Die beiden Hektar-Nektar-Gründer und Brüder: Martin (rechts) und Mark Poreda.
Foto: Regine Hendrich

Während die meisten am Freitag arbeiten und ins Büro fahren, bleibt Miriam Walch zu Hause. Sie geht zum Sport und Einkaufen oder fährt öfter übers Wochenende weg. Ihr Kollege aus dem Vertrieb kümmert sich indes um seine Kinder und macht den Haushalt. Auch ihrer beider Co-Chef Martin Poreda ist freitags nicht im Büro – sondern im Fitnessstudio. Zwei betreibt er nebenbei.

Für Walch und Poreda ist das Normalität, was für viele eine Wunschvorstellung ist: Sie arbeiten von Montag bis Donnerstag, haben jede Woche ein langes Wochenende. So wie alle Beschäftigten von Hektar Nektar, das einen digitalen Marktplatz für Honig bietet und die Bienenschutzinitiative Projekt 2028 betreibt. Seitdem Martin Poreda mit seinem Bruder Mark 2017 das Start-up gegründet hat, ist es auf eine Viertagewoche ausgelegt.

In der Corona-Pandemie ist die verkürzte Arbeitswoche wieder Gegenstand von Diskussionen. Die Gewerkschaften und die SPÖ etwa sehen in ihr ein Instrument, um die Krise am Arbeitsmarkt zu bewältigen und mehr Stellen zu schaffen. Einige Beschäftigte waren in Kurzarbeit und haben das Mehr an Freizeit zu schätzen gelernt. Und manche Firmen haben die Zeit genutzt, um eine Viertagewoche anzudenken oder einzuführen. Was können sie also von einem Betrieb lernen, der seit vier Jahren freitags frei hat? Sind die Beschäftigten wirklich zufriedener und produktiver, wie es heißt?

Ja, findet Poreda. Er ist davon überzeugt, dass sich Mitarbeitende in einer Fünftagewoche ohnehin während der Arbeit die Erholung und Ablenkung holten, die sie bei vier Arbeitstagen geballt am Freitag haben. "Dann sind sie eben 15 Minuten länger auf Facebook oder machen länger Rauchpause."

Teile des Teams (von links): Melanie Eimesser, Mark Poreda, Martin Poreda mit Bürohündin Koko und Miriam Walch.
Foto: Hendrich

Verteilung der Arbeitszeit

Deshalb ist bei Hektar Nektar für alle freitags frei. Poreda nennt das eine "echte Viertagewoche". Das zwölfköpfige Team arbeitet 32 Stunden, wird aber für 40 bezahlt. Nicht alle Firmen machen das so: Einige gestalten es flexibel, die Beschäftigten können die Arbeitszeit individuell legen. Andere setzen sie mit Gehaltseinbußen um, verteilen aber die Arbeitszeit auf mehr Köpfe.

Dass die Poreda-Brüder für Hektar Nektar das "klassische" Modell wählten, hat etwas mit ihrer Philosophie zu tun. "Man arbeitet nicht nur vier Tage, sondern man versucht, so viel wie möglich aus vier Tagen rauszuholen – im Idealfall die Menge einer Fünftagewoche –, und geht dann in ein verdientes verlängertes Wochenende", sagt Poreda.

Das verlange sowohl Selbstorganisation und Eigenverantwortung als auch "einen moralischen Kompass und ein bisschen Demut vor der Viertagewoche". Setze zum Beispiel bei einem Mitarbeiter ein Schlendrian ein, entstünden in einem kleinen Team schnell Unruhe und Unzufriedenheit, erzählt Poreda. Das System funktioniere, "weil alle möchten, dass alle Vollgas geben und den Arbeitgeber nicht ausnützen". Arzttermine während der Arbeitszeit sind auch nicht gern gesehen.

Weniger Meetings

Weil die Arbeit auch auf Effizienz ausgelegt ist, gibt es weniger Meetings und kürzere Pausen. "Wir arbeiten sehr dicht, aber ich spüre keinen Druck, und es bleibt genug Zeit, sich auszutauschen und gemeinsam mittagzuessen", sagt Miriam Walch, die Marketing und Kommunikation verantwortet.

Das Team arbeitet in der Pandemie so viel wie möglich vor Ort – auch weil im Homeoffice im ersten Lockdown viel eher die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwammen, sagt Walch. Sie arbeitete länger, weit über die Kernzeiten hinaus.

Am Freitag erwartet sich Poreda keine Erreichbarkeit. Bekommen Walch oder ihre Kollegen eine Kundenanfrage, entscheiden sie selbst, ob sie die Aufgabe gleich erledigen oder erst am Montag. Walch habe schon am Freitag auf dem Chatkanal Slack eine Nachricht von Poreda erhalten: "Arbeitest du? Du solltest dich erholen!" Dennoch profitiert sein kundenorientiertes Start-up, wenn die Beschäftigten auch freitags kurz ihre Mails checken. Er betont aber: "Das ist alles freiwillig."

Foto: Der Standard

Mehr Erholung

Der Vertriebsmitarbeiter, der anonym bleiben will, dürfte Demut vor der Viertagewoche gehabt haben. Drei Jahre war er im Sales tätig, bevor er im neuen Jahr bei einer neuen Firma anfing. "Die Viertagewoche ist ein Luxus. Man hat das ganze Wochenende für Vergnügung – im Job darf man sich aber keinen Lenz machen", sagt er.

Neben der Kinderbetreuung erledigt er freitags die Arbeit, die zu Hause anfällt. "Fällt das unter der Woche weg, gibt das einem im Arbeitsalltag Kraft." Auch seine Kollegin Walch fühle sich erholter: "Man ist am Montag fit, kommt nie in so einen Urlaubsdruck, weil man nicht so erschöpft ist wie bei einer Fünftagewoche." Seit sie im Jänner 2020 bei Hektar Nektar angefangen hat, sei sie erst einen Tag im Krankenstand gewesen. Und sie habe nicht mehr das Gefühl, dass ihr "Leben neben der Arbeit davonrennt".

Auch Studien – zuletzt etwa eine große Langzeitstudie in Island – zeigen, dass Beschäftigte mit einer Viertagewoche zufriedener und weniger gestresst sind. Sie haben auch ein geringeres Risiko, in ein Burnout zu schlittern. Und Männer kümmern sich mehr um den Haushalt oder Kinder, wenn sie weniger arbeiten. Die Produktivität ist laut unterschiedlichen Studien gleichbleibend oder steigt im Vergleich zur Vollzeitwoche.

Kein Anreiz

Neben den Vorteilen gibt es auch Nachteile. Verdichte sich die Arbeit, könne das zu Stress führen, sagen Expertinnen und Experten. Das sieht Poreda nicht. Er sagt: "Ein fünfter Tag am Telefon würde ein Fünftel mehr Umsatz bringen. Man nimmt Wachstum in Kauf."

Mit der Viertagewoche wollen die Poreda-Brüder, die zuvor die Arbeitgeberbewertungsplattform Kununu gegründet und verkauft hatten, aber nicht für Jobkandidaten werben. Dabei möchten immer mehr Menschen weniger arbeiten. "Ich will, dass jemand wegen des Unternehmensgegenstands bei mir arbeitet – nicht wegen der Viertagewoche", sagt Poreda. Er hinterfrage sonst, ob Bewerber "Gasgeber" seien. "Ich will spüren, dass sie volle Leistung in vier Tagen geben möchten." (Selina Thaler, 12.1.2022)