Der Klimawandel macht die Felder auch hierzulande trocken. Was bedeutet das für Vegetation, Landwirtschaft und Grundwasser?

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Der Mensch, muss man die Geschichte der Menschheit konstatierend zusammenfassen, ist wahrlich perfekt nur in einem Punkt: darin, die eigenen Lebensgrundlagen gründlich bis ins tiefste Minusstadium zu devastieren. Unfruchtbare Steppen im Mittleren Westen der USA, steigende Meere, untergehende Pazifikatolle, ein teilgeflutetes Holland, zerstörerische Wirbelstürme, die Völkerwanderungen auslösen und Staaten kollabieren lassen – all das war vor 15 Jahren alles andere als ferne Zukunftsmusik.

Elizabeth Kolbert, in Williamstown, Massachusetts, lebende Reporterin des US-Magazins The New Yorker und dort seit 1999 für die Ressorts Ökologie und Umweltpolitik verantwortlich, legte 2006 mit Vor uns die Sintflut eine informative, fundierte erschreckende Großreportage über die globale Erwärmung und ihre Folgen vor. Sie war dafür in Grönland, in den Niederlanden und im englischen Yorkshire mit Forschern unterwegs gewesen, hatte in Alaska mit Wissenschaftern gesprochen wie in Oregon und Lokalpolitiker im US-Bundesstaat Vermont und hochrangige Verantwortliche der US-Regierung in Washington befragt. Ihren Depeschen von der Klimafront folgte 2015 der noch erschreckendere Band Das sechste Sterben, gekürt mit dem prestigereichen Pulitzer Prize.

Von Effekten und Gegenwirkungen

Nun legt sie einen leicht lesbaren, elegant geschriebenen Band vor, eine Folge miteinander verschränkter und sich so ergänzender Essays und Reportagen, für die sie wieder an vielen Orten war. Es geht darin um Eingriffe etwa in den Chicago River und den Mississippi, die zur Folge hatten, was nicht geplant war. Deren Folge wiederum: eine weitere Reihe von korrigierenden, revidierenden Eingriffen, die endlos fragwürdig anmuten, und um Landverluste durch Eindeichung. Um die Speicherung von CO2 in unterirdischen Gesteinsschichten. Nicht wenige beliebte Ideen entpuppen sich in Kolberts Erzählung als ambivalent. Bäume zu pflanzen, Wälder aufzuforsten, was könnte angeratener angesichts des sich verschärfenden Klimawandels sein? Aber: Grünflächen verringern den sogenannten Albedoeffekt – was bedeutet, Sonnenlicht wird nicht mehr reflektiert, sondern absorbiert. Mehr Wald heißt somit mehr gespeichertes CO2 – und mehr Wärme, die auf der Erde bleibt. Die Lösung wäre Genmanipulation. Wodurch es hellere Bäume gäbe.

Elizabeth Kolbert, "Wir Klimawandler. Wie der Mensch die Natur der Zukunft erschafft". € 25,70 / 240 Seiten. Suhrkamp, 2021
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"Geoengineering" heißt man diesen in nordamerikanischen, chinesischen und russischen Laboren heiß vorangetriebenen Wissenschaftszweig. Er geht bis in die Hochphase des Kalten Krieges zurück, inklusive solch kurioser Planungen wie einen monumentalen Betonfahrtweg durch die Beringsee zu schlagen. Zum Glück ist Kolbert viel zu klug, um am Ende einen schrankenlosen Progressionsoptimismus zu predigen. Ja, das Predigen ist ihr wesensfremd. Was am Ende dieses erhellenden Buches bleibt, ist die Erkenntnis, dass es ein weites Bündel Maßnahmen geben muss. Die Reduktion von Emissionen ist dabei verblüffenderweise eine eher nachrangige.

Seit Jahren gibt es mit Vorliebe im angloamerikanischen Sprachraum im Fach Geschichte Spezialisten, die sich als Generalisten der "Big History" widmen, der "Großen Geschichte". Da wird sich dann nicht über eine Schlacht, ein Jahr, ein Land, eine Epoche gebeugt, sondern gleich mehrere Jahrtausende werden bündig betrachtet, analysiert und durchleuchtet.

Das macht auch der amerikanische Historiker Daniel R. Headrick. Er hat es allerdings noch eine Stufe höher gezogen – er treibt maximale Historie. Und er hat nichts weniger, ein schier gargantueskes Vorhaben, geschrieben als eine Total-Welt-Umweltgeschichte: eine globale Historie des Verhältnisses von Mensch zu Natur, der Ausbeutung der Natur, des Missbrauchs, der Schändung, der mal gedankenlosen, viel häufiger absichtlich destruktiven Zerstörung – von der Urzeit bis in die Gegenwart. Das ist Daniel R. Headricks Macht euch die Erde untertan.

Er lehrte mehr als 30 Jahre Geschichte an der für US-amerikanische Verhältnisse kleinen Roosevelt University in Chicago. Mit 80 Jahren hat er nun ein so massives wie eminent gelehrtes Werk vorgelegt, das für das Forschungsgebiet "Globale Natur- und Ökologiegeschichte" Maßgebliches leistet. Wieder einmal ist der englische Originaltitel, Humans versus Nature, weitaus treffender als das ausgeleierte Bibelzitat des deutschen Verlags. Denn "Menschen gegen die Natur" deckt prägnanter die Vorgehensweise der Menschheit ab. Dass Headrick Wirtschaftswissenschaften und Geschichte studierte und zu Beginn seiner akademischen Karriere sich auf Militärgeschichte kaprizierte, was er dann sukzessive ersetzte durch Technik-, Kommunikations- und Wissenshistoriografisches, all das kommt nun diesem weit ausgreifenden Band zugute.

Headrick geht naheliegenderweise chronologisch vor – und deckt jede größere Region des Globus ab, dazu nicht wenige kleinere. Zu Beginn begegnet man Jägern, die mit Speeren hinter kleinerem und größerem Wild hinterhertraben, um zu überleben, um gut zu leben. Das war dann auch der Antrieb durch die mehr als 10.000 Jahre, die Headrick mit riesenhafter Palette und mit noch größeren Pinseln schildert. Die erste Sektion lässt er mit der europäischen Entdeckung und Kolonisierung Amerikas enden. Der mittlere Part umfasst die Zeit von 1500 bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. In den letzten sechs Kapiteln schließlich deckt Headrick das gesamte 20. Jahrhundert ab – und das macht fast 40 Prozent des gesamten Buchumfangs aus. Was angesichts unkontrollierter Destruktivität auf der Hand liegt.

Daniel R. Headrick, "Macht euch die Erde untertan. Die Umweltgeschichte desAnthropozäns". € 51,40 / 640 Seiten. wbg-Theiss-Verlag, 2021
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Er schreibt nüchterner als Kolbert, die Reporterin. Gelegentlich mutet es, vor allem der knapp hundertseitige Anhang mit Nachweisen, sacht hypertroph an. Auch zu Empirie neigt er etwas zu stark. Immer wieder präsentiert er Zahlen und Zahlenreihen, die querverweisend eleganter hätten aufgedröselt werden können. Anthropologisch ist das Buch mehr als ernüchternd. Als hätten es Zyniker nicht vorher bereits formuliert: Der Homo sapiens besitzt so wenig Weisheit, dass er Ressourcen auf nichts zusammenschnurren lässt und Ökosysteme auch dann noch ausbeutet, wenn seine Grundbedürfnisse längst befriedigt sind. Die Triebkraft ist Gier. Und diese Gier ist auf allen Kontinenten, quer durch die Jahrhunderte hindurch, für Abwärtsspiralen und für eskalierende Kettenreaktionen verantwortlich – die am Ende dann in Naturverödung und seit mehr als einem halben Jahrhundert in Klimaveränderungen resultierten. Diese Gier machte blind. Und was folgte, ob nun in Südamerika, auf den Osterinseln, an den Polen, im Asien der Mongolen, war immer der blinde Sturz ins Verderben.

Europa und Extremwetter

Der Ausklang dieses monumentalen Bandes, das einen nahezu unüberschaubar detaillierten Prospekt von Geschichten präsentiert, vom interkontinentalen Transfer von Pflanzen wie von Krankheiten, vom Neolithikum zu Darwin zu Containerschiffkapitänen, von der Waljagd mit Harpune à la Melvilles Queequeg zu Repetiergewehr und Kettensäge, ist nicht nur verdrossen, sondern bitter-ironisch, ein zivilisatorisch resignativer Pessimismus, nicht ganz frei von misanthropisch-verzweifeltem Dégout, klingt unüberhörbar durch. Nachfolgende Generationen nämlich, schreibt der 81-jährige emeritierte Ordinarius, würden, ach, eines Tages geradezu "neidisch auf unser Zeitalter zurückschauen".

Nicht ganz unbescheiden klingt das: "Die heutige Situation ist historisch unvergleichlich. Es ist Zeit für eine neue Geschichte des Klimas und der Gesellschaft, für eine, "die der Gegenwartswelt und der fatalen Klemme, in der wir Menschen sie manövriert haben, "angemessen" ist. Wer meint, das klingt unbescheiden, also unschweizerisch, hat recht. Und doch stammt dieser Satz von zwei Schweizern, dem Historiker Christian Pfister und dem Klimatologen Heinz Wanner.

Christian Pfister und Heinz Wanner, "Klima und Gesellschaft in Europa. Die letzten tausend Jahre." € 50,40 / 424 Seiten. Haupt-Verlag, Basel 2021
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Für ihre europäische Klima-Gesellschafts-Geschichte haben sie sich zusammengetan, um Wissenschaftsgrenzüberschreitendes zu erarbeiten. Im Tonfall schwanken sie zwischen großer, fast abstrakter Nüchternheit und Erzählen, zumindest Erzählansätzen. Das ist weder so plastisch wie bei Kolbert noch so hinreißend überwältigend wie Headrick. Jedoch informativ und bei vielen Haupt- und Subaspekten der zentraleuropäischen Historie anregend – und lehrreich. Denn frühere Extremwetterkonstellationen waren teilweise verheerender als jene aus den vergangenen 20 Jahren, die zu "Jahrhundertkatastrophen" oder gar des Jahrtausends ausgerufen wurden. Das große Plus des schön gestalteten Bands liegt gerade in der Nüchternheit, mit der das Autorenduo Einsichten präsentiert, Entwicklungen umreißt, Vergangenheiten skizziert einschließlich einst darauffolgender oder – noch wichtiger – eben nicht erfolgter Lehren. So bei Zyklen von Hitze, Dürre, Überflutung.

Diesen Sätzen Pfisters und Wanners dürften sofort auch Kolbert und Headrick beipflichten: "Es ergeben sich recht brauchbare Hinweise auf die steigende Gefahr extremer Hitzesommer mit der raschen Aufheizung der Atmosphäre. Zumindest sollten die Behörden darauf vorbereitet sein auf so etwas, damit es dann nicht so geht wie bei Covid-19." (Alexander Kluy, ALBUM, 30.12.2021)