Foto: EPA/NIC BOTHMA
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Am Namen kann es nicht liegen. Man hat sie Amazon Warrier getauft – fast wie die Rainbow Warrier von Greenpeace, die der französische Geheimdienst einst im Hafen von Auckland versenkte. Trotzdem wird die kämpferische Amazone im Hafen von Kapstadt nicht mit Ehren empfangen. Vielmehr stehen am Quai Hunderte von Demonstranten zu einem "Entgrüßungs"-Zeremoniell bereit, sodass der 130 Meter lange Kutter lieber außerhalb des Hafens vor Anker geht.

Die Empörung der Demonstranten hat nichts mit dem Namen, sondern mit dem Auftrag der Amazon Warrier zu tun. Sie soll in den nächsten fünf Monaten Schallkanonen durch die Gewässer vor der südafrikanischen Wild Coast ziehen, die mit ihren 220 Dezibel starken Geräuschimpulsen den Meeresboden beschießen. "Dreidimensionale seismische Erkundung" heißt die Methode, in deren Rahmen alle zehn Sekunden gewaltige Schallwellen bis zu 40 Kilometer tief in den Meeresboden gefeuert werden: Auf diese Weise können die vom Shell-Konzern beauftragten Betreiber des Kanonenboots feststellen, ob sich irgendwo dort unten Erdöl- oder Erdgasfelder befinden.

Am Kap der Guten Hoffnung hat der Plan des holländisch-britischen Mineralölkonzerns eine Welle der Entrüstung ausgelöst.
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"Dass das überhaupt in Erwägung gezogen wird, ist schändlich", klagt Demonstrant Kas Wilson. "Wir werden das stoppen." Am Kap der Guten Hoffnung hat der Plan des holländisch-britischen Mineralölkonzerns eine Welle der Entrüstung ausgelöst.

Zwischenerfolg für Kläger

Hunderte von Umweltaktivisten versammeln sich fast täglich an den Stränden der Wild Coast, rufen zum Boykott von Shell-Tankstellen auf oder zeigen in den sozialen Netzwerken Bilder gestrandeter Wale, die der Beschallung in anderen Teilen der Welt zum Opfer gefallen sein sollen. Mehrere Organisationen riefen die Gerichte an, um den Beginn der Studie noch zu stoppen – und hatten vorläufig Erfolg. Diese Woche untersagte ein südafrikanisches Gericht das Vorhaben. Shell muss die Arbeiten nun bis zu einer endgültigen Entscheidung einstellen.

Führende südafrikanische Meeresbiologen hatten sich im Vorfeld der Entscheidung in einem offenen Brief an Staatspräsident Cyril Ramaphosa gewandt, der das Vorhaben unterstützt. Es gebe eine "wachsende Anzahl von Beweisen", dass diese "aufdringliche Methode" sowohl "unmittelbare wie langfristige und nicht wiedergutzumachende Folgen" für das Leben der Tiere habe.

Umweltaktivisten riefen zum Boykott von Shell-Tankstellen auf.
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Meeressäugetiere wie Wale und Delfine, die sich mit ihren Artgenossen mittels Schallwellen unterhalten, werden von der Geräuschkulisse besonders belästigt, sagen Fachleute. Aber auch Pinguine, normale Fische wie Steinbrassen und sogar Plankton sollen von den Schallwellen verstört und vertrieben werden, Letztere könnten dem Beschuss sogar zum Opfer fallen, heißt es.

Für die Umweltverbände könnte der Zeitpunkt der Beschallungskanonade nicht widersinniger sein. Gerade hat sich Südafrikas Regierung in Glasgow zum Rückzug aus der Energiegewinnung durch Kohle verpflichtet – während Shell von einem holländischen Gericht zu einer Halbierung seiner Kohlenstoffbilanz in diesem Jahrzehnt verdonnert wurde. Jetzt droht Shell in Südafrika die nächste gerichtliche Niederlage. Die Umweltschützer zeigen sich jedenfalls zuversichtlich.

(Johannes Dieterich, 31.12.2021)