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Nicht nur weiße Männer: Schon seit einigen Jahren versuchen immer mehr Unternehmen in den USA und Europa, mit ihren Produkten unterschiedliche Menschen und Gruppen anzusprechen.

Foto: AP Photo/Mark Lennihan

Es sollte Orientierung und Sicherheit bieten: Das sogenannte Green-Buch für schwarze Autofahrer, das zwischen 1936 und 1966 in den USA herausgegeben wurde. Darin fand sich eine Liste mit Hotels, Ärzten, Tankstellen, Restaurants und Autowerkstätten, die bereit waren, Schwarze zu bedienen. Das war zu dieser Zeit nicht selbstverständlich: Die Jim-Crow-Gesetze hatten seit dem Ende der Sklaverei dazu beigetragen, die Rassenhierarchie und -diskriminierung in den Südstaaten aufrechtzuerhalten. Erst mit dem Civil Rights Act von 1964, der die Diskriminierung von Afroamerikanern in den USA verbot, verlor der Green-Buch-Reiseführer an Bedeutung, geriet bald darauf in Vergessenheit und wurde erst kürzlich durch Bücher, Ausstellungen und Filme wie "Green Book" zurück ins Zentrum der Aufmerksamkeit geholt.

Für Crystal Egli, eine afroamerikanische Frau aus Colorado, war das Green-Buch vor zwei Jahren Anstoß für eine Idee, auch in der heutigen Zeit Orientierung zu bieten. Sie beschloss, gewissermaßen ein neues Green-Buch zu erstellen, das Menschen, die regelmäßig Diskriminierung erfahren, die Möglichkeit bieten soll, Feedback zu geben, in welchen Geschäften und Orten sie sich benachteiligt oder diskriminiert fühlen. Gemeinsam mit der US-amerikanischen Diversity-Trainerin Parker McMullen Bushman gründete sie das Unternehmen Inclusive Journeys und die Plattform Inclusive Guide, die es Kundinnen und Kunden möglich machen soll, anonym eine Bewertung dazu abzugeben, wie offen und tolerant ein Unternehmen und dessen Produkte und Dienstleistungen gegenüber unterschiedlichen Geschlechtern, Herkunft, Hautfarbe, Identität und Lebensrealitäten anderer Menschen sind.

Ökonomische Anreize

Anstatt etwa nur eine fixe Quotenregelung vorzugeben, an die sich Unternehmen bei der Anstellung von Mitarbeiterinnen halten müssen, sollen mit der Plattform zusätzliche ökonomische Anreize für die Unternehmen entstehen, mehr für Gleichberechtigung zu tun, so die Entwicklerinnen. Ähnlich wie es bereits dutzende Bewertungskriterien zur Qualität von Dienstleistungen und Produkten von Unternehmen gibt, soll es künftig mithilfe der Plattform einen Bewertungskatalog geben, der Unternehmen an ihrem Beitrag zur gesellschaftlichen Gleichberechtigung misst.

Auf der Plattform können Kundinnen und Kunden eines bestimmten Unternehmens dieses beispielsweise danach bewerten, wie tolerant und zuvorkommend dessen Mitarbeiter sind, wie sehr das Unternehmen darauf achtet, Frauen anzustellen, ob und in welcher Form Menschen mit Behinderungen eingebunden sind oder ob es etwa auch Unisex-Toiletten gibt, heißt es von den Entwicklerinnen. Zudem können Menschen angeben, wie wohl sie sich in einem Geschäft oder Restaurant fühlen, wie sehr sie das Gefühl haben, dass ihre Identität respektiert und gewahrt wird, und wie gut die Produkte sind, die das Unternehmen anbietet.

Feedback geben

Am Ende soll aus hunderten Bewertungen ein Inclusivity-Score von eins bis fünf für Restaurants, Geschäfte, Friseure oder andere Unternehmen herauskommen. Jene Unternehmen, die sich kostenpflichtig auf der Plattform registrieren, erhalten Informationen darüber, wie Menschen unterschiedlicher Herkunft, sexueller Orientierung oder mit Behinderung das Unternehmen und dessen Produkte und Dienstleistungen beurteilen und welche Verbesserungsmöglichkeiten es gäbe, um die Diversität und Gleichberechtigung im Unternehmen zu erhöhen.

Der fertige Bericht an ein Unternehmen soll erst ab einer ausreichend hohen Zahl an Reviews gesendet werden und lediglich ein Feedback sein, sagen die Entwicklerinnen. Sie hoffen jedoch, dass durch die Plattform ausreichend Anreize für Unternehmen entstehen, durch eine gute Bewertung neue Kunden und Mitarbeiter aus Gruppen anzuziehen, die sich von dem Unternehmen bisher nicht angesprochen oder gar ausgeschlossen fühlten. In den nächsten Monaten soll die Plattform, sofern genug Finanzierung vorhanden ist, dann auf immer mehr US-Bundesstaaten ausgeweitet werden.

Andere Initiativen

Eine derartige Plattform gibt es in Österreich zwar nicht, dafür aber einige andere Initiativen, die versuchen, Diskriminierung und Rassismus in Unternehmen aufzuzeigen und Betroffene zu unterstützen. Darunter etwa die Initiative Zara, die Betroffene berät und zudem jedes Jahr einen Rassismus-Report veröffentlicht.

Aus dem Bericht von 2020 geht hervor, dass jene Menschen, die sich bei Zara meldeten, angaben, am häufigsten Rassismus im Internet zu erleben, gefolgt vom öffentlichen Raum und bei Gütern und Dienstleistungen. In der Arbeitswelt und bei Gütern und Dienstleistungen gab jede dritte Person an, Rassismus aufgrund der Hautfarbe erlebt zu haben. (Jakob Pallinger, 31.12.2021)