Was die einen aktuell freut, ist für die anderen oft ein großes Problem. Mittelfristig stellt sich dann meist heraus, dass beide Seiten profitieren – wenn die drängende Veränderung nicht mit aller Kraft, aller Bürokratie oder aller Angst vor Machtverlust niedergeknüppelt wird.

Der Arbeitsmarkt ist dafür ein Paradebeispiel. Der Wandel dort ist unaufhaltbar, getrieben von gewaltigen volkswirtschaftlichen Herausforderungen. Und dieser Wandel ist bereits so weit fortgeschritten, dass er nicht mehr als verblendeter Traum einer privilegierten Minderheit abgetan werden kann.

Was wissen wir gewiss? Bis 2035 fehlen in Deutschland laut Bundesagentur für Arbeit sieben Millionen Arbeitskräfte. Das wären theoretisch zwei Jobangebote für jede erwerbsfähige Person in Österreich. Hierzulande rechnet die Industriellenvereinigung in den kommenden zehn, zwölf Jahren mit mindestens einer halben Million fehlenden Arbeitenden. Wir stehen vor akutem Mangel.

Mobiles Arbeiten ist gekommen um zu bleiben.
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Sicher ist weiters, dass mobiles Arbeiten – also anderswo als im Büro – gekommen ist, um zu bleiben. Hunderttausende ursprüngliche Bürogeher richten ihr Leben anders ein – mit allen Schwierigkeiten, aber auch mit allen Vorzügen. Pandemiebedingt erzwungenes Homeoffice hat Appetit gemacht auf eine andere Einteilung von Job und privat. Junge würden allen Umfragen zufolge sogar kündigen, wenn sie zurück in die Firmenkapsel müssten. Wer es sich leisten kann, ist sogar bereit, auf Geld zu verzichten, wenn örtliche Arbeitsfreiheit gewährt wird.

Stunden reduzieren

Sehr wahrscheinlich ist sogar das Dogma gefallen, dass ein ordentlicher Job nur in Vollzeit geht. Viele wollen ihre Stunden reduzieren. Sogar Gewerbe- und Handwerksbetriebe haben bereits Viertagewochen eingeführt, um im leergefegten Arbeitsmarkt überhaupt noch rekrutieren zu können.

Es sind also nicht nur die Ansprüche von Akademikern, die den Wandel getrieben haben. Es geht nicht mehr nur um verwöhnte Wohlstandskinder mit Instagram-affinen Träumen. Menschen aller Milieus haben Forderungen an die Arbeit für ihr Lebensglück. Das reicht von einer komplizierten Sinnsuche bis zu einer einfachen Gleichung: Was bedeutet meine Arbeit für den Planeten? Oder: Was bekomme ich dafür, dass ich einen Job erledige? Faire Bezahlung, klar. Aber auch Weiterbildung und zumindest Wertschätzung ihres Arbeitens. Haben die nicht verstanden, dass Wohlstand ohne Leistung nicht möglich ist?

Deshalb müssen sich Unternehmen ändern. Sie müssen diskriminierende Stereotype aufbrechen, wonach nur junge Vollzeitbeschäftigte volle Leistung erbringen. Und sie müssen die Arbeit neu organisieren.

Aber auch Arbeitsminister Martin Kocher ist gefordert. Um Frauen aus der Teilzeitfalle zu befreien, müsste die Regierung die Abgabenbelastung so ändern, dass sich ein paar Stunden mehr netto auch auszahlen. Um Ältere in Beschäftigung zu halten, müsste das Senioritätsprinzip in den Kollektivverträgen abgeschwächt werden. Die geblockte Altersteilzeit, eine verdeckte Frühpension, gehört reformiert, der Dschungel der Förderungen gelichtet und Geld an zukunftsfähige Bedingungen geknüpft.

Für sehr viele Erwerbsfähige brechen goldene Zeiten an. Sie können wählen. Damit der Wandel für uns alle funktioniert, sind wir aber alle gefragt. Auch im Hinterfragen unserer Ansprüche. (Karin Bauer, 30.12.2021)