Bald zwei Jahre Pandemie – da sollte man eigentlich schön langsam wissen, wie der Hase läuft. Und entsprechend sollte es klare, nachvollziehbare Entscheidungen geben, die verständlich kommuniziert werden und in der Umsetzung gut organisierbar sind – sollte man meinen. Stattdessen wissen wir wieder einmal nicht, wie unsere Lebensrealität im Jänner aussehen wird. Schuld daran ist Omikron.

Im Moment kann nämlich tatsächlich niemand sagen, was die neue Mutation konkret bringen wird und wie man damit umgehen soll. Die Gesellschaft – und nicht nur die österreichische – befindet sich in einem Zustand der Schwebe, ohne genau sagen zu können, wie es jetzt weitergeht. Die Prognosen sind zwiespältig: Von Höchstzahlen täglicher Neuinfektionen im Jänner ist die Rede. Gleichzeitig sprechen Simulationsforscher erstmals von einem Paradigmenwechsel in der Pandemie. Dieser würde bedeuten, dass bei hohen Infektionszahlen die Hospitalisierungen aufgrund der Durchimpfungsrate und der zahlreichen Drittstiche deutlich geringer ausfallen. Das wäre ein erster Schritt in Richtung Herdenimmunität und damit zur Endemie.

Es gibt wohl erste Daten zu Omikron, aber ihnen fehlt der Österreich-Bezug. Man kann internationale Daten nicht eins zu eins auf die hiesige Bevölkerungsstruktur, das Gesundheitssystem, die Impfrate und Immunität umlegen. Diese Informationen sind aber nötig, um zu entscheiden, welche Maßnahmen zu treffen sind, um möglichst viel Nutzen zu bringen und möglichst wenig Schaden zu verursachen.

Im Krisenstab Gecko fehlt eine Psychologin oder ein Soziologe.
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Belastung

Diese Unsicherheit ist für viele eine enorme Belastung. Denn der Mensch hat nur eine endliche Fähigkeit, sich mit Ungewissheit zu arrangieren. Unser Gehirn funktioniert nach einem simplen Belohnungssystem: Wenn ich das und das tue, dann bekomme ich dafür dieses und jenes. Das ist bei kleinen Kindern so, denen man Schokolade verspricht, wenn sie ihr Zimmer aufräumen. Und das ist bei Erwachsenen so, denen man verspricht, dass sie sich wieder frei bewegen können, wenn sie sich nur an die Maßnahmen halten. Werden diese Versprechen nicht erfüllt, erntet man nach jeder weiteren vermeintlich falschen Versicherung zusätzlichen Unwillen bis hin zu Widerstand.

Zumindest das scheint man jetzt verstanden zu haben. Die Gründung des Krisenstabs Gecko zeigt, dass man klarer und einheitlicher kommunizieren will. Das ist gut, denn nur Maßnahmen, die für viele verständlich und nachvollziehbar sind, haben auch die Chance, breit akzeptiert zu werden. Weniger gut ist, dass in dem Gremium zwar viele kompetente Expertinnen und Experten versammelt sind, aber eine Psychologin oder ein Soziologe fehlen. Dabei wäre gerade diese Expertise für eine niederschwellige und nachvollziehbare Kommunikation wichtig. Nur so kann es gelingen, dass die Maßnahmen zum Schutz aller auch vom größtmöglichen Teil der Bevölkerung mitgetragen werden.

Das ist in der Vergangenheit schlecht bis gar nicht gelungen. Und es ist in der Tat eine undankbare Aufgabe. Niemand will hören, dass man im Grunde nicht weiß, wie es weitergeht. Dieses Fehlen einer Planbarkeit ist zermürbend. Umso wichtiger ist es, dass Politik und Expertengremien, sobald man mehr Klarheit hat, nötige Maßnahmen so nachvollziehbar wie möglich erklären. Und vor allem ohne Versprechungen, von denen man nicht weiß, ob sie zu halten sind. (Pia Kruckenhauser, 27.12.2021)