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Der oberste Richter Südafrikas, Raymond Zondo, bei einer Zeugenbefragung im Jahr 2018. Seine Untersuchungskommission kam im ersten Teil des Endberichts zu einem vernichtenden Urteil.

Foto: REUTERS/Siphiwe Sibeko/File Photo

Wer noch auf eine offizielle Bestätigung der atemberaubenden verbrecherischen Aktivitäten des südafrikanischen Ex-Präsidenten Jacob Zuma und seines kriminellen Netzwerks gewartet hat: Hier ist sie. Raymond Zondo, Vorsitzender der Untersuchungskommission zur "Geiselnahme des südafrikanischen Staates", hat am Dienstagabend den ersten von drei Teilen seines Abschlussberichts Staatspräsident Cyril Ramaphosa übergeben. 855 Seiten, die einem bei der Lektüre die Haare zu Berge stehen lassen.

Richter Zondo lässt keinen Zweifel daran, dass das Kap der Guten Hoffnung fast zehn Jahre lang von einem kriminellen Netzwerk regiert wurde, das die Bevölkerung um Milliarden an Euro betrog: Zu diesem Zweck unterwanderten die luxuriös gekleideten Gangster die Steuerbehörde sowie die Staatsanwaltschaft und plünderten zahlreiche Staatsunternehmen wie den Stromkonzern Eskom, die Fluggesellschaft SAA und den Hafen- und Eisenbahnkonzern Transnet bis zum unmittelbar bevorstehenden Bankrott.

Zuma bereits in Haft

Zondo, derzeit ranghöchster Richter des Landes, verband seinen Report mit zahllosen Empfehlungen für politische Reformen oder administrative Verbesserungen. Außerdem regt der 61-jährige Jurist die strafrechtliche Verfolgung zahlreicher Mitglieder des kriminellen Netzwerks an, darunter auch des Ex-Präsidenten selbst. Zuma steht bereits wegen anderer Betrugsfälle vor Gericht und wurde kürzlich zum Absitzen seiner verbleibenden Haftstrafe von insgesamt 15 Monaten verdonnert, zu der er wegen seiner Weigerung, vor Zondos Untersuchungskommission auszusagen, verurteilt worden war.

Ramaphosa bezeichnete die offizielle Übergabe des ersten Teils des Abschlussberichts vor der Presse als "entscheidenden Moment im Bemühen unseres Landes, die Ära der Geiselnahme des Staats zu beenden und die Fähigkeit und Glaubwürdigkeit unserer Regierung und Institutionen wiederherzustellen". Der zweite und dritte Teil des Berichts sollen Ende Jänner und Ende Februar folgen.

Der Präsident dankte Zondo für seine "außergewöhnliche Anstrengung", die er "mit Hingabe, Entschlossenheit und Geduld" gemeistert habe. In den vier Jahren ihrer Tätigkeit hörte die Kommission in 400 Sitzungstagen 300 Zeugen und sammelte ein Petabyte (eine Million Gigabyte) an Daten. Diese sollen den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt werden. Die Arbeit der Untersuchungskommission kostete eine Milliarde Rand (rund 55 Millionen Euro): Höchstens eine Minderheit der Bevölkerung kritisiert dies als Geldverschwendung.

Das Gupta-Imperium

An der generalstabsmäßig geplanten Ausplünderung der Staatskasse waren außer männlichen und weiblichen Politikern und Staatsbeamten auch zahlreiche private Geschäftsleute aus dem In- und Ausland sowie internationale Wirtschaftsprüfungsunternehmen wie McKinsey oder Cain beteiligt. Im Zentrum des Netzwerks standen drei Brüder einer indischen Einwandererfamilie, der Guptas, die innerhalb weniger Jahre aus einem Schuhladen ein riesiges Geschäftsimperium aus Minen, IT-Unternehmen, einem Medienhaus und Beratungsfirmen gebildet hatten.

Regierungsabteilungen wurden dazu gedrängt, dem Gupta-Imperium öffentliche Aufträge, Werbeanzeigen oder "Kommissionen" für fragwürdige oder niemals geleistete Dienstleistungen zukommen zu lassen: Regierungsbeamte, die sich dem Druck von höchster Stelle widersetzten, wurden gefeuert. Im Johannesburger Anwesen der Guptas sollen Ministerposten vergeben und Reisetaschen voller Banknoten als Schmiergelder verteilt worden sein.

Brüder in den Emiraten

Der erste Teil des Zondo-Reports beschäftigt sich mit dem Hijacking der Fluggesellschaft SAA, der Aushöhlung der Steuerbehörde SARS, den Machenschaften des Gupta-Medienhauses "New Age" sowie der Finanzierung des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) mit illegalen Geldern. Der Bericht empfiehlt die Aufnahme von Strafverfahren unter anderen gegen die ehemalige Vorsitzende des SAA-Aufsichtsrats, Dudu Muyeni (eine enge Vertraute, manche meinen auch Geliebte Zumas), sowie gegen den ehemaligen SARS-Chef Tom Moyane und den jüngsten der Gupta-Brüder, Tony.

Alle drei Gupta-Brüder haben sich in die Vereinten Arabischen Emirate abgesetzt, Südafrika betreibt derzeit ihre Auslieferung. In dem Bericht wird außerdem die Etablierung einer von der Regierung unabhängigen Antikorruptionsbehörde, der Anti-Corruption Agency of SA (ACASA), sowie eine bessere Kontrolle der Parteienfinanzierung gefordert. Der Regierung selbst könne im Kampf gegen die Korruption "nicht vertraut" werden, schreibt Zondo.

Ramaphosa verpflichtete sich darauf, dem Parlament bis Ende Juni Vorschläge zu unterbreiten, wie die Empfehlungen des Berichts umgesetzt werden sollen. Der ANC will nach eigenen Angaben prüfen, wie der Report "den Prozess der fundamentalen Erneuerung und Neugestaltung" der Partei unterstützen könne. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 5.1.2022)