Das Thema kehrt alle paar Jahre auf die Leinwand zurück: Ein riesiger Brocken aus dem All bedroht die Erde, Wissenschafter und furchtlose Draufgänger müssen die Menschheit vor der Apokalypse retten. Aktuell wirft der Netflix-Film "Don’t Look Up" einen satirischen Blick auf dieses Szenario, bei dem einem das Lachen aber leicht vergeht: Die Parodie skrupelloser Politiker, übermächtiger Tech-Milliardäre und quotengeiler Medien, die wissenschaftliche Fakten als verhandelbares Mittel zum Zweck betrachten, kommt der Realität stellenweise erschreckend nahe.

Bild nicht mehr verfügbar.

Treffer mit globalen Folgen gab es in der Erdgeschichte immer wieder. Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas zu unseren Lebzeiten passiert, ist aber extrem gering.
Foto: Picturedesk

Abseits der Filmstudios beschäftigen sich Wissenschafter und Weltraumagenturen seit langem mit der Frage, wie sich verheerende Einschläge kosmischer Brocken auf der Erde verhindern ließen. Asteroiden oder Kometen haben einst Bausteine des Lebens auf unseren Planeten gebracht, aber auch immer wieder große Zerstörung angerichtet. Der Einschlag des berüchtigten Zehn-Kilometer-Brockens, der vor 66 Millionen Jahren die Ära der Dinosaurier beendete, war kein erdgeschichtlicher Einzelfall.

Erdnahe Objekte

"Ereignisse dieser Größenordnung mit globalen Auswirkungen sind aber extrem selten, das kommt etwa einmal pro 100 Millionen Jahre vor", sagt Christian Möstl vom Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Doch auch viel kleinere Himmelskörper können großes Unheil anrichten. Die umfangreiche Überwachung erdnaher Objekte, die uns gefährlich werden könnten, ist daher die Grundvoraussetzung für den planetaren Schutz.

Fast 28.000 Brocken, die regelmäßig die Erdbahn kreuzen, sind inzwischen bekannt, rund 10.000 davon haben einen Durchmesser von mehr als 140 Metern. Keines dieser Objekte befindet sich in absehbarer Zukunft auf Kollisionskurs mit der Erde. Doch es gibt unzählige unentdeckte Kandidaten, die eines Tages zum Problem werden könnten. Was dann? Die Antwort hängt davon ab, wie viel Zeit zwischen der Entdeckung und dem drohenden Einschlag bliebe.

Im September 2022 soll die Nasa-Raumsonde Dart in einen Asteroidenmond krachen, um seinen Orbit zu ändern.
Illustration: Nasa/JOHNS HOPKINS APL/STEVE GRIBBEN

Raumsonde auf Crashkurs

Ein mögliches Szenario wird die US-Weltraumbehörde Nasa im neuen Jahr erstmals unter realen Bedingungen durchspielen. Im vergangenen November schickte sie eine Sonde ins All, die einen kleinen Asteroidenmond testweise rammen und dadurch dessen Flugbahn ändern soll. Dimorphos heißt das Zielobjekt der Mission Double Asteroid Redirection Test (Dart): Der 140-Meter-Brocken bildet zusammen mit seinem fast fünfmal so großen Begleiter Didymos einen Doppelasteroiden.

Die kühlschrankgroße Dart-Sonde soll im September 2022 dort ankommen und mit 22.000 km/h frontal in Dimorphos krachen, während Wissenschafter mithilfe von Teleskopen und einem kleinen Satelliten beobachten, welche Folgen das Manöver hat: Wie verändert sich der Orbit des Mondes? Zerbricht der Brocken durch den Aufprall? Jedes Detail könnte im Ernstfall über den Erfolg eines Ablenkungsversuchs entscheiden.

Der "Dart-Pfeil" auf dem Weg zu seinem Ziel.
VideoFromSpace

Klar ist aber schon jetzt: Eine Asteroidenablenkungsaktion würde viel Zeit beanspruchen – Jahre. "Weltraummissionen haben immer eine lange Vorlaufzeit. Es könnte sicher schneller gehen, indem man schon bestehende Sonden und Raketen umwidmet", sagt Möstl. Doch für eine erfolgreiche Ablenkung braucht es möglichst viele Informationen über das jeweilige Objekt und seine Eigenschaften, im besten Fall würde im Vorfeld eine Untersuchungsmission hingeschickt werden. Was, wenn die Zeit dafür nicht reicht?

Atombomben und Asteroiden

Dann bliebe wohl nur jenes brachiale Szenario, das auch in "Don’t Look Up" ins Auge gefasst wird: eine Sprengung des heranrasenden Unheilsbringers – am ehesten mit Atomwaffen, sagt Möstl. "Wenn die Verzweiflung groß ist und man schnell etwas tun muss, wäre das wahrscheinlich am sinnvollsten." Dass dabei so einiges schiefgehen könnte, darf nicht überraschen. Schätzt man etwa die benötigte Energie falsch ein oder sprengt einen Asteroiden zu nahe an der Erde, könnten immer noch gefährlich große Bruchstücke auf unseren Planeten hageln.

Simulation einer Asteroidensprengung.
Lawrence Livermore National Laboratory

Erst kürzlich legten Wissenschafter Berechnungen dazu vor, wie sich ein kleiner Asteroid durch Atombomben unschädlich machen ließe. In der Simulation wurde ein rund 30 Meter großer Brocken mit Kurs auf die Erde unter verschiedenen Bedingungen mit einer Atombombe von einer Megatonne Sprengkraft beschossen. Das Ergebnis: Die Sprengung könnte funktionieren, müsste aber zumindest acht Wochen vor dem erwarteten Einschlag stattfinden, um Chancen auf Erfolg zu haben.

Für den Astronomen Möstl steht fest, dass Forschungsprojekte zu erdnahen Objekten wichtig und wissenschaftlich sehr interessant sind, er sieht die Gefahr einer Katastrophe wie im Netflix-Film in der öffentlichen Wahrnehmung jedoch stark überschätzt: "Es ist ein typisches Beispiel dafür, wie Menschen sehr geringe Wahrscheinlichkeiten schlecht einschätzen." Gibt es aus wissenschaftlicher Sicht sonst Kritik an dem jüngsten Katastrophenfilm? "Es gab offenbar eine gute wissenschaftliche Beratung, vieles ist sehr realistisch gemacht. Aber dass der Orbit des Kometen an der Tafel ausgerechnet wird, ist lustig. Das macht man schon sehr lange nicht mehr so." (David Rennert, 30.12.2021)