Arbeitsminister Martin Kocher hat das Thema schon länger auf dem Schirm: Österreich ist ein Land der Teilzeitjobs. Vor allem Frauen haben sich in der Rolle eingerichtet – wohl oder übel. 955.600 Frauen standen im Vorjahr 244.600 teilzeitbeschäftigten Männern gegenüber. Das ist ein Problem vor allem für viele der Betroffenen selbst. Die Bruttoeinkommen liegen oft unter tausend Euro monatlich, die Gefahr, nach dem Erwerbsleben in die Altersarmut abzurutschen, ist enorm. Es gibt einen weiteren guten Grund, sich der Sache anzunehmen: In den nächsten Jahren werden sich viele Erwerbstätige in die Pension verabschieden. Der Arbeitskräftemangel bleibt mit Sicherheit virulent.

Nachvollziehbar also, dass der Arbeitsminister mehr Frauen in Vollzeitjobs hieven will. Im Industrieländervergleich hat Österreich mit einem Anteil von 50 Prozent Teilzeitarbeit bei Frauen ohnehin Nachholbedarf. Der jüngste Therapievorschlag mutet allerdings reichlich seltsam an: "Wenn alle Frauen, die Teilzeit beschäftigt sind, nur ein paar Stunden mehr arbeiten würden, hätten wir kein Arbeitskräfteproblem mehr", sagt der Minister, um das Gesagte dann noch einzubetten. Er habe darauf abgezielt, "dass es viel Potenzial im Inland gibt: bei Älteren, bei Frauen, die Teilzeit arbeiten, und bei Menschen in Arbeitslosigkeit".

Arbeitsminister Martin Kocher will mehr Frauen in Vollzeitjobs bringen.
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Nun gut. All das ist nicht von der Hand zu weisen. Nur, mit ein paar Stunden mehr – verrichtet in teilweise schlechtbezahlten Teilzeitjobs – wird es nicht getan sein. Denn jetzt brauen sich die Versäumnisse aus der Vergangenheit wie ein perfekter Sturm zusammen. Dass in der Sache seit Jahren so wenig weitergeht, hat auch mit dem konservativen Familienbild zu tun. Kinder und die Aufteilung der unbezahlten Arbeit zwischen den Geschlechtern spielen eine wichtige Rolle: 25 Prozent der Frauen zwischen 25 und 49 Jahren ohne Kinder arbeiten in Teilzeit, bei Müttern sind es 74 Prozent. Zäh hält sich die Vorstellung, dass die Frau bestenfalls dazuverdient und kürzertritt, wenn der Nachwuchs da ist.

Auch wenn sich einstellungsmäßig einiges getan hat: In der Praxis schlägt sich der gute Wille zu Halbe-halbe bei vielen Paaren kaum nieder. Mit ein Grund: Männer verdienen mehr, der Einkommensausfall der Frau ist leichter zu kompensieren. Die Gesellschaft macht es aber auch den Männern nicht leicht: Wer sich entscheidet, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen, zieht oft bei Karriereverläufen den Kürzeren.

Dazu kommt aber nun ein ganz neuer Trend: Immer mehr junge Menschen wollen Zeit für sich selbst und schlicht und ergreifend nicht Vollzeit arbeiten. Warum auch nicht, wenn man es sich leisten kann oder will. Ein wichtiges Stichwort: Staat wie Unternehmen werden es sich künftig nicht mehr leisten können, starr an überkommenen Regeln und Modellen festzuhalten. Gefragt sind beide Seiten. Der Staat könnte etwa bei den tausenden Pflegerinnen, Sozialarbeiterinnen, Reinigungskräften, die er beschäftigt, bei den Löhnen etwas drauflegen, um die Einkommensschere etwas zu schließen. Unternehmen haben bereits begonnen, flexiblere Arbeitszeitmodelle auf die Beine zu stellen. Da braucht es mehr davon. Und es gibt einen riesigen Pool an Arbeitskräftepotenzial – die vielen Menschen ohne Job. Sehr viele davon sind weiblich. Warum nicht gemeinsame Sache bei der Finanzierung ihrer Weiterbildung machen? Halbe-halbe wäre so eine Idee. (Regina Bruckner, 29.12.2021)