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Die Proteste gegen den Militärcoup rissen seit Oktober des vergangenen Jahres nicht ab. Auch nach dem Jahreswechsel demonstrierten die Menschen im Sudan für eine rein zivile Regierung.

Foto: AP Photo/Marwan Ali

Für Kenner des Landes war es keine Überraschung, als Premierminister Abdalla Hamdok am späten Sonntagabend in Sudans Hauptstadt Khartum vor die Fernsehkameras trat und seinen Rücktritt bekanntgab – sie hatten mit diesem Schritt sogar schon früher gerechnet. "Ich habe alles in meiner Macht Stehende getan, um unser Land vor dem Sturz in ein Desaster zu bewahren", sagte der 66-jährige Regierungschef. "Aber nun ist unsere Nation einer Krise ausgesetzt, die ihre Existenz bedroht." Dunklere Worte hätte der einst für die Vereinten Nationen tätige Ökonom kaum finden können.

Sein Scheitern habe sich bereits bei seiner zweiten Bestellung zum Regierungschef vor sechs Wochen abgezeichnet, heißt es in Khartum: als Hamdok dem Drängen der Militärs nachgab, sich erneut als Premierminister zur Verfügung zu stellen – obwohl ihn die Generäle einen Monat zuvor mit einem Militärputsch aus dem Amt gefegt hatten. Vier Wochen lang saß der Ökonom trotzig im Hausarrest, bevor ihn der starke Mann des Landes, General Abdelfattah al-Burhan, schließlich weichgekocht hatte. Um einen gefährlichen Stillstand und weiteres Blutvergießen zu vermeiden, sei er bereit, sein Amt wieder aufzunehmen und eine neue Regierung zu bilden, gab Hamdok bekannt.

"Technokraten"-Kabinett

Schon damals war klar, dass die neue Übergangsregierung ganz anders als die vorige sein müsste: Die Militärs hatten mit ihrem Putsch neue Fakten geschaffen und Hamdok weitere Bandagen angelegt. Sein Kabinett sollte aus "Technokraten" bestehen, Repräsentanten der demokratischen Opposition waren davon ausgeschlossen.

Die Reaktion der oppositionellen "Kräfte für Freiheit und Wandel" war abzusehen: Ihre Führer zogen die Unterstützung für Hamdok zurück – die Demonstrationen auf den Straßen gingen unvermindert weiter. Der Premierminister steckte in der Klemme: zerrieben zwischen der Absicht der Generäle, ihn als Strohmann zu missbrauchen, und den Forderungen der Mehrheit des Volkes, das Militär nun endgültig von den Schaltstellen der Macht zu vertreiben.

"Wiederhergestelltes Regime"

Hamdoks Abtritt hat nun zumindest wieder klare Verhältnisse geschaffen. "Das letzte Feigenblatt des Militärregimes ist beseitigt", sagt der sudanesische Anwalt Ahmed El Gaili zum TV-Sender Al-Jazeera. "Zurück bleibt eine regelrechte Militärdiktatur." Cameron Hudson vom US-amerikanischen Atlantic Council bestätigt: "Was wir heute sehen, ist eine Wiederherstellung des Regimes von Omar al-Bashir – nur ohne Bashir.

Noch steht nicht fest, wie die Generäle auf Hamdoks Rücktritt reagieren werden. Sicher scheint nur, dass ihre Antwort noch martialischer als in den vergangenen Wochen ausfallen wird. Jedem der mindestens wöchentlich stattfindenden Straßenproteste begegneten die Sicherheitskräfte mit Tränengaswolken, Schlagstockhieben und auch mit scharfer Munition: Seit dem Putsch Ende Oktober verloren nach Angaben des Zentralkomitees der sudanesischen Ärzte (CCSD) mindestens 57 Demonstranten ihr Leben, hunderte wurden verletzt, tausende sollen hinter Gittern gelandet sein.

Weitere Proteste

Auslöser für Hamdoks Rücktritt war eine weitere Massendemonstration am Sonntag, die mindestens drei Menschen das Leben kostete. Einem jungen Mann schossen Soldaten in die Brust, einen anderen töteten Polizisten mit Schlägen auf den Kopf. Für den heutigen Dienstag sind weitere Proteste angesagt: Jeder rechnet damit, dass die Reaktion der Sicherheitskräfte jetzt noch brutaler ausfallen wird. Nach UN-Angaben gehen Soldaten und Polizisten inzwischen dazu über, Demonstrantinnen zu vergewaltigen. Regelmäßig werden an Protesttagen auch das Telefonnetz und die Verbindungen zum Internet unterbrochen. Außerdem wurden Kamerateams verprügelt und ihr Equipment beschlagnahmt.

Die Forderung westlicher Staaten, Gewalt gegen Frauen als "Waffe gegen ihre Meinungsäußerung" einzustellen, fiel bei der Militärregierung bislang auf taube Ohren. Bei einer Neujahrsansprache forderte US-Außenminister Antony Blinken die "sofortige Einstellung tödlicher Gewalt". Und nach dem Rücktritt Hamdoks verlangte das State Department über Twitter: "Sudans neuer Regierungschef und sein Kabinett sollten in Übereinstimmung mit der Verfassungsrechtlichen Erklärung (aus dem Jahr 2019, Anm.) erfolgen, um dem Wunsch des sudanesischen Volkes nach Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit zu entsprechen." (Johannes Dieterich, 3.1.2022)