WKStA derzeit noch unklar. (Renate Graber, Fabian Schmid, 23.12.2021)