Siegfried Wolf setzte rund um sein Steuerverfahren alle Hebel in Bewegung.

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Vieles war die Steuerprüfung, die die Finanz rund um Siegfrieds Wolf Einkommen geführt hat, aber eines war sie sicher nicht: gewöhnlich. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) teilt das in ihrem Amtsvermerk so ein: Es habe ab Februar 2016 eine "intensive externe Zusammenarbeit zwischen Kabinettsebene des Finanzministeriums mit den Steuerberatern von Wolf" gegeben und auf der anderen Seite "intensive interne Interventionen" beim zuständigen Finanzamt, der Großbetriebsprüfung und Sektionschefs des Finanzministeriums. Ziel sei es gewesen, eine "günstige Abhandlung des Abgabenverfahrens" zu erreichen. Das gewünschte Ergebnis sei mit "Belohnung" für eine Finanzamtschefin in Form eines Postens erzielt worden.

Viel Serviceleistung gab es bei der "externen Zusammenarbeit": Wolfs Steuerberatern wurde nämlich laut WKStA die "interne Willensbildung" der Finanzverwaltung offengelegt – samt Tipps, was man zu tun habe, damit Wolf an die gewünschte Verringerung der drohenden Steuernachzahlung komme. Zur Erinnerung: Der Ausgangspunkt all dessen war, dass Unternehmer und Ex-Magna-Manager Siegfried Wolf zwischen 2006 und 2011 nicht ordnungsgemäß versteuert hatte. Das ist der Finanz aber erst 2012 aufgefallen. Es war auch dem zuständigen Finanzamt nicht aufgefallen, dass sich ein Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz geändert hatte und Wolf – er bezog Einkommen in Österreich, aus der Schweiz und aus Kanada – eigentlich mehr hätte zahlen müssen. Gedroht hätte ihm die Nachzahlung von elf Millionen Euro – so sah es die zuständige Großbetriebsprüfung – letztlich wurden daraus aber nur sieben.

Die Situation "eskaliert"

Die Interventionen waren tatsächlich ebenso intensiv wie extravagant: Schon im Februar 2016 wandte sich Wolf an den damaligen Generalsekretär im Finanzministerium Thomas Schmid und ersuchte ihn um Unterstützung – laut eigenen Angaben auf Rat von Altkanzler Wolfgang Schüssel. Im gleichen Monat bat Schmid laut WKStA den Sektionsleiter für Steuerpolitik und Steuerrecht um seine Einschätzung, ob die "Vorgehensweise" der Prüfer korrekt sei. Im Mai 2016 erklärte genau dieser Beamte dem Generalsekretär, dass dem so sei. Schmid klärte daraufhin den Sektionschef auf, dass die für Wolfs Steuerakt zuständige Finanzamtschefin eine "weniger strenge" Auslegung vertrete.

Zwei Monate später "eskalierte" die Situation, wie die WKStA es beschreibt: Denn die Großbetriebsprüfung "drohte" laut einer Nachricht von Schmid an Wolf damit, die "Korruptionsstaatsanwaltschaft" einzuschalten: "Das ist irre! Großbetriebsprüfung droht auch mit Korruptionsstaatsanwaltschaft. Kämpfen, aber dein Fall kam so verdammt spät zu uns. Melde mich am Montag nochmal. LG t", wie Schmid am 2. Juli 2016 Sigi Wolf wissen ließ. Der Unternehmer meldete im Gegenzug, dass die zuständige Finanzamtschefin "total verunsichert" sei, er habe sie treffen wollen, aber "sie kann (will) nicht". Zur Erinnerung: Die Beamtin und Wolf kannten einander, nicht zuletzt aus seinem Golfclub Fontana.

"Die Zweierbande"

Offensichtlich versuchte Schmid, der Beamtin "Backing" gegenüber der Großbetriebsprüfung zu geben, die Wolf ja eben die elf Millionen vorschreiben wollte. Er werde sie vor der Fachvorständin der Großbetriebsprüfung "schützen", versicherte Schmid der Beamtin. Auch der damalige Finanzminister Hans Jörg Schelling war informiert, interessiert und involviert. Schmid berichtete ihm im Juli, dass der Steuersektionschef und die Beamtin aus der Großbetriebsprüfung – "die Zweierbande", wie er sie nannte – nun das Finanzamt dazu gebracht hätten, sich ihrer Meinung anzuschließen. Die beiden hätten "die Finanzverwaltung voll im Griff und wir dürfen zusehen". Der Sektionschef habe weiters gesagt: "Solche Deals spielen sich nicht mehr auf der Ebene", berichtete Schmid an Schelling. "Aber die müssen das versuchen. Andere Möglichkeit gibt es nicht (…) Das Verfahren am Schluss zu verlieren wäre auch für uns blamabel", antwortete Schelling.

Von Schmid, der auch sein Kabinettschef war, wusste Schelling, dass es das Ziel war, die Steuernachzahlung von elf auf sieben Millionen Euro runterzubringen. Während intensiv interveniert und extensiv verhandelt wurde, kam man diesem Ziel immer näher. Die Schlussbesprechung der Großbetriebsprüfung mit allen Beteiligten konnte jedenfalls noch einmal auf Ende Oktober 2016 verschoben werden. Nicht nur das: Die Besprechung wurde so organisiert, dass ausgerechnet die zuständige Fachvorständin der Großbetriebsprüfung nicht dabei war – also jene mit der "strengen Rechtsansicht". Jeder half offenbar jedem: "Ich kämpfe auch für euch mit allen Mitteln", hatte Wolf Schmid damals, im September 2016, erinnert. Einen Monat zuvor, im August 2016, hatte er auf seinem Schloss Reifnitz eine "Veranstaltung für Kurz" organisiert, in deren Rahmen er laut WKStA "Gäste angesprochen hat, für den ‘Tag X’ – offenbar gemeint die Übernahme der Partei durch Sebastian Kurz und den nachfolgenden Wahlkampf – finanzielle Unterstützung zu leisten".

Tatsächlich wurden es dann die weniger strengen sieben statt elf Millionen, wobei Wolf sogar zu diesem Zeitpunkt noch auf sechs Millionen drängte. Da sah sich sogar Schmid am Ende seiner Kräfte: Während "laufender Verhandlungen" werde eine weitere Reduktion nicht gehen.

Lob für Kurz und Schelling

Ende 2016 war der Bescheid ausgestellt (sieben Millionen und rund 700.000 Euro Zinsen auf Raten), die Interventionen endeten deswegen aber nicht. Nun wollten Wolf und seine Steuerberater die Nachsicht der Zinsen wegen "Unbilligkeit". "Juhu! Bestes Programm zum Start in eine erfolgreiche Saison", schrieb Schmid im Jänner 2017 angesichts dessen an jenen Mitarbeiter, den er in diesem Konnex aufklärte, dass dieser eine "Hure für die Reichen" sei – weil er "im ÖVP-Kabinett" arbeite.

Dieser Wunsch war vorerst nicht zu erfüllen: Der Zinsnachlass hätte von der zuständigen Fachabteilung im Finanzministerium genehmigt werden müssen – und die sah dafür aber keine rechtliche Möglichkeit. Im Mai 2017 änderten sich die Zuständigkeiten im Ministerium und im Dezember trat ein neuer Genehmigungserlass in Kraft, bei dem laut WKStA "eine Fußnote, wonach Nachsichten über 50.000 Euro vom BMF zu genehmigen waren, entfernt wurde". In der Zwischenzeit hatte Wolf Proponenten der türkisen Bewegung weiterhin öffentlich unterstützt, im Mai 2017 hatte er Finanzminister Schelling gelobt, der "mehr Wirtschaftsverständnis hat (…) als der Wirtschaftsminister und der Sozialminister zusammen". Kurz mache laut Wolf als Außenminister "eine bessere Politik als der dafür gewählte Bundespräsident (sic) und der Bundeskanzler". Außerdem half Wolf offenbar, einen Auftritt von Kanzler Christian Kern (SPÖ) in einem Magna-Werk in Lannach zu verhindern.

Nachsicht erteilt

Zwischen Jänner und März 2018 – also als Kurz bereits Kanzler war – hat Wolf laut WKStA "abermals versucht, mit den im Prinzip gleichen Argumenten eine Nachsicht zu erreichen", die Fachabteilung war aber weiterhin dagegen. Trotzdem brachten Wolfs Steuerberater den Antrag auf Nachsicht von 686.736,44 Euro im April 2018 ein. Im Juli 2018 machte ein Steuerberater Wolfs einen großzügigen Vorschlag für eine Kompromisslösung: Man könne 682.821,67 Euro nachlassen, also rund 4.000 Euro weniger als angepeilt.

In der Zwischenzeit hatte Wolf die Finanzamtschefin auf einer Autobahnraststätte getroffen und ihr laut Vorwurf der WKStA seine Hilfe bei ihrem erwünschten Jobwechsel zugesagt. Am 26. Juli 2018 war das Ziel erreicht: Die Finanzamtsvorständin genehmigte eine Nachsicht von rund 630.000 Euro – Zinsen wurden Wolf aber nicht nachgelassen, stattdessen war ihm die Finanz bei der Einkommenssteuer für 2010 und 2012 entgegengekommen.

Summa summarum: Ziemlich ungewöhnliche Umstände, die der Fachabteilung des Ministeriums im Jahr 2019 bei einer internen Revision des Finanzamts auffielen. Da sei ein Steuernachlass gewährt worden, der rechtswidrig gewesen sei. Auch davon erfuhr Wolf sehr schnell, offenbar über seine Golffreundin, die Finanzbeamtin. Es drohte ihm nun ein neuer Bescheid von der Finanz. Jetzt fühlte sich Wolf "hintergangen" und verlangte, Schmid, der nun bereits Alleinvorstand der Staatsholding war, solle das "gleich regeln bevor die den Bescheid schicken".

Intervention beim nächsten Minister

Draußen war der Bescheid schon – zugestellt werden konnte er Wolfs Steuerberater aber nicht gleich. Der hatte nämlich flugs seine Zustellungsvollmacht zurückgelegt, wodurch "wir nun ein Zeitfenster von zwei Tagen haben", wie Wolf gegenüber Schmid vermutete. Parallel dazu bat er Ex-Finanzminister Schelling, Kontakt mit dem amtierenden Minister Eduard Müller aufzunehmen. Schelling konnte aber nichts. Mehr tun: "Habe soeben mit Müller gesprochen. Der Bescheid war leider schon draußen. Er empfiehlt eine Berufung (…) Sorry Hans Jörg". Diese Geschichte hat noch kein Ende gefunden: Denn das entsprechende Abgabenverfahren läuft noch.

In der Finanz haben die außergewöhnlichen Vorfälle bereits im Juni 2019 Folgen gezeitigt: Das Finanzministerium zeigte selbige nach Rücksprache mit dem Steuersektionschef bei der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt an. Sie leitete Ermittlungen gegen die Finanzamtschefin und zwei ihrer Mitarbeiter wegen Verdachts auf Missbrauch der Amtsgewalt ein. Ende Oktober 2020 wurde das Verfahren eingestellt.

Das löste wiederum eine anonyme Anzeige bei der WKStA aus: Ein Hinweisgeber hatte vermutet, dass diese Einstellung einer Intervention aus dem Justizministerium zu verdanken sei – dieser Verdacht hat sich laut WKStA freilich nicht erhärtet. In der Zwischenzeit sind die Ermittler klüger geworden – dank der gefundenen Chats von Schmid und von Wolf, dessen Mobilgeräte die WKStA bereits im Jänner 2020 anlässlich einer Hausdurchsuchung bei Wolf sichergestellt hatte. Und zwar in ganz einer anderen Sache: den Eurofightern. Wolf weist sowohl die Vorwürfe in dieser Causa zurück als auch jene rund um seine Steuersache. Für ihn und alle anderen Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Renate Graber, Fabian Schmid, 26.12.2021)