Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (Mitte) soll im Finanzministerium gegen eine Steuernachzahlung der Illwerke aufgetreten sein – sein Vertrauter Magnus Brunner (rechts) ist dort nun Minister.

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Es ist ein merkwürdiges Konstrukt: Das Land Vorarlberg hielt teils über Umwege hundert Prozent am Vorarlberger Energieunternehmen Illwerke. Die Kraftwerke, die der Stromproduzent betreibt, gehören eigentlich dem Land. Es besitzt sogenannte "Heimfallsrechte", auf die es verzichtet. Dafür zahlen die Illwerke, die mittlerweile mit einem Konkurrenten verschmolzen sind, jährlich eine Summe von mehreren Millionen Euro an das Land – zuletzt rund zehn Millionen Euro. Weitaus mehr können im Notfall abgerufen werden.

Wie ist das zu besteuern, werden doch zusätzlich auch Gewinne an das Land als Aktionär ausgeschüttet? Das war Gegenstand einer Großbetriebsprüfung der Finanz, die bis 2017 stattfand. Es ging um viel: Bis zu 480 Millionen Euro könnten als Bemessungsgrundlage für die Steuerlast bei den Heimfallsrechten herangezogen werden, hieß es damals. Die Großbetriebsprüfer gingen von einer saftigen Steuernachzahlung aus, die aus Vorarlberg an den Bund fließen sollte. So gingen die Illwerke nach einer Rechtsauskunft in den frühen 2000er-Jahren davon aus, dass diese "Heimfallablösezahlungen" steuerlich absetzbar waren. Die Großbetriebsprüfung, die von 2012 bis 2017 stattfand, kam zu einer anderen Rechtsansicht.

Angeblich heftige Interventionen

Recherchen des STANDARD zeigen, dass da die Politik ins Spiel kam: Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) soll wiederholt bei seinen Parteikollegen im Finanzministerium eine mildere Auslegung der Abgabenpflicht urgiert haben. Auf Anfrage äußerte sich Wallner vorerst dazu nicht; das Finanzministerium verweist auf das Amtsgeheimnis und die "abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht". Dem ORF Vorarlberg sagte Wallner dann, es sei um "vitale Landesinteressen" gegangen und er sei als Eigentümervertreter aufgetreten.

Die Neos wollen nun mittels einer parlamentarischen Anfrage mehr über die Vorgänge herausfinden. Ihr stellvertretender Klubobmann Gerald Loacker fragt das Finanzministerium nach Interventionen von Wallner rund um die Großbetriebsprüfung der Illwerke und nach seiner Auslegung der steuerrechtlichen Behandlung der Heimfallsrechte.

Der türkise Draht

Loacker erwartet sich Antworten: Er argumentiert, "dass das in politisch heiklen Fragen von Ministerien gerne vorgeschobene Datenschutzargument ins Leere geht, weil es sich in der gegenständlichen Causa um eine Streitigkeit zwischen zwei Gebietskörperschaften handelt und auf beiden Streitseiten jeweils eine Steuerzahlergemeinschaft – die Gemeinschaft der österreichischen Steuerzahler versus die Gemeinschaft der Vorarlberger Steuerzahler – steht, die ein legitimes Interesse an der Verwendung der eigenen Mittel haben".

Kurzum: Wenn Wallner und die Vorarlberger Regierung dafür gekämpft haben, dass die Illwerke weniger Abgaben nachzahlen müssen, dann hilft das den Vorarlbergern zulasten der restlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Außerdem verzerre das den Wettbewerb, moniert Loacker.

"Ob ein Unternehmen schonend geprüft wird, hängt davon ab, ob dieses Unternehmen gute Kontakte zur ÖVP hat. Das Verhalten der ÖVP-Politiker zeigt nur, für wie normal sie das ansehen", sagt Loacker zum STANDARD.

Für die Illwerke ging die Sache gut aus: Das Finanzamt Feldkirch hob 2018 sämtliche Bescheide der Großbetriebsprüfung auf, die Rechtsansicht der Illwerke wurde auch in einem Rechtsmittelverfahren bestätigt. "Dabei stützte sich das Finanzamt Feldkirch auf die Stellungnahme von Experten des Finanzministeriums, die ebenfalls erklärten, dass die Sichtweise der Großbetriebsprüfung unrichtig ist", hieß es in einer Pressemitteilung.

Zentral im U-Ausschuss

Interventionen und Malversationen im Finanzministerium werden ein Fokus des ÖVP-Korruptionsausschusses sein, der im März seine medienöffentlichen Befragungen beginnt. Auch die Inseraten- und Umfrageaffäre, die Sebastian Kurz (ÖVP) das Kanzleramt gekostet hat, spielt ja großteils im Finanzministerium, wo die Demoskopin Sabine B. mit Scheinrechnungen abgerechnet haben soll.

Die Steuerprüfung brachte wiederum der Korruptionsverdacht gegen den Unternehmer Siegfried Wolf ins Scheinwerferlicht: Er kämpfte mit politischen Verbündeten wie dem damaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling und dessen Generalsekretär Thomas Schmid gegen eine Steuernachzahlung und soll dabei auch eine Finanzbeamtin bestochen haben – es gilt die Unschuldsvermutung.

Während sich Wolf und Schmid mit Verweis auf ihre laufenden Strafverfahren im Ausschuss wohl großflächig entschlagen könnten, ist das zum Beispiel für Schelling oder den langjährigen Sektionschef, späteren Finanzminister und heutigen Vorstand der Finanzmarktaufsicht (FMA) Eduard Müller keine Option.

Auf eine Anfrage des STANDARD zu seiner Involvierung in die Causa Wolf reagierte Müller urlaubsbedingt mit Verspätung: Er kenne Wolf nicht persönlich und sei keineswegs mit ihm per Du. Warum in Chats erwähnt werde, "Edi" bliebe auf der Sache drauf? "Wer meinen Namen wofür verwendet hat, entzieht sich meiner Kenntnis und meinem Einfluss", so Müller.

Dass er als Minister Wolf über Schelling ausrichten ließ, er solle gegen die Aufhebung des milden Steuerbescheids berufen, erklärt Müller so: "Meine Auskunft war keine inhaltliche Empfehlung, sondern die allgemeine Feststellung, dass gegen erlassene Bescheide innerhalb der gesetzlichen Frist Rechtsmittel möglich sind." (Fabian Schmid, 4.1.2022)