DSN-Direktor Omar Haijawi-Pirchner, Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) und Reinhard Schnakl, stellvetretender Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit, im Rahmen einer Videokonferenz mit Vertretern aus Gesundheitseinrichtungen zu wiederholten Drohungen gegen das Personal im Gesundheitsbereich im Innenministerium in Wien.

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Es sei "eindeutig eine rote Linie überschritten worden", sagte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Er spielte damit auf Vorfälle an, bei denen Gesundheitspersonal und Spitäler Ziel von Angriffen von Corona-Leugnern wurden; etwa als vor zwei Wochen eine Pflegerin in Oberösterreich zuerst beschimpft und ihr dann Kaffee ins Gesicht geschüttet wurde. Kürzlich wurde zudem ein Krankenhaus in Wien mit Verschwörungsbotschaften beschmiert. Und Mitte November gab es eine Demonstration vor einer Klink in Oberösterreich, bei der Vorwürfe der Behinderung des Spitalbetriebs laut wurden – was die Polizei Oberösterreich damals allerdings zurückwies. Karner brachte den Vorfall nun aber erneut auf.

So etwas wolle das Innenministerium "nicht dulden", sagte Karner. Die Handlungen seien ein "Angriff auf unser demokratisches Zusammenleben". Wie man am besten mit derartigen Bedrohungen umgehen soll, will der Innenminister heute, Mittwoch, gemeinsam mit dem Verfassungsschutz und Vertretern von Gesundheitseinrichtungen in einer Videokonferenz erörtern.

Drei Ziele

Vorab präsentierte Karner der Öffentlichkeit drei Ziele für das Gespräch: Erstens solle es zur Sensibilisierung der Bediensteten und auch der Bevölkerung kommen. Zweitens sollen die Polizei und der Verfassungsschutz mit Ärzten sowie Betreibern von Kliniken und Impfstraßen eng vernetzt werden. Drittens wolle man "maßgeschneiderte Sicherheitskonzepte" erarbeiten. "Wir denken auch darüber nach, dass wir Schutzzonen für Gesundheitseinrichtungen errichten werden", sagte Karner.

Bereits bei der letzten Nationalratssitzung Mitte Dezember wurde der Innenminister per Entschließungsantrag aufgefordert, den Schutz von Gesundheitspersonal sicherzustellen. Einen Vorschlag, wie das gelingen soll, will Karner "sehr bald im neuen Jahr" vorlegen. Im Zuge dessen soll eben auch die Möglichkeit von Schutzzonen geprüft werden. Das könnte zum Beispiel bedeuten, dass Demonstrationen und Kundgebungen vor Spitälern untersagt werden. Derzeit ist das nur anlassbezogen möglich. "Mir ist klar, dass das Demorecht ein hohes Gut ist, aber es gibt nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten", sagte Karner.

Laut dem Chef der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), Omar Haijawi-Pirchner, handelt es sich bei der Protestbewegung der Corona-Leugner um eine "heterogene Sammelbewegung". Sie stelle die Sicherheitsbehörden vor große Herausforderungen. Dass sie derzeit die größte Bedrohung für die Sicherheit in Österreich darstellen, erklärte Haijawi-Pirchner bereits Mitte Dezember im STANDARD-Interview. "Es ist schwierig, unter den vielen radikalisierten Teilnehmern eine klare Zuordnung im Bereich der extremistischen Gesinnung vorzunehmen", meinte der oberste Verfassungsschützer. Auffällig sei jedoch, dass die führenden Köpfe der Bewegung Verbindungen zum organisierten Rechtsextremismus und dem Milieu der Staatsverweigerer aufweisen.

"Radikaler Individualismus"

Den Ausgangspunkt für die Ablehnung von Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung sieht Haijawi-Pirchner in einem "immer radikaleren Individualismus". Dieser entstehe im Gesichtsfeld von Enttäuschung und Verzweiflung und lehne jedes staatliche Handeln in der Pandemie ab. Und nicht zuletzt würden Verschwörungserzählungen "zunehmend zu einem Sicherheitsproblem" werden. Die Impfpflicht könne die Radikalisierung beschleunigen, hier werde man wachsam sein. Besonders gefährdet sei neben Medien und Polizei eben das Gesundheitspersonal.

Der stellvertretende Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit, Reinhard Schnakl, ortet "immer mehr Gruppierungen, die offen gegen Maßnahmen auftreten". Immer mehr radikale Gruppierungen hätten sich unter die Teilnehmer gemischt und das Kommando übernommen. Tatsächlich waren organisierte Rechtsextreme bereits bei den allerersten Versammlungen gegen Corona-Maßnahmen präsent. "Neonazis, Staatsverweigerer und Hooligans nutzen diese Plattform, um besorgte Bürger zu instrumentalisieren und für ihre Ansichten zu gewinnen." Es werde bewusst versucht, einen Graben zum Rest der Bevölkerung, der die Maßnahmen mitträgt, aufzureißen.

Sperrstundenkontrollen zu Silvester

Was Silvester und etwaige Kontrolltätigkeiten der Polizei betrifft, gab sich Schnakl gelassen: "Silvester ist für die Polizei nichts Neues." Die Sperrstunde um 22 Uhr würde man natürlich überwachen und entsprechend verstärkt in Fortgehvierteln unterwegs sein. Karner appellierte erneut an die Bevölkerung, im kleinen Kreis zu feiern. (Vanessa Gaigg, 29.12.2021)