Und wieder steht alles auf Anfang: Als im Jahr 2020 die Coronavirus-Pandemie in Österreich angekommen war, war vieles völlig unklar. Etwa, wie viele Menschen sich zur selben Zeit mit der damals neuartigen Krankheit infizieren werden – und vor allem: Was bedeuten mögliche Massenausfälle der Belegschaft für die sogenannte kritische Infrastruktur?

Am Freitag isolieren sich 50 Mitarbeiter der Wien Energie. Für rund die Hälfte ist es nicht das erste Mal in Abschottung.
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Heute stellt sich diese Frage erneut. Die neue Virusvariante heißt Omikron und gilt als besonders ansteckend. Expertinnen und Experten warnen vor in die Höhe schnellenden Ansteckungszahlen – laut Berechnungen könnte rund ein Drittel der arbeitenden Bevölkerung gleichzeitig in Quarantäne müssen. Und wie schon vor beinahe zwei Jahren werden Notfallpläne aus den Schubladen gezogen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besonders wichtiger Bereiche vor einer Ansteckung geschützt.

Drei Standorte isoliert

Ab Freitag werden daher 50 ausschließlich männliche Mitarbeiter der Wien Energie in ihre neuen Quartiere in den Betrieben der Stadt einziehen: Sie werden für die kommenden vier Wochen im Kraftwerk Simmering und in drei Müllverbrennungsanlagen nicht nur arbeiten, sondern auch leben. Dadurch soll die Stromversorgung auch bei sehr hohen Infektionszahlen weiterhin aufrechterhalten bleiben.

Im Kraftwerk Simmering wird in den kommenden vier Wochen ein Team isoliert.
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Das Prozedere ist aus dem Jahr 2020 bekannt: Alle, die sich isolieren, haben sich freiwillig gemeldet. Seit Ende der vergangenen Woche befinden sie sich zudem in Selbstisolation – kurz vor dem Einzug werden sie noch einen letzten Gesundheitscheck durchlaufen. Neu in der Vorbereitung ist diesmal, dass sich die Mitarbeiter, die isoliert werden, zehn Tage lang täglich PCR-testen. Bei der ersten Isolation im Jahr 2020 waren die Testkits dafür bekanntlich noch Mangelware. Flächendeckende Gurgel- oder Antigentests gab es nicht, auf das Virus gescreent wurde eigentlich nur, wenn Symptome vorlagen.

Container für Schnarcher

Aber auch ein weiteres Learning, das "vielleicht ein bisschen etwas zum Schmunzeln ist", habe man aus der ersten Isolation mitgenommen, erzählt Alexander Kirchner, Bereichsleiter Betrieb und Mitglied des Krisenmanagements von Wien Energie: Es wird eigene Schnarchcontainer geben. Die Mitarbeiter können sich also auch in der Isolation isolieren, um ihre Kollegen nicht vom Schlaf abzuhalten. Außerdem habe man versucht, in den Räumlichkeiten ein wenig mehr Platz für zusätzliche Aufenthaltsqualität und den "Wohlfühlfaktor" zu schaffen.

Damit auch alle ihren Schlaf bekommen, gibt es heuer erstmals auch Schnarchcontainer.
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Während für rund die Hälfte der isolierten Teams die Situation eine völlig neue ist, handelt es sich für die andere Hälfte fast schon um Routine: 22 Mitarbeiter waren bereits 2020 freiwillig abgeschottet. "Viele erzählten von einem großen Teamspirit", der in der ersten Isolation entstanden sei, sagt Kirchner. Es sei für die Mitarbeiter ein besonderes "gemeinsames Erlebnis" gewesen, eine "sehr anstrengende Zeit", die die Belegschaft aber "zusammengeschweißt" habe: "Das motiviert die Leute ungemein." Und: Sie würden die Versorgungsicherheit für Wien garantieren – das Kraftwerk Simmering kann fast die gesamte Stadt mit Strom versorgen.

Zweite Isolation

Mario Weissmann geht am Freitag zum zweiten Mal in Isolation. Der 31-Jährige ist seit 2011 bei der Wien Energie. Seit drei Jahren ist er Schichtmeister im Kraftwerk Simmering.
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Einer von jenen, die ab Freitag dort isoliert leben wird, ist Mario Weissmann. Er ist Schichtarbeiter der Wien Energie und war schon 2020 im Kraftwerk Simmering in Isolation.

"Das war noch eine andere Zeit", sagt er: "Corona hat uns damals zum ersten Mal getroffen. Die Stimmung war sehr aufregend, wir wussten nicht, wie es weitergeht." Gerade in dieser Zeit sei es für ihn zwar eine schwere Entscheidung gewesen, seine Liebsten zu Hause zu lassen. "Aber es geht um Weitreichenderes."

Hochphase des Heizens

Anders als im Frühjahr 2020 sind diesmal die Temperaturen. "Es ist mitten im Winter, in der Heizperiode, da ist die Energieversorgung besonders wichtig. Darum haben wir auch diesen Schritt gesetzt. Lieber einmal zu viel als zu wenig", sagt Kirchner.

Warum sich Weissmann nun erneut isoliert? "Für mich – ich bin ein junger Schichtmeister – hat die erste Zeit sehr viel gebracht. Es ist das beste Teambuilding, das man sich vorstellen kann, wenn man einen Monat mit seiner Mannschaft zusammenlebt", sagt der 31-Jährige, der seit 2011 bei der Wien Energie arbeitet. Ein weiterer Grund für seine erneute Isolation sind die Wienerinnen und Wiener: "Wir sind das Rückgrat der Versorgung in der Bundeshauptstadt. Es ist wichtig, dass die Versorgungssicherheit auch in dieser schwierigen Zeit gewährleistet bleibt."

Positiv dürfte sich die Isolation auch auf seinen Schrittzähler ausgewirkt haben: "Ich war beim ersten Mal täglich über eine Stunde laufen – das Kraftwerk Simmering hat ein weitläufiges Areal, da kann man seine Kilometerzahl hinaufschrauben. Sport ist mir in so einer Zeit ganz wichtig."

Für Freizeitbeschäftigung im Kraftwerk ist auch gesorgt.
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Nach dem ersten Durchlauf sei die Isolationssituation, die nun wieder auf ihn zukommt, abschätzbarer. Auch wenn es die Entwicklung der Pandemie nicht ist: "Wir kennen die Medienberichte und die Prognosen der Experten. Aber wir können nicht in eine Kristallkugel hineinschauen und sehen, wie es weitergeht. Omikron kommt, darum ist es gut, dass wir als einer der wenigen Energiedienstleister in eine Quarantänemannschaft investieren – falls die Infektionszahlen hinaufschnellen", sagt Weissmann.

Lage wird beobachtet

Bei der Wien Energie beobachte man die Covid-Situation sehr genau – "vor allem, wie es mit den Fallzahlen weitergeht. Stabilisiert sich die Lage, dann beenden wir die Isolation. Es kann aber auch weitergehen", sagt Kirchner.

Bis Freitag, dem Tag, an dem er in Isolation geht, bleibt Weissmann erst einmal zu Hause: "Im Quarantäneteam haben wir jetzt schon im privaten Bereich zurückgesteckt, Kontakte reduziert und uns selbst isoliert", sagt er. Die Zeit verbringt er mit seiner Frau: "Auch das ist für mich anders als beim letzten Mal. Damals war ich noch nicht verheiratet. Man kann also auch dahingehend die Zeit in der Quarantäne überstehen." (Oona Kroisleitner, 5.1.2022)