Im ACV werden jeden Tag tausende Impfdosen verabreicht. Und einzelne offenbar auch nicht, obwohl ein Impfpass gestempelt wurde.

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Im Austria Center Vienna (ACV), der größten Impfstraße Österreichs, kam es offenbar zu einem Betrugsskandal: Impfpässe seien ausgestellt worden, obwohl keine Impfungen verabreicht wurden. Das bestätigt der Samariterbund, der die Impfungen abwickelt, dem STANDARD. Anfang Dezember, so heißt es von einer Sprecherin, sei die Causa aufgeflogen. Danach habe man zwei involvierte Mitarbeiter entlassen und angezeigt. Ob noch mehr Personen involviert seien, ist laut Samariterbund noch nicht bekannt. Im Innenministerium bestätigt man, dass es Ermittlungen gibt.

Welcher Berufsgruppe die beiden angehören, will die Sprecherin nicht angeben, um keinen "Generalverdacht auszusprechen". Ärzte und Ärztinnen seien aber nicht beteiligt gewesen, sagt sie. Geimpft wird im ACV nicht von Ärzten und Ärztinnen – diese führen lediglich die Aufklärungsgespräche durch –, sondern von diplomiertem Pflegepersonal, das aus unterschiedlichen Krankenhäusern gegen Honorargelder ins ACV kommt. Das Honorar liegt bei 55 Euro die Stunde. Dass Personen aus diesem Personalpool in den Betrug involviert sind, sei "zu befürchten", heißt es vom Samariterbund.

System im ACV umgestellt

Man habe jedenfalls den Prozess im ACV angepasst. Dazu, was konkret geändert wurde, will man im Samariterbund allerdings keine Angaben machen, "das würde Tür und Tor öffnen" für weiteren Betrug. Es gebe jedenfalls keine zusätzlichen Stationen, sondern bei den derzeitigen Stationen mehr involvierte Leute, um künftigen Betrugsfällen vorzubeugen. Wie hoch die Bestechungsgelder waren, ist momentan noch unklar. Man gehe davon aus, dass es sich um zwischen 30 und 100 Fälle handelt, sagt die Sprecherin. Die Ermittlungen sollen weitere Details bringen.

Das Gratisblatt "Heute", das zuerst von der Betrugscausa berichtete, zitiert eine anonyme Hinweisgeberin. Auf die Frage, wie die mutmaßlichen Betrüger an die entsprechenden Impfgegner gekommen sind, soll diese gesagt haben: "Mundpropaganda". Laut ihr sollen sich die Beteiligten aus dem erweiterten privaten Umkreis gekannt haben. "Einer der Betrüger soll seine ganze Familie als geimpft eingetragen haben", heißt es.

Ein Fall ereignete sich schon im September

Laut Landespolizei Wien ist die ganze Causa aber etwas differenzierter zu betrachten: Bei der Polizei seien, so sagt eine Sprecherin, im Dezember zwei Fälle aufgeschlagen, beide habe der Samariterbund angezeigt. Der erste habe sich schon im September zugetragen: Eine Mitarbeiterin im ACV soll einen Kollegen dazu gebracht haben, sie als geimpft zu vermerken, ohne sie zu impfen. Die 33-Jährige sei bereits einvernommen worden und bestreite das.

Der zweite Fall, zu dem die Polizei gerade ermittelt, habe sich im Dezember zugetragen: Eine 26-jährige Mitarbeiterin im ACV soll mehrere Personen ins Impfregister eingetragen haben, ohne dass diese geimpft wurden. Und auch, ohne dass diese überhaupt vor Ort waren. Es soll sich um eine niedrige zweistellige Zahl an falschen Eintragungen handeln, die Ermittlungen seien aber noch nicht abgeschlossen.

Gegen die 33-Jährige wird wegen Urkundenfälschung ermittelt, gegen die 26-Jährige wegen der Vorbereitung der Fälschung öffentlicher Urkunden. Auf beide Vergehen steht ein Strafrahmen von bis zu einem Jahr. (Gabriele Scherndl, 29.12.2021)