Wenn man nur nein sagen könnte: Des Lebens Süße nährt Illusionen, auch solche eines Politikwechsels.

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Nichts verblasst rascher als die Vorsätze, die jemand, Unerhörtes im Sinn, zu Silvester gefasst hat. Das tiefsinnige Rainer-Maria-Rilke-Wort – "Du musst dein Leben ändern!" – verflüchtigt sich mit der Wiederaufnahme alter Gewohnheiten rasch von selbst.

So sieht man die Granden der SPÖ aus Anlass einer ihrer vor Lebenslust überschäumenden Jänner-Klausuren demonstrativ nebeneinanderstehen: nachfeiertäglich ermattet (die Kekse, der Karpfen, der Kickl!), aber doch in demonstrativer Eintracht. Wie mit einer Stimme – der freilich das Timbre des burgenländischen Landeshaupt-Organs spürbar abgeht – fordern die Roten eine "neue, solidarische Wirtschaftspolitik". Gedacht wird an nichts Geringeres als ein Zusammengehen von (Sozial-)Staat und Industrie. In der Tat: Es muss etwas Erhebendes darin liegen, zum tausendsten Male die Quadratur des Kreises zu verlangen.

Meine mit einer herzlichen Rundlichkeit gesegnete Mutter verlangte von sich zu Neujahr mit eiserner Konsequenz, Kilos purzeln zu lassen. In den frühen Jahren der Reformära Bruno Kreiskys wurde nicht nur zu den Feiertagen getafelt, dass die Schwarten krachten. Mahlzeiten wurden bevorzugt im Lichte der Sättigung betrachtet. Was dann noch darüber hinausreichte, wurde bereitwillig in Kauf genommen.

Eingenähte Ärmel

Nicht ohne Staunen gewahrte ich, selbst ein dicklicher Babyboomer mit sorgfältig eingenähten Hemdsärmeln (der Blähhals!), dass die Harmonisierung verschiedener Erfordernisse in Widersprüche mündet. Je runder meine Mama wurde, als desto unattraktiver empfand sie sich, und desto einsilbiger wurde sie. Je frustrierter sie war, desto öfter verschwand sie in der Küche. Dort vertilgte sie heimlich jene Reste, die aufgrund gigantischer Futtermengen bei uns anfielen.

Irgendwann Mitte Jänner ließ Mama die Diät-Zügel wieder schleifen, und noch im tiefen Winter gab sie die hochsommerliche Badesaison offiziell verloren. Es waren Tage allgemeiner Trauer. Doch wer weiß, vielleicht richtet ja auch die SPÖ alle Hoffnungen auf die übernächsten Nationalratswahlen? (Ronald Pohl, 7.1.2022)