Für Millionen Spieler und Entwickler in China war Steam am Weihnachtstag nicht erreichbar.

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Viele chinesische Spieler erlebten am 25. Dezember eine weihnachtliche Überraschung der wenig erfreulichen Sorte. Praktisch von einem Moment auf den anderen konnten sie die internationale Ausgabe von Valves Spieleplattform Steam nicht mehr erreichen. Das Problem hatten aber nicht nur sie, sondern auch chinesische Entwickler, die dort ihre Werke anbieten und betreuen.

Nicht betroffen war allerdings die offizielle chinesische Ausgabe von Steam, mit der man sich weiterhin ohne Einschränkungen verbinden konnte. Zwei Tage später gibt der Vorfall immer noch Rätsel auf.

Sorge vor Verbot

Das Land zeigt unter Präsident Xi Jinping zunehmend stärkere Sinisierungsbestrebungen. Man versucht, alle Einwohner mehr oder weniger sanft der von der Partei definierten "chinesischen" Kultur und Lebensart unterzuordnen. Erst kurz vor dem Steam-Blackout war ein mutmaßlich aus Führungskreisen der kommunistischen Staatspartei stammendes Geheimpapier durchgesickert, in dem die Einschränkung von Weihnachtsfeiern nicht nur aufgrund der Corona-Pandemie gefordert wurde. Kurz gesagt ist geplant, sie zu einem "verbotenen westlichen Fest" zu machen und nur noch als Videoübertragung aus staatlich zugelassenen Kirchen zu gestatten.

Die internationale Ausgabe von Steam böte sich freilich auch als Ziel für Zensur an. Sie bietet über 100.000 Games an, von denen verschiedene bereits den Unmut der chinesischen Behörden auf sich zogen. Diese stören sich nicht nur an Kritik am Regime oder dem Staatsführer, sondern auch an Aspekten, die man für kulturell schädlich hält, wie etwa die Abbildung androgyner oder "weiblich aussehender" Männer. Erschwerend hinzu kommt das angespannte Verhältnis zu den USA aufgrund des seit Jahren schwelenden Handelskriegs.

Die China-Ausgabe von Steam startete heuer im Februar mit lediglich 53 zugelassenen Games. Der Katalog ist mittlerweile auf rund 100 Titel angewachsen, internationale Blockbuster sind aber kaum zu finden. Von Valves eigenen erfolgreichen Games sind nur Dota 2 und Counter-Strike präsent.

Zudem schränkte die Regierung vor einigen Monaten die Online-Spielzeit für Kinder und Jugendliche drastisch ein, auf effektiv eine Stunde jeweils an Wochenend- und Feiertagen – kontrolliert über eine Ausweispflicht, die die Anbieter umsetzen müssen. Die internationale Ausgabe von Steam ist in China nicht offiziell verboten, bestimmte Inhalte wie auch die Communityforen können von Nutzern im Milliardenstaat aber nicht ohne Umgehung der "großen Firewall" aufgerufen werden. Immer wieder wurde aber über eine Sperre spekuliert.

Cyberangriff als wahrscheinlichste Ursache

Wenig überraschend wurde hinter dem Steam-Blackout schnell eine Maßnahme von Peking vermutet, die insbesondere für chinesische Indie-Entwickler ein herber Schlag gewesen wäre. Mittlerweile gibt es aber viele Berichte von Spielern und Entwicklern, dass der Zugriff auf die internationale Ausgabe der Plattform von China aus wieder möglich ist. Zudem schien der Ausfall manche Nutzer nie betroffen zu haben.

Das bedeutet, dass hinter dem Ausfall wohl ein technisches Problem steckt. Ob dieses bei Steam selbst, einem seiner Dienstleister oder durch einen Angriff hervorgerufen wurde, lässt sich nicht eindeutig klären. Der üblicherweise gut informierte Leaker PlayerIGN vermutet eine "DNS Cache Poisoning"-Attacke, wie man sie auch schon vor ein paar Jahren während eines Winter-Sales – der auch jetzt gerade läuft – beobachten konnte. Valve selbst hat sich zur Causa noch nicht geäußert. Bislang hat auch noch keine Gruppierung die Verantwortung für den mutmaßlichen Angriff übernommen. (gpi, 27.12.2021)