Ein Treffen rechter Parteien in Warschau löste Sorgen hinsichtlich eines "russischen Pakts" aus.

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Das Treffen hatte zumindest ein paar Tage lang für Aufsehen gesorgt: Anfang Dezember reisten Vertreter rechtsnationaler und rechtsextremer Parteien aus mehreren EU-Staaten nach Warschau, um dort ein neues Bündnis zu schmieden. Optimisten unter ihnen hofften auf die Gründung einer gemeinsamen Fraktion im Europäischen Parlament, wo die rechten EU-Skeptiker zersplittert in mehreren Lagern sitzen. Das nationalistische Ideal verträgt sich eben nicht mit der Idee eines vereinten Europas.

Am Ende einigte man sich in Warschau auf eine verstärkte Zusammenarbeit und unterzeichnete wieder einmal ein gemeinsames Papier. Doch einmal mehr traten auch Widersprüche zutage – und zu einer Fraktionsbildung reichte es auch diesmal nicht.

Strippenzieher Orbán

Treibende Kraft hinter dem Projekt ist Ungarns Premier Viktor Orbán. In der EU läuft es für ihn nicht rund. Die Kommission will kein Geld aus dem Corona-Hilfsfonds auszahlen, weil in Ungarn der Rechtsstaat ausgehöhlt werde. Und die EU-Mandatare seiner Partei Fidesz sitzen seit ihrem Ausscheiden aus der Europäischen Volkspartei (EVP) als wilde Abgeordnete im Europäischen Parlament. Für die heimatlose Fidesz wäre also eine neue Fraktion besonders wichtig.

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Ungarns Premier Viktor Orbán sucht im EU-Parlament eine Heimat für Fidesz.
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Frankreichs Marine Le Pen hätte gern geholfen – und dabei ein paar Punkte auf dem internationalen rechten Parkett gesammelt. Denn zu Hause bereiten ihr die guten Umfragewerte des rechtsextremen und islamophoben Journalisten Éric Zemmour Sorgen. Dieser erklärte im November seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl im April 2022. Le Pen will aber ebenfalls wieder antreten und war zuletzt bemüht, staatstragend zu wirken: In Warschau sah man sie auch Kränze für Holocaustopfer niederlegen.

Als einstige EU-Abgeordnete hat sie 2007 eine Fraktion mitbegründet, die nach nur wenigen Monaten wieder Geschichte war: Identität, Tradition, Souveränität (ITS). Heute ist ihr Rassemblement National (RN) in der Fraktion Identität und Demokratie, in der unter anderem Abgeordnete der FPÖ, der deutschen AfD oder der italienischen Lega sitzen.

Marine Le Pens Rechtspartei RN sitzt in einer Fraktion mit der FPÖ.
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Als wichtigen Player für die Fraktionsgründung hätten Le Pen und Orbán Lega-Chef Matteo Salvini gebraucht. Doch während der spanische Vox-Chef Santiago Abascal ebenso nach Warschau kam wie Vertreter der Wahren Finnen, der Dansk Folkeparti, der Griechischen Lösung oder der FPÖ, die ohne mediales Aufsehen die Salzburgerin Marlene Svazek nach Polen schickte, spielte Salvini nicht mit.

Für die FPÖ fuhr Marlene Svazek zum Warschauer "Gipfel" der Rechten.
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Er wollte kein Bündnis mit den Fratelli d'Italia schmieden, die der EKR-Fraktion (Europäische Konservative und Reformer) angehören und in Italien im selben Wählerpool wie Salvini fischen. Tonangebend in der EKR-Fraktion ist übrigens Polens Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Gastgeber Jarosław Kaczyński.

Orbáns Fidesz ist also weiterhin fraktionslos. Dafür, dass der internationale Nationalismus sich nicht reibungslos organisieren lässt, gibt es unterschiedliche Ursachen:

Trennende Grenzen

Dass all diese Parteien nur eines eint, nämlich dass sie die Nationalstaaten eben nicht einen wollen, sondern den Einfluss der EU zurückdrängen möchten, ist wohl mit ein Grund dafür, warum die Bündnisbestrebungen zwischen Europas Rechtspopulisten nie weit kamen. Schluss mit lustig ist etwa ganz schnell, wenn die FPÖ mit Ungarn über die Geschichte des Burgenlands plaudert oder die AfD mit der PiS über Schlesien (Śląsk).

Erbe des Zweiten Weltkriegs

Eine besondere Rolle spielt dabei der Blick auf den Zweiten Weltkrieg. Dass selbst auf Regierungsebene die zwischenstaatlichen Beziehungen noch nicht aus dessen Schatten getreten sind, wurde jüngst bei den Antrittsbesuchen des neuen deutschen Kanzlers Olaf Scholz (SPD) und seiner Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Warschau deutlich. Polens nationalkonservative Regierung nutzte gleich den ersten Kontakt mit den Ampelkoalitionären für erneute Reparationsforderungen. In Berlin aber betrachtet man das Thema als abgeschlossen und beruft sich dabei vor allem auf den Zwei-plus-Vier-Vertrag, in dem die außenpolitischen Folgen der deutschen Einheit von 1990 geregelt wurden.

Bilateral wird das Thema meist schaumgebremst abgehandelt, zumal Deutschland darauf achtet, das von den Nationalsozialisten verursachte Leid keinesfalls herunterzuspielen. In Polen aber hingen jüngst Plakate eines regierungsnahen Künstlers, die – mit öffentlichen Geldern gefördert – deutsche Politiker neben Nazigrößen zeigten. Eine gute Voraussetzung für eine Zusammenarbeit der regierenden PiS mit der deutschen Rechts-außen-Partei AfD wäre das garantiert nicht.

Auch die PiS-Partei des Polen Jarosław Kaczyński wird umworben.
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Ähnliches gilt auch für andere national gesinnte Kräfte in Europa. So wird etwa in Tschechien bisweilen die antideutsche Karte gezückt, wenn es gilt, in Wahlkämpfen Patriotismuspunkte zu holen. Eine Nähe ausgerechnet zur AfD ist da nur unter recht grotesken Verrenkungen zu rechtfertigen.

Die Russlandfrage

Bei Anhängern rechtspopulistischer Parteien hat sich längst eine gewisse Faszination für den autoritären Regierungsstil Wladimir Putins und seine Ablehnung der liberalen Demokratie breitgemacht. Umgekehrt betrachtet auch der Kreml nationalistische Tendenzen in Europa mit Wohlwollen: Eine starke, geeinte EU war nie im Interesse Moskaus.

Die FPÖ hat 2016 mit der Kreml-Partei Einiges Russland gar einen Freundschaftsvertrag für fünf Jahre geschlossen, der nun aber nicht erneuert wurde. Moskaus Strategie, mit Sputnik V rasch einen Corona-Impfstoff auf den Markt zu bringen, hatte nicht nur bei FPÖ-nahen Impfgegnern eher für Befremden gesorgt. Vielleicht soll die neue Distanz aber auch helfen, das schwierige europäische Terrain wenigstens ein bisschen zu ebnen. Denn vor allem die Moskau-kritische PiS würde mit russophilen Rechtsparteien nur schwer gemeinsame außenpolitische Positionen finden. Und bekanntlich pflegt gerade Orbán, der sie alle gern um seine Fidesz-Leute scharen würde, ein Naheverhältnis zu Putin.

Zankapfel Migration

In einer Frage aber sprechen die Rechtspopulisten Europas eigentlich klar mit einer Stimme: Sie wollen keine Flüchtenden aufnehmen. Doch auch hier ist es mit der Solidarität schnell vorbei, wenn Menschen auf der Flucht bereits bis nach Europa gelangt sind: Dann sind alle dafür, die Luken zum eigenen Staat dichtzumachen – anstatt gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. (Colette M. Schmidt, Gerald Schubert, 29.12.2021)