Liftoff! Am Samstag glückte der lange ersehnte und oft verschobene Start des neuen Weltraumteleskops.

Das Jahr 2021 neigt sich dem Ende zu, doch ein mit Spannung erwartetes wissenschaftliches Großereignis hat es noch zu bieten: Am Samstag um 13.20 MEZ ist das James-Webb-Weltraumteleskop ins All gestartet. Nach Dekaden der Planung und jahrelangen Verzögerungen hat die Mission des Nachfolgers des Hubble-Weltraumteleskops endlich begonnen. Das größte und leistungsfähigste Weltraumteleskop aller Zeiten ist mit einer Ariane-5-Trägerrakete vom europäischen Weltraumbahnhof in Französisch-Guayana aufgebrochen – und soll eine neue Ära der Astronomie einläuten.

"Ich bin so glücklich heute", sagte Josef Aschbacher, Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation (Esa) in einer ersten Stellungnahme nach dem erfolgreichen Start. "Große Wissenschaft wird folgen". Ergriffen zeigte sich auch Thomas Zurbuchen, Wissenschaftsdirektor der US-Weltraumbehörde Nasa: "An Bord dieser Rakete sind die Hoffnungen und Träume von Zehntausenden Wissenschaftern, die von den Erkenntnissen dieser Mission profitieren werden. Wir haben das Universum noch nie so gesehen, wie Webb es uns zeigen wird."

Infrarotauge im All

Mit einem Spiegeldurchmesser von 6,5 Metern ist Webb das bisher größte Weltraumteleskop. Zum Vergleich: Der Spiegel des 1990 gestarteten Hubble-Teleskops misst 2,4 Meter. Astronomen erwarten sich von dem Gemeinschaftsprojekt der Nasa, der Esa und der kanadischen Weltraumagentur (CNSA) große Entdeckungen. "Die Möglichkeiten sind gigantisch", sagte Günther Hasinger, Wissenschaftsdirektor der Esa, zum STANDARD.

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Das Teleskop auf dem Weg zum Transportvehikel.
Foto: Reuters/CHRIS GUNN/NASA

Gleich in mehreren Bereichen verspricht das James-Webb-Weltraumteleskop einen neuen Blick ins All. Es soll mehr als 13,5 Milliarden Jahre in die Vergangenheit des Universums zurückschauen, viel weiter als andere Teleskope. Astronomen wollen damit nach dem Licht der ersten Sterne und Galaxien suchen, die nach dem Urknall entstanden sind. Zudem soll das Teleskop uralte Schwarze Löcher aufspüren und die turbulente Entstehung neuer Sterne und Planeten deutlich besser sichtbar machen.

Trennungsszene im All: Wie geplant trennte sich Webb rund 30 Minuten nach dem Start von der Ariane-5-Rakete. Nun ist das Teleskop auf sich allein gestellt.
Foto: AFP PHOTO / NASA TV

Nicht zuletzt verspricht Webb aber auch völlig neue Möglichkeiten für die Exoplanetenforschung: Das Teleskop soll eine bisher unerreichte Charakterisierung von Planeten außerhalb des Sonnensystems ermöglichen und nach Signaturen für biologische Aktivitäten fahnden. "Der Heilige Gral wäre es, Biomarker zu finden", sagte Hasinger. Ob es tatsächlich gelinge, Hinweise auf außerirdisches Leben zu entdecken, hänge davon ab, "ob wir die richtigen Planeten finden."

Vierwöchige Reise

Der Nervenkitzel ist nach dem erfolgreichen Start aber noch lange nicht vorbei. Rund 1,5 Millionen Kilometer muss das Teleskop in knapp einem Monat zurücklegen und sich zu seiner vollen Größe entfalten, ehe es an seinem Ziel ankommt. Dort soll Webb etwas außerhalb der Erdbahn um die Sonne kreisen und möglichst ungestört seine Beobachtungen aufnehmen. "Wir gehen davon aus, dass die wissenschaftlichen Beobachtungen Mitte des nächsten Jahres beginnen können, im Juni oder Juli", sagte Hasinger.

Während Hubble vor allem im sichtbaren und ultravioletten Bereich arbeitet, ist Webb auf Beobachtungen im Infrarotbereich spezialisiert. Entwicklung und Konstruktion des Weltraumteleskops dauerten mehr als drei Jahrzehnte, die Gesamtkosten belaufen sich auf rund acht Milliarden Euro. Die Esa trägt 700 Millionen Euro der Kosten, Österreich ist daran als Esa-Mitglied mit Mitteln des Klimaministeriums beteiligt, das auch für Weltraumagenden zuständig ist. (David Rennert, Tanja Traxler, 25.12.2021)

Weltraum-Origami: Das Teleskop muss sich im All zu seiner vollen Größe entfalten. Sein fünflagiger Sonnenschild, der ihn vor dem Infrarotlicht unseres Sterns abschirmen soll, ist so groß wie ein Tennisplatz.
Illustration: Nasa