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Ghislaine Maxwell am Donnerstag im Gerichtssaal.

Foto: REUTERS/Jane Rosenberg

Ghislaine Maxwell und Jeffrey Epstein auf einem undatierten Archivbild.

Foto: AFP/US District Court for the Southern District of New York

New York – Die Ex-Partnerin des verstorbenen US-Multimillionärs Jeffrey Epstein, Ghislaine Maxwell, ist wegen Sexualverbrechen an Minderjährigen schuldig gesprochen worden. Die zwölf Geschworenen des Prozesses vor einem New Yorker Gericht fällten ihr Urteil am Mittwoch nach mehrtägigen Beratungen. Für die Verkündung des Strafmaßes gab Richterin Alison Nathan zunächst keinen Termin bekannt. Maxwell drohen aber mehrere Jahrzehnte in Haft.

In dem seit November laufenden Prozess wurde Maxwell vorgeworfen, als Helferin des bis in höchste Kreise vernetzten Geschäftsmanns Epstein eine zentrale Rolle beim Aufbau eines Rings zum sexuellen Missbrauch junger Mädchen gespielt zu haben. Die 60-Jährige war in sechs Punkten angeklagt, unter anderem wegen Menschenhandels mit Minderjährigen zu Missbrauchszwecken – in diesem und vier weiteren Anklagepunkten wurde sie schuldig gesprochen. Maxwell hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen und während des Prozesses auf eine Aussage verzichtet.

Richterin hatte Angst um Prozess

Nur von dem Vorwurf, eine Minderjährige über bundesstaatliche Grenzen gebracht zu haben, um sie zu illegalen sexuellen Handlungen zu zwingen, wurde sie freigesprochen.

Die Richterin in dem Fall, Alison Nathan, hatte erst am Montag die Geschworenen gebeten, länger als geplant über ein Urteil zu beraten. Notfalls wollte sie die Jury auch am Neujahrswochenende zusammensitzen lassen. Denn Nathan hatte Angst, dass im Fall einer Beratungsunterbrechung durch die Omikron-Variante persönliche Treffen und somit der gesamte Prozessausgang gefährdet seien.

Opfer zwischen 14 und 17 Jahre alt

Die Verteidigung stellte den Fall von Beginn an als Stellvertreterprozess dar, da die Staatsanwaltschaft Epstein selbst nicht mehr belangen konnte. Der 66-Jährige war während der Vorbereitung auf den Missbrauchsprozess gegen ihn im August 2019 leblos in seiner Gefängniszelle gefunden und im Krankenhaus für tot erklärt worden. Ein Obduktionsbericht stellte Suizid fest.

Staatsanwalt Damian Williams teilte angesichts des Urteils mit, dass der Gerechtigkeit Genüge getan worden sei. "Ich möchte den Mut der Mädchen – jetzt erwachsenen Frauen – loben, die aus dem Schatten in den Gerichtssaal traten." Ihr Mut habe das Urteil erst ermöglicht. Zum Zeitpunkt der Taten waren die Opfer zwischen 14 und 17 Jahre alt.

Staatsanwältin Alison Moe hatte Maxwell in ihrem Schlussplädoyer vor Weihnachten als "gefährliche" und "raffinierte Sexualstraftäterin" beschrieben. "Sie hat ihre Opfer manipuliert und sie auf sexuellen Missbrauch vorbereitet." Maxwell sei "schick" und "lächelnd" aufgetreten und habe so die mutmaßlichen Opfer, die oft aus problematischen Verhältnissen stammten, in eine Falle gelockt und Epstein zugeführt.

Verteidigung

Maxwells Verteidigerin Laura Menninger dagegen sagte, ihre Mandantin sei "eine unschuldige Frau" und zu Unrecht für Verbrechen angeklagt worden, die sie nicht begangen habe. Die Anklage der Staatsanwaltschaft basiere auf fehlerhaften Erinnerungen. Man werde in Berufung gehen, sagte die Anwältin nach dem Schuldspruch.

Alle vier Frauen, die gegen Maxwell in dem Prozess ausgesagt haben, schützten sich selbst durch ein Pseudonym. Nur Annie Farmer gab ihren richtigen Namen an. Sie las Auszüge aus ihrem Teenager-Tagebuch über den Missbrauch durch Epstein und Maxwell vor Gericht vor. Sie war 16 Jahre alt, als sie im Februar 1996 auf der Ranch des Geschäftsmanns in New Mexico belästigt und missbraucht wurde: "Ich dachte, dass ich da nur durchmuss und dann würde es mir schon gut gehen", sagte Farmer im Zeugenstand, als sie in Tränen ausbrach. Auch ihr damaliger Freund und ihre Mutter sagten aus und stützten die Darstellungen der Frau.

Erleichterung bei Betroffenen

Nach dem Schuldspruch reagierte auch der US-Staatsanwalt Damian Williams bei einer Pressekonferenz. Er sprach davon, dass der "Weg zur Gerechtigkeit viel zu lang" gewesen sei. Aber er zeigte sich beeindruckt von der "Tapferkeit der Mädchen – nun erwachsene Frauen – die aus den Schatten und in den Gerichtssaal" getreten seien.

Auch die betroffene Annie Farmer schrieb in einem Statement, dass sie "erleichtert und dankbar" sei, dass die Geschworenen das Muster erkannt haben, mit dem Maxwell jahrelang Mädchen angelockt habe. "Sie hat so viel mehr Frauen verletzt als nur uns wenige, die die Chance erhalten haben im Gerichtssaal auszusagen", schrieb Farmer.

Auch Virginia Giuffre äußerte sich auf Twitter positiv zu dem Urteil. Sie selbst hat in dem Prozess nicht ausgesagt, war aber ebenso eine Betroffene des Missbrauchs durch Epstein und Maxwell. "Ich hoffe, dass heute nicht das Ende bedeutet, sondern ein weiterer Schritt in Richtung Gerechtigkeit ist", twitterte Giuffre: "Maxwell hat nicht allein gehandelt. Andere müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Ich glaube, dass sie das werden."

Vorwürfe gegen Prinz Andrew

Klar ist, dass die Frau damit unter anderem den Sohn der britischen Queen Elizabeth II meint. Giuffre soll von Epstein zu Sex mit Prinz Andrew gezwungen worden sein. Unter anderem sollen die Übergriffe in London, New York und auf den Jungferninseln passiert sein, wie die Frau angibt. Andrew habe gewusst, dass sie erst 17 Jahre alt gewesen sei. Sie hat dazu Klage bei einem US-Bezirksgericht wegen sexueller Übergriffe eingereicht. Am Dienstag reagierten die Anwälte des britischen Royals und sprachen davon, dass das Gericht gar nicht zuständig sei. Denn entgegen ihren Angaben, in den USA zu wohnen, lebe Giuffre seit Jahren in Australien.

Der Prinz war im vergangenen Jahr wegen der Vorwürfe – die er immer bestritt – von seinen royalen Aufgaben zurückgetreten. Erst im November hatte ein US-Richter gesagt, dass er damit rechne, dass der Königinnensohn zwischen September und Dezember 2022 der Prozess gemacht werden könnte. Sollte die Sache nicht zuvor beigelegt werden.

Angestellte und Freundin

Maxwell ist die Tochter des legendären britischen Verlegers Robert Maxwell (1923–1991) und war Anfang der 90er-Jahre nach New York gekommen. Dort traf sie Epstein auf einer der zahlreichen Promi-Partys und war zeitweise mit ihm liiert. Das Umfeld Epsteins beschrieb ihre Rolle in seinem Leben als eine Mischung aus Angestellte und beste Freundin.

Der Missbrauch zahlreicher Minderjähriger durch Epstein soll über Jahrzehnte auf seinen Anwesen in New York, Florida, Santa Fe und auf den Virgin Islands stattgefunden haben. Eine frühere Anklage gegen Epstein mündete in einem für ihn sehr vorteilhaften Deal. Spätestens dadurch wurde er zum Symbol einer gesellschaftlichen Elite, die mit allem durchkommt. (bbl, APA, 30.12.2021)