Bild nicht mehr verfügbar.

Boxen voller Unterlagen aus dem Büro von "Stand News" werden beschlagnahmt.

Foto: Reuters / Tyrone Siu

Hongkong – Nach einer Razzia und der Verhaftung leitender Mitarbeiter hat mit "Stand News" eines der letzten prodemokratischen Medienunternehmen in Hongkong sein Aus erklärt. "'Stand News' stellt jetzt den Betrieb ein", hieß es am Mittwoch in einer auf Facebook veröffentlichten Erklärung des Online-Nachrichtenportals. Alle Mitarbeiter seien entlassen worden. Zuvor hatten mehr als 200 Sicherheitskräfte die Büros durchsucht, Vermögenswerte eingefroren und sieben Aktivisten festgenommen.

Medienberichten zufolge handelt es sich bei den Festgenommenen um ehemalige Vorstandsmitglieder von "Stand News", darunter die ehemalige demokratische Abgeordnete Margaret Ng und die Popsängerin Denise Ho. Ebenfalls festgenommen wurden demnach der ehemalige Chefredakteur Chung Pui Kuen und der stellvertretende Chefredakteur Patrick Lam. Den Festgenommenen werden "aufrührerische Veröffentlichungen" vorgeworfen.

"Stand News" habe Nachrichten und Kommentare veröffentlicht, die zum Hass gegen die Behörden aufstacheln, begründete der Leiter der nationalen Sicherheitsabteilung der Polizei, Steve Li, das Vorgehen. Die Polizei habe Vermögenswerte über umgerechnet etwa sieben Millionen Euro sowie Computer, Telefone und "relevantes journalistisches Material" beschlagnahmt. Weitere Festnahmen seien nicht ausgeschlossen. "Wir zielen nicht auf Reporter ab. Wir zielen auf Verstöße gegen die nationale Sicherheit ab", sagte Li.

Sorge über schwindende Rechte

Die Razzia gibt weiteren Anlass zur Sorge über schwindende Rechte und Freiheiten in der chinesischen Sonderverwaltungszone. Das 2020 von der Regierung in Peking erlassene Gesetz zur nationalen Sicherheit gilt als massiver Einschnitt in die Autonomie der ehemaligen britischen Kronkolonie, die ihr bei der Übergabe an China 1997 nach dem Prinzip "Ein Land – zwei Systeme" für mindestens 50 Jahre zugesagt worden war. Westliche Staaten werfen China vor, Bürgerrechte in Hongkong auszuhöhlen und die Demokratiebewegung mundtot machen zu wollen.

Steven Butler, Asien-Koordinator des Komitees zum Schutz von Journalisten, bezeichnete die Polizeiaktion als "offenen Angriff auf die ohnehin schon zerrüttete Pressefreiheit in Hongkong". "Stand News" wurde 2014 als gemeinnützige Organisation gegründet und war zuletzt die bekannteste verbliebene prodemokratische Publikation in Hongkong. Zuvor war beim Vorgehen gegen die Demokratiebewegung unter anderem bereits die Boulevardzeitung "Apple Daily" des inhaftierten Tycoons Jimmy Lai geschlossen worden.

Büro von Polizisten abgeriegelt

Das Büro von "Stand News" in einem Industriegebäude im Arbeiterviertel Kwun Tong sei von dutzenden Polizisten abgeriegelt worden, berichtete ein Reuters-Reporter vor Ort. "Stand News" veröffentlichte ein Video, auf dem zu sehen ist, wie die Polizei am Wohnsitz des stellvertretenden Redaktionsleiters und Vorsitzenden der Hongkonger Journalistenvereinigung, Ronson Chan, eintrifft. "Die Anklage lautete auf Verschwörung zur Veröffentlichung aufrührerischer Publikationen. Dies ist der Haftbefehl", sagt ein Polizist auf dem Video.

Aufwiegelung ist nach dem umfassenden Gesetz zur nationalen Sicherheit kein Verbrechen. Jüngste Gerichtsurteile haben den Behörden jedoch die Möglichkeit gegeben, die durch das neue Gesetz verliehenen Befugnisse zu nutzen, um zuvor kaum genutzte Verordnungen aus der Kolonialzeit anzuwenden, die Aufwiegelung abdecken. (APA, dpa, 29.12.2021)