Die albanische Nonne Mutter Teresa hat die Missionaries of Charity 1950 gegründet.

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Ein "grausames Weihnachtsgeschenk für die Armen" nannte es der Generalvikar der Erzdiözese Kolkata, Dominic Gomes, am Montag. Just am 25. Dezember hatte die indische Regierung entschieden, dass sie die Lizenz der Missionaries of Charity (MoC), also der von Mutter Teresa gegründeten Hilfsorganisation, nicht verlängern würde. Das bedeutet, dass MoC kein Geld mehr von ausländischen Gebern erhalten dürfe.

Auch die Ministerpräsidentin von Westbengalen, Mamata Banerjee zeigte sich "schockiert" über den Schritt. Über 20.000 Menschen seien davon betroffen. "Das Gesetz steht über allem, aber humanitäre Bemühungen dürfen nicht beeinträchtigt werden", twitterte sie.

Die BJP-Regierung von Narendra Modi erklärte den Schritt damit, dass die 1950 gegründete Organisation die "Eignungskriterien" nicht erfülle. Außerdem habe man bei einer Prüfung "unerwünschte Beiträge" festgestellt. Nähere Informationen blieben bisher aus.

MoC erhielt im vergangenen Jahr laut "The Hindu" umgerechnet 662 Millionen Euro an ausländischen Spenden. Die 1997 verstorbene albanische Nonne Mutter Teresa hatte über Jahrzehnte ein Netzwerk an Betreuungsstätten und Unterstützern aufgebaut, weltweit sind heute rund 3.000 Nonnen tätig. In Indien betreut MoC unzählige Unterkünfte für Obdachlose, Kranke und verarmte Menschen. Ihr Hauptsitz ist in Kolkata.

Der Ankündigung vom Montag war eine Kontroverse vorausgegangen, die sich in Modis Heimatstaat Gujarat zugetragen hatte. Mitte Dezember hat die Polizei Ermittlungen gegen eine lokale MoC-Unterkunft begonnen, weil dort Mädchen zum Christentum zwangskonvertiert würden. Die Mädchen würden dazu gebracht, "Kreuze um den Hals" zu tragen, und gezwungen, die Bibel zu lesen. Diese Aktivitäten würden "die Gefühle der Hindus absichtlich verletzen", lauteten die Vorwürfe.

In Indien sind rund 2,3 Prozent der Bevölkerung Christinnen und Christen. Oft sind es Menschen, die den untersten Schichten einer traditionell äußerst hierarchischen Gesellschaft angehören. Zum Beispiel finden Dalits, also die "Unberührbaren", in der Konvertierung zum Christentum oft einen möglichen Ausweg aus einem perspektivlosen Leben.

Jesus-Statuen zerstört

Immer wieder fachen hindunationalistische Hardliner den Vorwurf der Zwangskonvertierung an. In den vergangenen Jahren hat dabei auch die Gewalt gegen die christliche Bevölkerung zugenommen. Erst jüngst mussten etliche Weihnachtsfeiern wegen Störaktionen von Hindu-Hardlinern unterbrochen werden. In Haryana wurden Jesus-Statuen zerstört. Erstmals stufte die US-Kommission für Religionsfreiheit die Lage im demokratischen Indien als "besorgniserregend" ein.

In den vergangenen Jahren wurden auch die Gelder anderer internationaler NGOs, darunter Amnesty International, eingefroren. Die Organisation hatte die hindunationalistische Politik der Regierung scharf kritisiert.

Vorwürfe gegen Organisation

Doch die Vorwürfe gegen die von Mutter Teresa gegründete MoC gibt es nicht erst, seitdem die BJP 2014 an die Macht kam. Schon viele Jahre zuvor haben sich immer wieder Kritiker zu Wort gemeldet: Von Spendenveruntreuung war die Rede, von Korruption, von kultischem Verhalten und schlechten medizinischen Standards; sogar Kinderhandel wurde Angehörigen der NGO vorgeworfen.

Ein bekannter Kritiker von MoC, Anoup Chatterjee, prangert seit Jahrzehnten auch das kolonialistische Gehabe und Erbe der Organisation an. 2016 sagte er zur "New York Times", dass er sich jetzt, da die BJP an der Macht sei, sicherer fühle, die weltweit verehrte Nonne zu kritisieren.

Ob es der Regierungspartei tatsächlich um ernsthafte Aufklärung rund um die Organisation geht, bezweifeln aber viele Kritiker. Schon der Tag der Entscheidung, der Christtag, unterstreicht das Ziel der Symbolpolitik. In den kommenden Monaten finden in vielen Schlüsselbundesstaaten im Land Wahlen statt. Und die möchte die BJP gewinnen. (Anna Sawerthal, 28.12.2021)