Vor genau einem Jahr wurden in Österreich erstmals Impfungen gegen das Coronavirus verabreicht. Einer der ersten war Christoph Wenisch, Leiter der Infektionsabteilung in der Klinik Favoriten.

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Wien – Von der Politik als "Gamechanger" angekündigt, hat am 27. Dezember 2020 die Corona-Impfaktion in Österreich begonnen. Das symbolträchtige Bild der Victory-Geste des Wiener Mediziners Christoph Wenisch ging damals rund um die Welt. Doch aus dem herbeigesehnten Weg in die Normalität wurde angesichts der Delta- und Omikron-Varianten und dem doch recht hohen Anteil an Impfverweigerern bisher nichts.

Die laut Studien und späteren Real-World-Daten gegen schwere Verläufe hochwirksamen Vakzine waren zunächst rar und in den ersten Monaten des Jahres 2021 vorrangig für ältere Menschen und Gesundheitspersonal bestimmt. Etliche Landespolitiker sahen sich dem Vorwurf ausgesetzt, sich bei der Immunisierung vorgedrängt zu haben. Seinen Posten musste Impfkoordinator Clemens Martin Auer räumen, nachdem er wegen vermeintlich zu geringer Bestellung von Impfstoffen in die Kritik geraten war.

Höhepunkt im Juni

Für ein wenig Verunsicherung sorgten ab März sehr seltene Nebenwirkungen der zwei Vektorimpfstoffe von Astra Zeneca und Johnson & Johnson, die Thrombosen auslösen können. Es kam dadurch weltweit zu einzelnen Todesfällen, auch in Österreich. Doch Experten versichern, dass der Nutzen bei weitem überwiege. Anfang Juni und dank der breiten Verfügbarkeit der Impfstoffe in Österreich erreichte die Immunisierungskampagne mit mehr als 144.000 Stichen an einem Tag ihren ersten Höhepunkt. Danach stagnierte jedoch die Impfrate über den Sommer lange bei rund 60 Prozent.

Am 2. September starteten bereits die ersten "Drittstiche". Zunächst als Auffrischung bezeichnet, ist dieser "Booster" nach neuesten Erkenntnissen, wie bei einigen Vakzinen gegen andere Krankheiten, wichtig für die Grundimmunisierung. Die Empfehlung führte am 26. November zu einem weiteren Impfrekord mit mehr als 159.000 Stichen – hauptsächlich Booster – an einem Tag.

70,3 Prozent der Bevölkerung geimpft

Mittlerweile sind fünf Impfstoffe in Österreich zugelassen: die Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna auf Basis der neuartigen mRNA-Technologie, die Vektorimpfstoffe von Astra Zeneca und Johnson & Johnson sowie der rekombinante Proteinimpfstoff von Novavax. Von letzterem Serum sollen Ende Jänner die ersten Kontingente eintreffen. Bisher wurden laut Gesundheitsministerium 1.581.624 Dosen Astra Zeneca, 12.821.627 Dosen Biontech/Pfizer, 351.860 Dosen Johnson & Johnson sowie 1.455.587 Dosen Moderna verabreicht.

Insgesamt verfügen laut den Daten des E-Impfpasses aktuell 6.280.072 Menschen und somit 70,3 Prozent der Österreicher über einen gültigen Impfschutz. 6.589.991 Personen (73,8 Prozent) haben zumindest den Erststich bekommen. 3,58 Millionen oder 39,6 Prozent sind bereits mit dem Drittstich "geboostert".

Nicht zuletzt durch die Zulassung zunächst für Jugendliche, dann auch für Kinder, sind gegen Jahresende die Durchimpfungsraten angestiegen. Eine zuletzt immer lauter werdende Minderheit lehnt jedoch aus den unterschiedlichsten Gründen eine Impfung vehement ab. Angesichts der vergleichsweise niedrigen Durchimpfungsrate und der immer wieder kritischen Situation auf den Intensivstationen, wo die verfügbaren Betten ausgehen, änderte die Regierung im November ihre Linie und kündigte eine bis dahin abgelehnte Impfpflicht ab 14 Jahren an, die im Februar schlagend werden soll. Dies feuerte die Proteste von Teilen der Bevölkerung an und löste zudem eine Debatte über Sanktionen für Impfverweigerer aus.

Mückstein: Tausende Todesfälle verhindert

"Heute vor einem Jahr hat für ganz Europa gemeinsam eine Erfolgsgeschichte begonnen", betonte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) am Montag. "Ein Jahr später haben wir in Österreich bereits mehr als 16,2 Millionen Impfungen durchgeführt und konnten so tausende Todesfälle und Krankenhausaufenthalte im ganzen Land verhindern." Um diese Erfolgsgeschichte fortsetzen zu können, müsse der gesamtgesellschaftliche Impfschutz noch weiter ausgebaut und noch stärker auf die Booster-Impfung fokussiert werden. Der Ressortchef dankte all jenen, "die mit ihrer Impfung zum Schutz der Gesellschaft beitragen, sowie jenen, "die in den Bundesländern seit einem Jahr unermüdlich bei den Impfstellen im Einsatz sind".

Sorge um Impfdosenverfall

Herrschte anfangs ein Mangel, droht nach Berechnungen der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) in Österreich ein Impfdosenverfall in großem Ausmaß, wie die APA vor einigen Tagen berichtete. Selbst wenn im ersten Quartal alle Impfpflichtigen den Erst-, Zweit- oder Drittstich erhalten würden und es viele Kinderimpfungen gäbe, würden nach aktuellen Prognosen Ende März 10,2 Millionen Dosen auf Lager liegen, so MSF-Experte Marcus Bachmann. Aktuell seien sieben Millionen Dosen ungenutzt. Er wies darauf hin, dass die Impfstoffe eine vergleichsweise kurze Haltbarkeitsdauer von sechs bis neun Monaten haben. Selbst bei einer konsequenten Beachtung des "First in, first out"-Prinzips könnte es angesichts von Ablaufdaten schon sehr bald "eng" werden. In der Prognose für das erste Quartal berücksichtigt sind auch 750.000 Dosen des neu zugelassenen fünften Covid-19-Impfstoffs von Novavax.

"Dass Millionen Impfstoffe verfallen könnten, entspricht nicht den Tatsachen", dementierte das Gesundheitsministerium. Nicht einmal 3.000 Dosen seien bisher in den Impfstofflagern des Bundes abgelaufen. "Wir haben in der Bundesregierung für das Jahr 2022 Vorsorge getroffen, dass 100 Prozent der Bevölkerung mit bis zu drei Stichen versorgt werden können. Dafür wurden am europäischen Markt vorausschauend entsprechende Mengen bestellt." Das Ressort verwies zugleich auf Impfstoffspenden von über drei Millionen Dosen, räumte aber zugleich einen bevorstehenden Verfall von 280.000 Dosen Astra Zeneca ein. Für diese habe nämlich "trotz intensiver Bemühungen der Bundesregierung" bisher kein Abnehmerland gefunden werden können, und sie liefen "demnächst" ab. (APA, 27.12.2021)