Für Donald Trump geht es bei der Wahl 2024 um weit mehr als nur um das Amt des Präsidenten.

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"Democracy Dies in Darkness", lautet die Unterzeile der "Washington Post". "Demokratien sterben in Dunkelheit." Doch manchmal sterben sie auch im grellen Scheinwerferlicht. Systemumstürze erfolgen selten über Nacht. Oft beginnen sie völlig unscheinbar, direkt unter den Augen der Öffentlichkeit. In den USA kann man die Vorbereitung eines solchen Coups aktuell beobachten. Ein Staatstreich, der so harmlos daherkommt, dass man ihn kaum als solchen wahrnimmt. Und sobald man ihn durchschaut hat, wird es zu spät sein. In Washington fürchtet man: Trumps nächster Putschversuch erfolgt nicht etwa erst zur Präsidentschaftswahl am 5. November 2024. Er hat schon lange begonnen.

Die Vorarbeit dazu leistet gerade seine Partei: Mit chirurgischer Präzision sind die Republikaner dabei, die länderspezifischen Wahlgesetze zu verschärfen und damit die Karten zu ihren Gunsten zu mischen. Allein 2021 wurden 33 Gesetze in 19 Bundesstaaten verändert. In 20 weiteren US-Staaten sind laut der Bürgerrechtsorganisation Voting Rights Lab 245 Eingriffe in Vorbereitung. So sollen zum Beispiel die Möglichkeiten zur Stimmabgabe massiv eingeschränkt werden, etwa durch die Verkürzung von Registrierungsfristen oder durch die Ausdünnung von Wahllokalen in bestimmten Wahlbezirken. Änderungen, die vor allem demokratische Wählerschichten benachteiligen.

Neuzeichnung der Wahlbezirke

Fast schon ein Klassiker im Arsenal der Wahlstrategen: das sogenannte "Gerrymandering", benannt nach seinem Erfinder Elbridge Gerry, Gouverneur von Massachusetts. Der unterzeichnete 1812 ein Gesetz, wonach Wahlbezirke vor einer Wahl willkürlich neu gezeichnet werden können. Aufgrund des Mehrheitswahlrechts in den USA ist es seitdem in manchen US-Staaten zulässig, die Wahldistrikte so zuzuschneiden, dass Kandidaten der eigenen Partei dadurch begünstigt werden. Dieser Trick wird von beiden politischen Lagern genutzt. Jedoch regieren die Republikaner aktuell in deutlich mehr Gebieten, in denen dieser Eingriff möglich ist.

Um sicherzustellen, dass er in den entscheidenden Staaten genug Stimmen zusammenbekommt, ist Donald Trump seit Monaten dabei, Schlüsselpositionen, wie zum Beispiel die lokalen Wahlbehörden, mit seinen eigenen Leuten zu besetzen. Eine Strategie, die sich Steve Bannon ausgedacht hat: "Wir übernehmen die Republikanische Partei über den Bezirksausschuss", prahlte der Trump-Berater in seinem Podcast kürzlich. "Wir übernehmen sämtliche Wahlen!" Trump-Gefolgsleute, die Wahllokale überwachen – der sprichwörtliche Bock als Gärtner. Ein Coup der tausend Nadelstiche, der es nicht in die Nachrichten schafft, da jeder Stich für sich allein zu unbedeutend wäre, um einen Platz zwischen Corona-Meldungen und Sportergebnissen zu finden.

Pläne geschmiedet und Posten vergeben

Seit seinem Maulkorb auf Twitter und Facebook ist es in den Medien still geworden um den Ex-Präsidenten. Trump nutzt die Zeit und empfängt regelmäßig Kongressabgeordnete und Senatoren in Mar-a-Lago in Florida. Hier, in der Lobby seines Luxushotels (intern auch "Thronsaal" genannt), werden Pläne geschmiedet und Posten vergeben. Über eine neugegründete Medien-Holding hat Trump kürzlich sein eigenes soziales Netzwerk "Truth Social" ausgerufen, das bis 2024 zu einer Videoplattform ausgebaut werden soll. CEO des Trump-Medienhauses wird der Republikaner Devin Nunes, der dafür seinen Abgeordnetensitz in Washington aufgibt.

Sollten die Republikaner bei den Zwischenwahlen im November Senat und Repräsentantenhaus zurückerobern, wäre das der Moment, an dem Trump seine Kandidatur bekanntgeben würde. Mit den Wahlerfolgen im Nacken und der fast schon kulthaften Verehrung seiner Fans wäre es, zumindest nach aktuellem Stand, schwer vorstellbar, dass ein anderer Kandidat innerhalb der Republikaner eine Chance gegen den Ex-Präsidenten hätte. Dabei würde er nicht nur Unterstützung aus den eigenen Reihen erhalten. Gerade für klassische TV-Networks und die notleidenden Zeitungen wäre Trump II ein wahrer Publikumsmagnet.

Für Trump geht es bei dieser Wahl um weit mehr als nur um das Amt des Präsidenten. Eine zweite Amtszeit könnte ihn vor juristischen Konsequenzen bewahren, die ihm aufgrund eines Gerichtsverfahrens im US-Staat New York drohen. In der 24-seitigen Anklageschrift wirft die Staatsanwaltschaft der Trump Organisation systematischen Steuerbetrug vor, der zurückreicht bis ins Jahr 2005. Sollte Donald Trump persönlich dafür haftbar gemacht werden können, bliebe ihm kaum ein Ausweg als die Flucht nach vorn. Trump muss erneut kandidieren und die Wahl gewinnen, egal wie. Die Alternative zum Weißen Haus wäre nicht der Thronsaal seiner Luxusresidenz in Florida, sondern Gefängnis. (Richard Gutjahr, 6.1.2022)