Das Jahr 2022 sollte endlich jenes sein, in dem das Amtsgeheimnis abgeschafft wird, fordert Mathias Huter vom Forum Informationsfreiheit im Gastkommentar. Lesen Sie dazu auch den Gastkommentar von Heinz Mayer: Es genügt ein einfaches Gesetz.

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Die vom Finanzministerium beauftragten Beinschab-Umfragen, die schlussendlich zum Rücktritt von Bundeskanzler Sebastian Kurz führten, bleiben weiterhin geheim. Wären sie und die Details der Inseratenvergaben des Ministeriums automatisch veröffentlicht worden – die Affäre wäre wohl rasch aufgeflogen, oder es hätte sie nie gegeben.

Obwohl sich alle Parlamentsparteien für ein Bürgerrecht auf Zugang zu staatlicher Information – also das Ende des Amtsgeheimnisses – ausgesprochen haben, kommt die Reform nicht vom Fleck.

Ein Recht auf Information ermöglicht öffentliche Kontrolle und gehört international längst zum demokratischen Mindeststandard. Aber nicht bei uns: Österreich ist internationales Transparenzschlusslicht. Dabei ist Sonnenlicht in dunklen Amtsstuben das beste Mittel, wenn es darum geht, Korruption, Nepotismus und Amtsmissbrauch abzustellen.

Zugang nach Gutsherrenart

Ein Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz war im April in Begutachtung. Ziel muss sein, dass Bürger rasch und unbürokratisch Informationen von staatlichen Stellen bekommen können, wenn es keine überwiegenden Geheimhaltungsgründe gibt – und im Streitfall ihr Recht auch durchsetzen können. Dafür wären Nachschärfungen dringend nötig.

Seither zeigt sich: Weite Teile der öffentlichen Hand wollen eine Informationspolitik nach Gutsherrenart beibehalten. Transparenz gern, aber nicht bei uns. Besonders hart auf der Bremse stehen jetzt Länder und Gemeinden.

"Wieso soll die heimische Verwaltung langsamer sein als die anderer Länder?"

Der Entwurf sieht vor, dass Behörden vier Wochen Zeit haben, auf eine Anfrage zu antworten. EU-Stellen schaffen es in drei Wochen, Estlands Verwaltung in einer. Doch die Länder wollen deutlich mehr Zeit, um Bürgern zu antworten. Wieso die heimische Verwaltung langsamer sein soll als die anderer Länder, hat aber noch kein Politiker erklärt.

Zusätzlicher Aufwand

Die Gemeinden fürchten den zusätzlichen Aufwand und sehen sich nicht in der Lage, mehr Transparenz umzusetzen. Der Gemeindebund betont, dass die Gemeinden "stets den Auskunftsbegehren ihrer Bürger nachgekommen" sind. Interessant, denn etwa die Hälfte aller Gemeinden reagierte gar nicht, als Journalisten von Addendum nach ausbezahlten Kultur- und Sportförderungen fragten. Ein Gesetz, das man ignoriert, bedeutet natürlich weniger Aufwand als eines, das man befolgt.

Nicht nur die Gemeinden mauern: In mittlerweile fünf Verfahren wegen zurückgehaltener Auskünfte hat das Forum Informationsfreiheit vom Höchstgericht recht bekommen. Jüngster Zwischenerfolg: das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass die Geheimhaltung des Eurofighter-Kaufvertrags ungesetzlich ist – nach sieben Jahren vor Gericht. Die Stadt Wien hat es mittlerweile geschafft, ein Verfahren zu gesammelten Einsparungsvorschlägen zwei Mal vor dem Verwaltungsgerichtshof zu verlieren.

Eigene Beauftragte

Einige Bedenken der Behörden sind jedoch nachvollziehbar. Gemeinden befürchten, keine ausreichende juristische Expertise zu haben, um Geheimhaltungsbestimmungen im Einzelfall korrekt anzuwenden. Die Lösung liegt auf der Hand, wird von der ÖVP allerdings abgelehnt: eine unabhängige Informationsfreiheitsbeauftragte, die der Verwaltung zur Seite steht und Bürger bei der Durchsetzung ihrer Rechte hilft. So eine Stelle würde Behörden und Verwaltungsgerichte entlasten und hat sich in vielen Ländern als essenziell erwiesen, um Transparenzregeln mit Leben zu füllen.

Viel Relevantes bleibt derzeit geheim: welche Unternehmen wie viel an Corona-Hilfen erhalten oder eben von der öffentlichen Hand finanzierte Gutachten. Mit dem Informationsfreiheitsgesetz sollen Studien, Gutachten und staatliche Verträge über 100.000 Euro von Behörden automatisch veröffentlicht werden.

Gelder bereitstellen

Der damit verbundene Aufwand bereitet Behörden Sorgen. Bislang plant die Regierung nicht, der Verwaltung zusätzliche Ressourcen zu geben. Dafür drohen keine Konsequenzen, wenn Behörden ihre Veröffentlichungspflichten verletzen. Hier sollte die Regierung den Transparenzfokus auf korruptionsanfällige Bereiche legen und die für die Umsetzung nötigen Gelder bereitstellen. Internationale Beispiele zeigen, dass sich diese Investitionen rasch rentieren.

Unter den Ländern spricht sich insbesondere Wien für eine Schwächung der vorgeschlagenen Transparenzregeln aus: Geheimhaltungsgründe sollten erweitert und die anfragbaren Informationen eingeschränkt werden. Überraschend, denn im Koalitionsvertrag zwischen SPÖ und Neos hat sich die Wiener Stadtregierung eigentlich umfassende Transparenzreformen vorgenommen. Die SPÖ wird sich klar positionieren müssen – für den Gesetzesbeschluss braucht es eine Zweidrittelmehrheit in National- und Bundesrat.

Entwurf nachschärfen

Der Ball liegt nun bei der Regierung: Sie sollte die Verhandlungen endlich aus den Hinterzimmern holen, den Entwurf nachschärfen und 2022 zum Jahr der Transparenz machen, in dem ein Informationsfreiheitsgesetz beschlossen wird. Gleichzeitig muss sie der Verwaltung auf allen Ebenen die Ressourcen zur Verfügung stellen, um Transparenz umsetzen zu können. Scheitert die Amtsgeheimnisabschaffung auch unter Türkis-Grün, so drohen uns viele weitere Affären. Denn Korruption und Machtmissbrauch florieren im Verborgenen. (Mathias Huter, 5.1.2022)