Nach dem Neujahrskonzert ist vor dem Neujahrskonzert. Sind die letzten Klänge verstummt, wird ja das Geheimnis gelüftet, wer die nächste Ausgabe des extrem beliebten Klassikereignisses leiten darf. 2017 sagte der Vorstand der Wiener Philharmoniker, Daniel Froschauer, es würde das Orchester freuen, wenn auch einmal eine Dame am Pult stünde. Bis heute hat sich allerdings scheinbar immer noch keine geeignete "Dame" gefunden. Dass es nicht ums Geschlecht geht, ist dabei ebenso redundant wie unglaubwürdig. Namen wie Oksana Lyniv, Mirga Gražinytė-Tyla, Alondra de la Parra, Joana Mallwitz oder Marin Alsop zeugen vom Potenzial.

Die Wiener Philharmoniker unter Dirigent Daniel Barenboim beim Neujahrskonzert am 1. Jänner 2021.
Foto: APA/WIENER PHILHARMONIKER/DIETER NAGL

Das Dirigentenpodest ist aber offenbar nach wie vor Bastion männlicher Vorherrschaft. So werden Qualitätsmerkmale wie "Erfahrung" und "Gefühl" für das Wienerische in der Musik kurioserweise angeblich ausschließlich von Männern erfüllt. Frauen am Pult der Philharmoniker gab es zwar vereinzelt, darunter Susanna Mälkki, Simone Young und Joana Mallwitz mit Mozarts Così in Salzburg. Dennoch: Dirigieren ist ein Old-Boys-Netzwerk, natürlich nicht nur bei den Philharmonikern. Das Neujahrskonzert ist jedoch ein Event mit 50 Millionen Zuschauern auf der ganzen Welt.

Eine Dirigentin wäre nicht nur ein genialer PR-Coup für das Orchester. Viel wichtiger noch: Es würde eine längst fällige Lanze gebrochen, es würde ein wichtiges Zeichen gesetzt. (Miriam Damev, 3.1.2022)