Marie Kreutzer schrieb und drehte "Landkrimi: Vier", zu sehen am 18. Jänner um 20.15 Uhr im ORF.

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Die junge Dorfpolizistin Ulli Baumhackl (Julia Franz Richter) ermittelt in Krumau im Waldviertel, zur Unterstützung aus Wien kommt die robuste Marion Reiter (Regina Fritsch).

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Den Dreh zum "Landkrimi: Vier" vergisst Marie Kreutzer wahrscheinlich nicht so schnell. Am 11. März 2020 begann die Arbeit zum Film, zwei Tage später verordnete die Regierung den ersten Lockdown. "Es ging wahnsinnig schnell", erinnert sich die Regisseurin. Der Vorteil des frühen Stopps: Es gab noch wenig Material, das man Monate später hätte anpassen müssen. Der Nachteil: "Wir wussten lange nicht, wie es weitergeht."

Im "Landkrimi: Vier" – zu sehen am kommenden Dienstag um 20.15 Uhr in ORF 1 – geht es um den Mord an drei Säuglingen im niederösterreichischen Krumau am Kamp aus lang vergangener Zeit. Die Ermittlungen übernimmt die Gemeindepolizistin Ulli Baumhackl (Julia Franz Richter), zur Unterstützung kommt die abgebrühte Marion Reiter (Regina Fritsch). Im Kreise der Verdächtigen: Oliver Rosskopf, Manuel Rubey, Laurence Rupp, Susanne Michel, Rainer Doppler, Klaus Rott, Grazyna Dylag und Rainer Wöss. Drehbuch und Regie: Marie Kreutzer.

STANDARD: Und als es schließlich im Oktober weiterging: Worin bestanden die handwerklichen Herausforderungen durch die Unterbrechung – zum Beispiel die Jahreszeit betreffend?

Kreutzer: Wir hatten im März nur ein einziges Außenbild, da waren zwei, drei nackerte Bäume, die im Oktober genauso aussehen durften. Zum Glück gab es kein Motiv, das wir neu machen mussten.

STANDARD: Wie ging es Ihnen mit den strengen Hygieneregeln?

Kreutzer: Das kommt einem heute gar nicht mehr so ungewöhnlich vor. Wir wurden zweimal pro Woche PCR-getestet, trugen in Innenräumen Maske. Wir waren gut geschützt, weil wir die ganze Zeit draußen waren und alle sehr diszipliniert waren. Es war eine sehr geschlossene Phase, weil jeder Angst hatte, etwas einzuschleppen. Wir hatten tatsächlich in der ganzen Zeit keinen Verdachtsfall.

STANDARD: Verändert so eine hermetische Situation die Arbeit am Set?

Kreutzer: Diese hermetische Situation haben wir beim Drehen in gewisser Weise immer. Wir haben eine 60-Stunden-Woche, niemand hat Zeit für anderes. Da gibt es kein Privatleben, insofern war der Unterschied nicht so groß. Corona hatte einen Einfluss auf die Atmosphäre, weil niemand genau wusste, wie es weitergeht. Ich fand es ganz schön, wie man aufeinander aufpasst. So konnten wir das alles ganz gut und auch mit Schmäh nehmen.

STANDARD: Wie wichtig ist die Stimmung am Set?

Kreutzer: Mir ist wichtig, dass sich alle wohlfühlen, dass alle das Gefühl haben, sie sind frei in ihrem Tun und bekommen viel Anerkennung. Mir ist auch wichtig, dass alle konzentriert sind. Wir haben zum Beispiel ein Handyverbot am Set. Ich hab’s gern, wenn alle wirklich anwesend sind. Das führt zu mehr Konzentration, aber auch zu mehr Freude an der Arbeit und am Miteinander.

STANDARD: Und wenn es einmal nicht so läuft?

Kreutzer: Ja, dann muss ich auch einmal die Chefin sein.

STANDARD: Wie stellen Sie die Art von Konzentration her?

Kreutzer: Meine spezielle Methode ist, dass ich Figuren nicht gemeinsam inszeniere. Was in der einzelnen Figur vorgeht, besprechen wir nie in der Gruppe. Im Leben ist es ja auch so: Wir wissen nie genau, was der andere gerade in dem Moment vorhat. Dadurch entstehen Situationen, in denen die Darstellerinnen und Darsteller nicht wissen, was vom anderen kommt. Das ist gut, weil sie das sehr in den Moment holt, sie unmittelbarer aufeinander reagieren können und weniger einen Plan verfolgen, was sie spielen wollen.

STANDARD: Kommissarinnen gibt’s wie Sand am Meer. Welcher Typus schwebte Ihnen vor?

Kreutzer: Es gab kein Vorbild. Mir war wichtig, dass die Ulli (Julia Franz Richter, Anm.) in so einer Art von Fall keine Erfahrung hat, dass sie unbedarft in den Fall geht, hineingestoßen wird und auch diese Hierarchie zu spüren bekommt, die in der Polizei ganz stark ist. Sie hat in ihrem bisherigen Leben Verkehrskontrollen gemacht und vielleicht einmal einen Frühschoppen aufgelöst, der eskaliert ist. Jetzt weiß sie wirklich nicht, wie ihr geschieht. Die Idee war, dass sie einfach versucht, nur ja nichts falsch zu machen. Dem gegenüber steht mit Regina Fritsch eine Kommissarin, die sehr erfahren ist, der völlig egal ist, was man über sie denkt, und die vor allem den Fall erledigen will, damit sie wieder zu ihren hundert anderen Fällen zurückkann. Mich hat dieser Konflikt interessiert. Es war nicht der Plan, dass die Kommissare Frauen sind. Wenn mir eine Geschichte einfällt, geht es meistens um Frauen. Das ist eben so.

STANDARD: Regina Fritsch hat als Kommissarin etwas von Johanna Dohnal. War sie eine Inspiration?

Kreutzer: Nein, aber den Gedanken finde ich sehr schön.

STANDARD: In dem Staubmantel kann man sich Johanna Dohnal gut vorstellen.

Kreutzer: Der Mantel kam von der Kostümbildnerin Monika Buttinger. Es war die Idee, dass sie den nie auszieht.

STANDARD: Haben Sie die Besetzung schon beim Schreiben festgelegt?

Kreutzer: Julia Franz Richter am Anfang noch nicht. Die Figur sollte eine möglichst junge Polizistin sein. Mit Regina Fritsch habe ich mehrere Filme gedreht. Sie ist großartig. Ich schaue ihr so gern auf der Bühne, aber auch im Film zu. Sie kann beides, das ist selten. Also Regina war klar. Julia habe ich in einem Film gesehen, und da fand ich sie spannend.

STANDARD: Stichwort Regieverband: Eine Gruppe von 42 hauptsächlich weiblichen Filmschaffenden ist im Oktober aus der Interessenvertretung ausgetreten. Wie geht's jetzt weiter?

Kreutzer: Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich bin schon im Mai ausgetreten, und das war ein relativ pragmatischer Schritt. Ich bin seit vielen Jahren im Drehbuchverband und habe gesehen, wie dort relativ viel umgesetzt wurde, während im Regieverband in der gleichen Zeit nach meinem Gefühl intern sehr viel gestritten wurde. Aber sonst passierte nicht viel. Mich haben diese Sitzungen immer genervt, und ich dachte, meine Energie kann ich woanders sinnvoller einsetzen. Ich habe mich immer weniger vertreten gefühlt, vor allem in der Diskussion um die Einführung der Geschlechterquote. Da war der Regieverband wirklich gespalten, es ging heiß her. Das Verhalten des Vorstands empfand ich letztlich als so demoralisierend, ich fühlte mich nicht vertreten und ging.

STANDARD: Was sagen Sie männlichen Regisseuren, die fürchten, durch die Quote würden in Zukunft sie diskriminiert werden?

Kreutzer: Natürlich ist es so: Wenn mehr Frauen gefördert werden, werden weniger Männer gefördert. Das ist der Weg, den man zur Gerechtigkeit gehen muss. Bis Frauen irgendwann am Ziel sind, vergehen Jahre. Und wenn es irgendwann so weit ist, kriegen Frauen sowieso nicht mehr als 50 Prozent. Sie werden immer die Hälfte haben, aber sie werden sie haben. (Doris Priesching, 17.1.2022)