"Habt’s scho mittag’gess’n. Ja? Ja!" So fragt der junge Kaiser/Kanzler die alten Leutchen. Die sitzen in irgendeinem Seniorenheim, in das Sebastian Kurz gerade eintritt. Stumm schauen sie zu ihm auf. Sie reagieren nicht. Aber. Der junge Kaiser/Kanzler hat sie auch gar nicht gefragt. Der junge Kaiser/Kanzler hat sie nicht einmal angesprochen. Er hat übers Umgangssprachliche eine Anrede vermieden. Er hat grammatikalisch die Feststellung getroffen, dass schon mittag’gessen wurde. Das "habt’s" geht auf "ihr habt es" zurück. Hochsprachlich hieße der Satz "Ihr habt es schon mittaggegessen." Es ist Leutseligkeit, die sich im Weglassen des "ihr" im "habt’s" ausdrückt. Ein Wissen von und über die so Ausgelassenen wird vorgeführt. Verfügung. Ständischer Abstand wird auf diese Weise hergestellt. Früher. Da hätten die alten Personen noch in Knicksen und Verbeugungen sich weiter verkleinern müssen gegenüber dem auftretenden hohen Herrn. Der Abstand zwischen dem und ihnen wäre noch deutlicher sichtbar geworden. Und. Täuschen wir uns nicht. Diese Art des Fürsorge mimikrierenden Sprechens von oben herab. Das meint den Bürger insgesamt. Damit sind wir alle gemeint und sind damit nicht gemeint. Der Bürger. Für die Neuvolksparteiischen. In einem späten Nachvollzug ist die ohnehin schmale Vorstellung vom selbstbestimmten Staatsbürger wieder in eine Vorstellung vom zu erziehenden Volk rückverwandelt. Die Pandemie zeigt es.

Es ist nicht mehr früher

Nun. Es ist nicht mehr früher, und der junge Kaiser ist verschwunden. Zurückgeblieben ist vorerst ein Innenminister, der offen dem Austrofaschismus huldigt. So. Wir werden weiter daran erinnern, dass die Monarchie in Cisleithanien nicht überwunden ist. Es wird uns so in Erinnerung gehalten, dass Politik in Österreich von jeher für politische Ordnung sorgen will und nicht für gesellschaftlichen Frieden. Und geordnet sind wir nach diesen beiden Regierungen Kurz schon wieder ein bisschen mehr. Wir werden dem Demokratischen weggeordnet. Unsere Umordnung dahin, wohin wir postvolksparteiisch gehören. Das ist die Erledigung der Drecksarbeit für die Eliten gegen eine Demokratisierung der Gesellschaft.

So wird den kleinen Kindern in der Schule wieder über Noten vonseiten des Staats klargemacht, wo in der gesellschaftlichen Hierarchie sie sich finden. Die Beschulung wird sie in ihrer Eintrittsposition festlegen. Und das möglichst für alle Zeit. Die Bildungsdaten werden ja 60 Jahre aufbewahrt werden. Nutzen haben die Eliten davon. Das Nachsehen trifft alle anderen, denen gesellschaftliche Bewegung mit einer solch frühen Festlegung verwehrt wird. Die Bewertung durch Noten. Sie stellt den Appell auf dem Kasernenhof nach. Wer wo wie in die Schlacht geschickt werden wird. Wer wo wie welche Überlebenschancen haben wird. Wer gar nicht hinausmuss. In die Schlachten. Die Prägungen, die durch die Rückeinführung der Benotung so früh die Person unverrückbar festlegen. Sie werden das Leben der Person grundieren. Und die 60-jährige Speicherung. Ständischer geht es nicht. Die Monarchie lässt via Austrofaschismus grüßen. Da. Um ein staatliches Zeugnis zu bekommen, musste man im Austrofaschismus die Bestätigung vom Pfarrer vorlegen, die heilige Kommunion empfangen zu haben. Solche Zwischenmachtstrukturen sind in Zeiten der neoliberalen Selbstoptimierung nicht notwendig. Wert oder Wertlosigkeit der Person. Die notenbestätigte Beschulung schreibt ständische Ordnung weiter. Wie von selbst geht das.

Der junge Kaiser ist verschwunden. Zurückgeblieben ist ein Innenminister, der offen dem Austrofaschismus huldigt. So werden wir weiter daran erinnert, dass die Monarchie in Cisleithanien nicht überwunden ist.
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Diese ständische Anlage. Was die FPÖ autochthon haben möchte, das verlegt die neue ÖVP wie die alte in die Person selbst. Es geht um die Geburt. Die Noten, in die Volksschule zurückeingeführt, sie bestätigen die Beschreibung der sozialen Herkunft durch die Geburt. Eine Beschreibung ist das, die verinnerlicht unentrinnbare Selbstzensur konstruiert. Ein Lebenslänglich sozialer Bestimmtheit wird da ausgesprochen. Herkunft und Geschlecht werden wieder zur Grundbedingung des Lebens gemacht.

Nostalgische Herablassungen

Wie zwingend sich das vermittelt, das können wir an der Rederei auf Facebook über die bei Gericht anzustrengenden Prozesse jüngerer Personen ablesen, die sich über die Gerichte wieder in ihre Adelstitel zurückklagen wollen. Sie wollen das Adelsaufhebungsgesetz von 1919 in die Anerkennung ihrer Adelstitel aufgehoben sehen. Dieser Vorgang wäre die Parallelhandlung der Eliten zur Festlegung der Nicht-Eliten durch schlimme Volksschulnoten. Die Eliten von früher wollen nicht mehr warten, die voll anerkannten Eliten von heute und morgen zu sein. Die Aura unverdienter Macht höherer Geburt wird zurückverlangt. Die Neuvolksparteiischen spielen das nach. "Habt’s scho mittag’gess’n. Ja? Ja!" In einer Demokratie sollte solch nostalgische Herablassung sich verbieten. Aber um Demokratie geht es ja nicht. Das verführerisch Eindeutige ständischer Hierarchie wird von den Eliten willfährig halt Ordnung genannt.

Diese Ordnung. Das Neuvolksparteiische geht wieder in der eigenen Geschichte zurück aufs Christliche. Ob soziale Marktwirtschaft oder brutaler Kapitalismus. Immer lässt sich Gottes Plan zugrunde legen. Dieser Plan Gottes. Auch er hat nur die Aufgabe, das unverdiente Glück der Eliten zu sichern. Es ist unverdientes Glück, als Thronfolger geboren zu sein. Das führt nicht immer zu Glück, wie wir sehr genau wissen. Aber zu Macht und Privilegien allemal. In Österreich. Die katholische Kirche ließ sich die Absegnung dieses Glücks des Hauses Habsburg teuer ablösen. Sie bekam im Gegengeschäft für diese Absegnung den Bürger der Monarchie in ihre moralische Haft und regierte des Bürgers innere Welt. Die Seele der Person gegen das eigene Interesse der Person zu wenden, das war und ist das Geschäft der Religionen. Und. Dieser Vorgang ist es dann auch, an den die Altvolksparteiischen und die Neuvolksparteiischen sich schon immer erinnerten.

Ordnungsvorstellungen vom Staat

Seit den Regierungen Schüssel wird das offen neoliberal vertreten. Ein Dollfuß-Museum ist da logische Rückbesinnung. Es geht doch um diese lange Linie der Ordnungsvorstellungen vom Staat, die sich äußere und innere Gleichschaltung zum Glück der Bürger und der Eliten vorstellt. Von Frieden und Zusammenleben weiß diese Vorstellung nichts und kann das auch nicht. Gesellschaftlicher Frieden. Das ginge nur mit selbstbestimmten Bürgern und Bürgerinnen in Gleichberechtigtheit. – Die Frauen sind ja bis heute in Ableitung vom Bürger gedacht. Und das von allen Eliten. – Das wiederum hieße Demokratie. Hier. In Österreich. Gottes Plan, das Schicksal der Person von der Geburt her festzulegen. Dieser Aberglaube blieb. Es gab ja auch nur dieses bisschen Aufklärung von oben im aufgeklärten Absolutismus und dann schon gleich wieder Konkordate mit Rom und die Auslieferung der Bürgerseelen an die Kirche. So gesehen, war Politik in Cisleithanien immer schon ausgelagert und Schüssels Liebe zum Outsourcing sozialer Pflichten des Staats nur die Weiterführung alter Politik.

Wie aber wollen wir weitermachen?

Wie aber wollen wir weitermachen. Denn. Es war die Erinnerung an diese Aura des unverdienten Glücks hoher Geburt, die türkiserweise imitiert wurde. Die Aura jugendlichen Erscheinens kann ja in eine solche Imitation verführen. Hocherfahrene Selbsthilfegruppen können das sehr gut. Und. Es war diese Aura, in der der Satz fiel. "Habt’s scho mittag’gess’n. Ja? Ja!" Im bestätigenden zweiten "Ja" ist dann die Verfügung über die Leben abzulesen. Wir sollten mit solchen Szenen nicht mehr konfrontiert werden. Und zwar von staatswegen so.

Denn. So. Es geht der hierarchisch begründete Missbrauch weiter. Mit der Feststellung, abgespeist worden zu sein. Wir sind damit alle gemeint. Die Haltung der Politik muss gegenüber den Verwundbarsten gemessen werden. Deshalb betrifft diese Herablassung jeden und jede. Diese Herablassung finden wir in Gesetze gegossen vor. Und. Denken wir die Beschulung durch Noten zu Ende. Die schon als Kind aus nicht privilegiertem Haus durch die Beschulung entwertete Person, deren Entwertung 60 Jahre zur Begrenzung der Person gespeichert wurde. Was wird diese Entwertung am Krankenbett der alt gewordenen Person nun an Sterbehilfe flüstern. Wir müssen uns immer daran erinnern, dass die neoliberale Geordnetheit nur ans Sparen denken kann, und der Wert der Person in Kosten abgemessen wird. Schließlich ist die Grundlage der Pandemiemaßnahmen auch die Kostenrechnung eines Gesundheitssystems.

Narzisstische Machtentwürfe

Es ist Ausdruck narzisstischer Machtentwürfe, davon auszugehen, dass der Wert der Person erteilt wird und nicht die Beschreibung der Person ist. Die Erfindung all der Nobilitierungen ist schon immer Marketing der Macht. Diese Nobilitierungen als unverdientes Glück an nächste Generationen weitergeben zu können ist Festhaltematrix dieser Macht und muss die Grundrechte der Person leugnen. Mit der ÖVP und der FPÖ findet Politik weiterhin die Trennlinie dieses Feudalen gegen die demokratischen Grundrechte der Person entlang statt. Im Grunde leiden wir alle immer noch am Missbrauch dieser narzisstischen Regime, die uns den freien Willen und unsere Begabungen absprachen. Immer noch. Immer weiter. Die Revolution. Der fehlende Königsmord. Das straflose Entkommen der Verbrecher des 20. Jahrhunderts. Wir müssen diese Revolution in uns selber nachholen. Wir müssen uns einen Staat verschaffen, der unsere Grundrechte demokratisch als Voraussetzung vorsieht und mitentwirft. Wir sind das Ergebnis jahrhundertelangen narzisstischen Missbrauchs durch die Eliten. Es wird Zeit, zu gelebter Demokratie als Konzept positiver Selbstbestimmung in kollektiver Form zu kommen.

Nächstes Jahr? Vielleicht? (Marlene Streeruwitz, 29.12.2021)