Sehenswertes Spektakel oder unnötige Umweltverschmutzung?
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PRO: Mit Fehlern leben

von Karl Fluch

In der Kunst gilt Schönheit vor Vernunft. Mit dieser Erkenntnis und heitermachendem Sprudel sowie dem übersprungenen Schatten seiner selbst lässt sich ein Neujahrsfeuerwerk leicht genießen. Natürlich ist es eigentlich verwerflich, so wie Fremdgang, die Gelbfärbung von Schnee im öffentlichen Raum oder Witzeerzählen auf Kosten unheller Köpfe. Aber man ballert sowieso nicht selbst. Dafür war die neue Terrassencouch der Nachbarn vor ein paar Jahren dann doch zu teuer, um solche pyrotechnischen Exzesse zur Tradition zu erheben.

Doch der Mensch ist kein vernünftiges Wesen, das zeigt sich nicht nur zu Silvester. Klar kann man sagen, die armen Tauberln, die das jedes Jahr mitmachen müssen. Aber haben wir den Braten gefragt, den wir zwei Stunden zuvor aus dem Ofen geholt haben, wie er sich angesichts des Jahreswechsels fühlt? Natürlich nicht.

Mensch sein bedeutet inkonsequent zu sein, mit unseren Fehlern zu leben. Dazu zählt der Versuch, sie zu minimieren, das ja. Aber ab und zu darf man sich an der Disziplinlosigkeit anderer delektieren und sich eine halbe Stunde lang an der in den Nachthimmel gemalten Ballerei erfreuen. Sie ist laut, dreckig und unvernünftig, aber leider schön anzusehen. Zur Rechtfertigung dienen uns die Einmaligkeit des Moments ("So jung komm’ ma nimmer z’samm!") und die Hoffnung, dass im neuen Jahr alles besser wird. Auch wir selbst. (Karl Fluch, 29.12.2021)

KONTRA: Es ist nur Chemie

von Guido Gluschitsch

Selbstverständlich fasziniert ein Feuerwerk. Manche genau einmal. Dann wollen sie wissen, was dahintersteckt. Ein guter Chemielehrer erklärt einem das nicht nur zu Schulzeiten, sondern macht auch gleich praxisnahe Versuche. Er lässt seine Schülerinnen und Schüler Natrium unter der Abzugshaube anzünden. Danach wissen diese, das brennt gelb.

Kupferverbindungen leuchten blau, wenn sie verbrennen, Kalzium orange, Barium grün, Lithium und Strontium rot, Magnesium, Aluminium und Titan silbrig weiß. Ja, genau so unromantisch ist ein Feuerwerk im Grunde. Obwohl, es ist, um ehrlich zu sein, sogar ein wenig mehr als nur Chemie und Metalle, die verbrannt werden.

Es entstehen neben Lärm und Licht nämlich auch noch Stickstoffdioxid, Kohlenmonoxid, Feinstaub. Zudem steigt logischerweise die Schwermetallbelastung in der Luft dramatisch an. Man muss also von dieser Umweltzerstörung und Tierquälerei nicht so fasziniert sein, dass man sie sich jedes Jahr aufs Neue anschaut – durch eine Nebeldecke, die dem Ganzen auch noch das meiste des optischen Reizes nimmt.

Wir schmeißen ja auch nicht jedes Jahr einmal Mentos ins Cola, lösen nicht immer zu Ostern die Eierschalen in Essig auf oder schalten bei jedem Gin Tonic, das wir in die Hand bekommen, das Schwarzlicht ein, weil es so lustig aussieht. (Guido Gluschitsch, 29.12.2021)