Für die Sache von Freiheit und Demokratie war 2021 kein gutes Jahr. In Europa zeigten einige autokratische Staaten, die lange Zeit eine demokratische Fassade aufrechterhalten hatten, ihr wahres Gesicht. In Belarus reagierte Alexander Lukaschenko auf die Massenproteste nach der gestohlenen Wahl mit brutaler Repression, in Russland trieb sein Schutzherr Wladimir Putin die Zerstörung der pluralistischen Zivilgesellschaft voran.

In China setzte Xi Jinping die Umwandlung einer autoritären Herrschaft in einen totalitären Staat fort und zerstörte die Reste des demokratischen Widerstands in Hongkong. Im benachbarten Myanmar beendete das Militär nach einer Wahlschlappe das Experiment der Machtteilung mit demokratischen Kräften. Auch in Nicaragua und dem Iran dienten Präsidentenwahlen nur dazu, den Volkswillen zu pervertieren.

Es war daher ein Jahr, in dem die Fronten zwischen Demokratien und Diktaturen klarer gezogen wurden. Herrscher in Halb- und Vierteldemokratien bemühten sich im Kampf um die Macht immer weniger um einen respektablen Anschein. Dafür aber zeigten mehrere Staaten, in denen Rechtsstaat und Demokratie durch populistische Kräfte unter Druck geraten waren, kräftige Lebenszeichen.

Das Kapitol in Washington wurde vor einem Jahr gestürmt.
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In Tschechien und in Bulgarien wurden die Regierungschefs Andrej Babiš und Bojko Borissow, die ihre Macht durch die Unterwanderung ziviler Institutionen nach allgemeiner Einschätzung gut abgesichert hatten, nach enttäuschenden Wahlergebnissen von äußerst heterogenen Oppositionsbündnissen verdrängt. Das gleiche Schicksal ereilte in Israel Langzeitpremier Benjamin Netanjahu. Und selbst Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán, der Möchtegern-Autokraten in aller Welt als Vorbild gilt, kann sich seiner Wiederwahl bei den nahenden Parlamentswahlen nicht sicher sein.

Zusammenspiel von Justiz und Medien

Wo demokratische Strukturen nicht völlig unterwandert wurden, ist selbst der geschickteste Manipulator vor Machtverlust nicht gefeit. Das zeigen etwa in Großbritannien, der Mutter aller Demokratien, die wachsenden Probleme von Premier Boris Johnson. Auch in Österreich steht Anfang 2022 die Demokratie besser da als vor einem Jahr. Im Zusammenspiel von Justiz und Medien – zwei Säulen einer liberalen Demokratie – wurde der türkise Plan für eine langfristige Dominanz unter einem Kanzler Sebastian Kurz durchkreuzt. Deutschland und Chile haben wiederum eindrucksvoll demonstriert, wie reibungslos ein politischer Kurswechsel in einer Demokratie ablaufen kann.

Die Schlüsselfrage ist die weitere Entwicklung in den USA. Donald Trumps versuchter Staatsstreich ist zwar beim Sturm auf das Kapitol vor einem Jahr gescheitert, aber seither setzen er und eine ihm willfährige Republikanische Partei alles daran, dass ihnen die Macht nicht noch einmal entgleitet. Sie haben eine starke Minderheit in der Bevölkerung hinter sich, die bereit ist, die Demokratie für andere Ziele zu opfern. Ihnen spielen dabei die Unzulänglichkeiten politischer Strukturen, die großteils vor 235 Jahren entworfen wurden, in die Hände.

Noch stehen die USA klar auf der demokratischen Seite der globalen Kluft, und es gibt starke Kräfte im Land, die den Trend zur Autokratie stoppen können. Sollten sie jedoch scheitern, würde das die Aussichten für Demokratie in der Welt wahrlich verdüstern. (Eric Frey, 4.1.2022)