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Emmanuel Macron richtet sich mit harten Worten an Ungeimpfte.

Foto: AP/Thys

Paris – Er ist gut erzogen und hochgebildet. Doch Emmanuel Macron kann auch fluchen: Er möchte den Impfverweigerer "auf den Wecker gehen", sagte er der Zeitung "Le Parisien" unter Benützung des vulgären Verbs "emmerder", zu Deutsch "ansch.....".

Deshalb, so führte der französische Präsident aus, dürften Ungeimpfte nicht mehr ins Restaurant gehen; sie dürften öffentlich keinen Rotwein oder Kaffee mehr trinken und könnten auch nicht mehr ins Kino oder Theater gehen. Denn dafür sei in Frankreich ab dem 15. Januar ein Impfpass nötig, der das aktuell gültige Gesundheitszertifikat verschärft.

"Bis ans bittere Ende"

Macron führte aus, er erachte die Impfverweigerer für unverantwortlich, da sie die Gesundheit der geimpften Bürger gefährdeten und damit ihre Freiheit einschränkten. "Ich bin nicht dafür, die Franzosen zu nerven. Die Ungeimpften habe ich aber große Lust zu nerven. Und dabei werden wir bis ans bittere Ende gehen. Das ist unsere Strategie." Er wolle die Impfverweigerer nicht ins Gefängnis stecken, auch nicht zwangsimpfen. Ohne Impfpass werde es für sie aber ein stark eingeschränktes soziales Leben geben, sagte Macron.

Frankreich reagierte auf diese groben Worte einigermaßen perplex. Die Nationalversammlung unterbrach sogar ihre gesetzgebende Arbeit über den Impfpass, als sie zu später Stunde von Macrons Äußerungen in dem Zeitungsinterview erfuhr. Rechte wie linke Abgeordnete kritisierten, eine solche Wortwahl sei eines Staatschefs nicht würdig. Der Präsidentschaftskandidat Jean-Luc Mélenchon bezeichnete die präsidialen Aussagen als "erschreckend". Die Rechtspopulistin Marine Le Pen warf Macron vor, er treibe einen Keil in die Nation.

Kein Ausrutscher

Dass sich Macron vergessen hatte, scheint unwahrscheinlich. Er benützte das Wort "emmerder" gleich zweimal, wie um sicherzugehen, dass es nicht als Ausrutscher angesehen werde. Politische Beobachter glauben, dass Macron vor den Präsidentschaftswahlen im April auf Mehrheitssuche ist. Er versucht den 80 Prozent geimpften Bürgern im Land aus dem Herzen zu sprechen; die häufig der extremen Linken oder Rechten zuneigenden Impfmuffel hält er offenbar für verlorene Wähler.

Schon über die Festtage hatte Gesundheitsminister Oliver Véran für Stirnrunzeln gesorgt, als er offen einräumte, der neue Impfpass sei "eine Art versteckter Impfzwang". So offen spricht die Regierung sonst nie. Von Georges Pompidou, Staatspräsident von 1969 bis 1974, ist zwar auch das Bonmot übermittelt, er wolle "die Franzosen nicht nerven" ("il ne faut pas emmerder les Français"), doch tat dies der Gaullist in seiner bekannten hemdsärmeligen Art, eine Zigarette im Mundwinkel.

Riskante Strategie

Bei Macron wirken solche Worte deplatziert, ja einstudiert. Wie den Kommentaren auf den sozialen Medien zu entnehmen war, zeugen sie eher von der verbalen Arroganz Macron, die sich schon öfters in Sprüchen gegen Arbeitslose oder andere Bevölkerungsgruppen geäußert hatte. Ob seine Strategie, klar Position für das mehrheitliche Impflager zu beziehen, an den Wahlurnen aufgehen wird, ist deshalb alles andere als sicher.

Die Impfgegner dürfte Macron noch weniger überzeugen. Die Corona-Inzidenz liegt in Frankreich derzeit bei wöchentlich mehr als 1.600 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Gut 3.600 Notfallpatienten liegen mit Atem- oder anderen Beschwerden auf der Intensivstation. Die Neuinfektionen haben am Dienstag den neuen Rekordwert von 270.000 überschritten. (Stefan Brändle aus Paris, 5.1.2022)