Für Boris Johnson ist der Medienkonsum derzeit keine besondere Freude. Entweder berichten die Blätter und TV-Sender von Lockdown-Verletzungen durch Beamte und Minister seiner Regierung. Oder sie greifen andere Skandale der zunehmend selbstgefällig wirkenden Administration des Premierministers auf. Oder sie stellen in alarmierenden Worten die Corona-Lage auf der Insel dar, die durch die rasante Ausbreitung der Omikron-Variante verschlechtert wurde.

Die Sunday Times veröffentlichte jetzt eine umfangreiche Umfrage, die bestätigt: Nach dem "furchtbaren Dezember" haben die Wähler von den Torys die Nase voll. Wären jetzt Wahlen, könnte sich die Labour-Party unter Keir Starmer auf eine absolute Mehrheit der Mandate im Unterhaus freuen. Zudem verlöre der Premier sein eigenes Mandat – eine in der Geschichte Großbritanniens beispiellose Demütigung.

Für Boris Johnson ist "die Party vorbei".
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Kein Zweifel: Für Johnson ist "die Party vorbei", wie die frisch gewählte Abgeordnete Helen Morgan schon vor Tagen sagte. Da hatte die Liberaldemokratin den Torys gerade zum ersten Mal seit 1832 den Wahlkreis Nord-Shropshire abgejagt. Auch wenn Nachwahlen zum Unterhaus eigenen Regeln folgen – die Wählerschaft des tiefkonservativen Landstrichs hat Johnson sozusagen die dunkelgelbe Karte gezeigt und so für das ganze Land gesprochen: bis hierher und nicht weiter.

Zweieinhalb Jahre lang haben die Briten dem lümmel- und lügenhaften Bewohner der Downing Street fast alles verziehen. So sei Boris nun mal, erzählten die Menschen und hoben eine Fähigkeit des blonden Wuschelkopfs hervor: "Er bringt uns zum Lachen." Johnson wurde gewählt, weil er die Durchsetzung des EU-Austritts versprach. Auch in der Pandemie scharten sich viele Bürger instinktiv um ihn.

Aus, vorbei. Neuerdings schauen die Briten genauer hin. Von den notorischen Lockdown-Verletzungen des Premiers und seiner Berater über die dubiose Vergabe von Millionenaufträgen bis zu den immer schmerzhafteren Brexit-Folgen.

Bis zur nächsten Wahl dürften gut zwei Jahre vergehen. Der 57-Jährige hätte also reichlich Zeit, seine Regierung neu aufzustellen und kompetente Arbeit abzuliefern, wie sie die Briten zu Recht von ihrem Regierungschef erwarten. Wenn Johnson diese Kehrtwende nicht gelingt, werden ihn die bekanntermaßen unsentimentalen Konservativen im neuen Jahr stürzen – Großbritannien hat wirklich Besseres verdient. (Sebastian Borger, 27.12.2021)