Unter anderem können auch Selfies in die selbstgebaute Tagebuch-App integriert werden.

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Jetzt ist das neue Jahr schon ein paar Tage alt, und so mancher wird sich fragen: Werde ich erreichen, was ich mir dieses Jahr vorgenommen habe? Und woran erkenne ich das überhaupt? Zugleich schwören diverse Lifestyle-Berater auf eine Praktik, die neudeutsch als "Journaling" bezeichnet wird: also das Dokumentieren von Ereignissen. Wer etwa seine besten Momente des vergangenen Tages festhält, so der Konsens, der ist sich seines schönen Lebens mittelfristig bewusster und somit glücklicher.

Es gibt nicht gerade wenige Journaling-Apps auf dem Markt – doch warum nicht selbst ein solches Tool für den Eigengebrauch basteln? Das ist mit dem Lowcode-Tool Appsheet möglich, das zumindest für den Eigengebrauch gratis ist. Der Clou: Appsheet nimmt herkömmliche Tabellen und übersetzt sie in ein grafisches Interface, über welches die Daten unterwegs bearbeitet werden können. Somit kann theoretisch jeder eine App bauen, der auch Tabellenprogramme beherrscht – Programmierkenntnisse sind nicht nötig.

So (oder auch ganz anders) kann die fertige App aussehen.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Die Daten können dabei allerlei sein, von Tabellen aus dem Web über Open-Data-Datensätze bis zu eben einem Tagebuch, in welchem man das eigene Leben dokumentiert. Im STANDARD-Test haben wir die verschiedenen Szenarien über Monate hinweg ausprobiert, zur Anwendung kamen dabei herkömmliche Google-Tabellen.

Die Basis: Daten in Google-Tabellen

Zu Beginn eines solchen Projekts muss man sich fragen: Was will ich eigentlich bauen? In unserem Fall ist das Ziel eine App, über die wir die folgenden Features abdecken wollen:

  • Eine Möglichkeit, täglich drei Highlights inklusive Foto des Tages und der aktuellen Stimmungslage zu dokumentieren
  • Eine To-do-Liste mit unseren geplanten Projekten für dieses Jahr
  • Eine Kalenderansicht, in der wir die Highlights des Jahres – etwa besondere Ausflüge – festhalten

Nun legen wir eine Tabelle in Google Drive an, bestücken diese (über den Plus-Button am unteren Bildschirmrand) mit insgesamt fünf Tabellenblättern, denen wir die folgenden Namen geben:

  • Tagebuch
  • Checkliste
  • Highlights
  • Emoji
  • Ja/Nein

Die ersten drei Punkte sind selbsterklärend, weil sie die zuvor erwähnten Funktionen der App abdecken. Die letzten beiden dienen diversen Features innerhalb der Funktionen – aber mehr dazu später.

Daten für die Checkliste

Nun gehen wir bei allen Tabellenblättern immer in der gleichen Form vor: Wir tragen in der ersten Zeile jene Faktoren ein, die in der fertigen App eine Rolle spielen sollen – zwecks besserer Übersicht habe ich die erste Zeile in meinen Tabellenblättern immer fett formatiert. In dem Tabellenblatt für die Checkliste habe ich nun zwei Felder: "To-Do" und "Erledigt?".

Foto: Der Standard/Stefan Mey

Während in der "To-Do"-Spalte immer die jeweiligen Vorhaben eingetragen werden, referenziert die "Erledigt"-Spalte auf das zuvor erwähnte Tabellenblatt mit dem Namen "Ja/Nein" – das klingt komplex, ist nachher aber sehr simpel. Das "Ja/Nein"-Tabellenblatt wird schließlich mit einfachen Optionen nach dem folgenden Schema befüllt.

Foto: Der Standard/Stefan Mey

Daten für die Highlights

Relativ frei gestalten kann man die geplante "Highlights"-Funktion – denn Appsheet ermöglicht es zum Beispiel, innerhalb der App Skizzen anzufertigen oder Fotos vom Handy hochzuladen. Beides sind nette Features, wenn man sich an einen netten Tag erinnern will. Jedenfalls brauche wir aber ein Datumfeld, damit der entsprechende Eintrag nachher auch in der Kalenderansicht zugeordnet werden kann.

Ich habe bei mir daher in der ersten Zeile die Pflichtfelder "Datum" und "Ereignis" (also die Beschreibung von dem, was eigentlich passiert ist) angelegt. Hinzu kommen die Felder "Ich fühle mich ..." (in dem ich meine Gefühlslage am jeweiligen Tag beschreibe), "Zeichnung" (für das Anfertigen von Handzeichnungen) und "Foto-Upload".

Daten für das Tagebuch

Im Datenblatt "Tagebuch" ist ebenfalls das Datumfeld verpflichtend – sowie drei Textfelder, in denen die drei jeweils schönsten Momente des Tages festgehalten werden. Außerdem gibt es auch hier wieder eine Möglichkeit zum Foto-Upload.

Foto: Der Standard/Stefan Mey

Eine besondere Rolle nimmt hingegen die Spalte "Ich fühle mich ..." ein. Hier sollen die Emotionen nämlich über Buttons festgelegt werden – und dazu referenziert man, ähnlich wie bei der Checkliste, auf das Tabellenblatt mit dem Namen "Emoji".

Dieses wiederum schnappt sich die nötigen Bilder via Links von der Emojipedia und ist folgendermaßen aufgebaut:

Foto: Der Standard/Stefan Mey

Der Einstieg in Appsheet

So, nun aber genug von den Tabellen! Jetzt können wir beginnen, diese in eine App zu verwandeln. Dazu klicken wir im Menü der Google-Tabellen auf "Extensions", "Appsheet" und "Create an App" – schon befinden wir uns in dem besagten Programm, das uns rasch mit all seinen Funktionen erschlagen kann.

Zur Orientierung: Am rechten Bildschirmrand sieht man eine Vorschau der App, links gibt es ein Menü mit verschiedenen Funktionen, das wichtige Geschehen spielt sich in der Mitte des Bildschirms ab. Im Menü kann man die ersten beiden Punkte "Home" und "Info" am Anfang getrost ignorieren, auch weiter unten angeführte Punkte wie "Behavior" und "Automation" sind am Anfang nicht wichtig. Für die ersten Schritte geht es vor allem um zwei Punkte: "Data" (für das korrekte Zuordnen der Daten) und "UX" (für das Erstellen des eigentlichen User Interfaces).

Daten in Appsheet richtig zuordnen

Mit dem Menüpunkt Data/Tables werden die einzelnen Tabellenblätter nun zu Appsheet hinzugefügt. Die Tabellenspalten müssen anschließend den entsprechenden Funktionen in der App zugeordnet werden. Dies geschieht über den Menüpunkt Data/Columns und muss für jedes Tabellenblatt einzeln erledigt werden. Exemplarisch sei hier die Zuordnung für das Tabellenblatt "Tagebuch" angeführt, da es von allen das komplexeste ist.

Foto: Der Standard/Stefan Mey

Hier kann über die entsprechenden Checkboxen festgelegt werden, ob die Daten einer Spalte in einer App überhaupt angezeigt werden, ob sie in der App editierbar sein sollen und ob sie eine Voraussetzung dafür sind, dass ein Datensatz überhaupt über die App angelegt werden kann.

Außerdem kann der Datentyp für die jeweilige Spalte festgelegt werden – hier gibt es in einem Dropdown-Menü etliche Optionen, "Text" ermöglicht etwa die Eingabe von Text in der App, "Image" erlaubt den Upload eines Fotos. Wer die Option "Ref" anwählt, der ermöglicht das Referenzieren auf ein anderes Tabellenblatt, in unserem Fall also das Emoji-Tabellenblatt.

Das UX der App in Appsheet festlegen

Nun beschließen wir, wie die Daten überhaupt dargestellt werden sollen. Zu diesem Zweck wechseln wir auf den Menüpunkt UX/Views. Exemplarisch sei hier die Verwaltung der "Highlights"-Daten angezeigt.

Foto: Der Standard/Stefan Mey

Hier legen wir fest, wie der Menüpunkt in der fertigen App heißen soll, welches Tabellenblatt verwendet wird und in welcher Form die Daten dargestellt werden sollen. Die Bandbreite ist hier recht groß und vom eigenen Geschmack und den hinterlegten Daten abhängig: Wer eine Datumspalte in seiner Tabelle hat, der kann die Kalenderansicht verwenden; wer Geodaten in seiner Tabelle hat, der kann die Daten auf einer Karte darstellen.

Basierend auf der Darstellungsform gibt es verschiedene Einstellungen, die sich aus dem jeweiligen Kontext ergeben. Hier gilt, so wie eigentlich generell bei der Verwendung dieses Tools: Ausprobieren, Scheitern, noch einmal versuchen. Man kann nicht viel kaputtmachen – aber es kann durchaus Freude bereiten, die verschiedenen Möglichkeiten dann in der fertigen App auszuprobieren.

Appsheet-App herunterladen

So, nun war es das schon beinahe. Nun geht es nur noch darum, die App auf das eigene Smartphone zu bringen. Dies geschieht einfach, indem man die Appsheet-App im jeweiligen Store herunterlädt und sich anschließend mit seinem Google-Account anmeldet.

Privatuser sollten sich mit diesem Punkt zufriedengeben. Denn das ist der große Knackpunkt mit Appsheet: Wer wirklich eine Standalone-App mit mehreren Usern veröffentlichen will, der muss eine monatliche Abogebühr zahlen. Wir selbst hatten in diesem Kontext eine Dienstplan-App für das Team des Webstandard angedacht, den Plan aus Kostengründen dann aber wieder gestrichen.

Mehr Daten, mehr Möglichkeiten

War das nun alles? Mitnichten. Denn wie eingangs erwähnt, haben wir ja monatelang mit diesem Tool experimentiert – und dabei zahlreiche Szenarien entdeckt, die sich aus dem Nutzen verschiedener Daten ergeben.

So ist es etwa möglich, Daten von x-beliebigen Tabellen aus dem Internet zu saugen, indem eine entsprechende Formel im A1-Feld des Tabellenblatts eingegeben wird. Nehmen wir etwa an, Sie wollen alle Romane des Autors Stephen King in einer Tabelle auflisten und anschließend in eine App integrieren. Dann würde sich die folgende Formel anbieten, über welche die Daten anschließend von Wikipedia bezogen werden.

=importhtml("https://en.m.wikipedia.org/wiki/Stephen_King_bibliography", "table", 2)

In einem anderen Fall habe ich von data.gv.at mit einer Formel (=ImportJSON("https://data.wien.gv.at/daten/geo?service=WFS&request=GetFeature&version=1.1.0&typeName=ogdwien:SCHWIMMBADOGD&srsName=EPSG:4326&outputFormat=json")) die aktuelle Bäderampel der Stadt Wien importiert – das erfordert jedoch noch ein wenig weitere Tüftelei, die den Rahmen dieses Artikels sprengen würde. Nur so viel sei gesagt: Im vergangenen Sommer war die Funktion äußerst nützlich.

Auf die gleiche Art lassen sich auch Events der Stadt Wien (=IMPORTFEED("http://www.wien.gv.at/vadb/internet/AdvPrSrv.asp?Layout=rss-vadb_neu&Type=R&hmwd=d&vie_range-from=04.01.2022&vie_range-to=22.06.2022", "items", "true", 250)) und die Badetemperaturen von Wiener Badeplätzen (=importjson("https://data.wien.gv.at/daten/geo?service=WFS&request=GetFeature&version=1.1.0&typeName=ogdwien:BADESTELLENOGD&srsName=EPSG:4326&outputFormat=json")) integrieren. Und natürlich sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt, wenn es um das Einpflegen eigener Daten geht.

Fazit: Ein nettes Tool für Menschen, die nicht coden können

Summa summarum ist Appsheet somit ein nettes Tool, um nützliche Apps für den Eigengebrauch zu erstellen, und zwar ohne Kosten oder Programmierkenntnisse. Das hier angeführte Vorgehen ist dabei nur ein Beispiel, im Grunde sind Möglichkeiten nahezu endlos – sofern man genug Zeit, Geduld und Datenmaterial bei der Hand hat. (Stefan Mey, 7.1.2021)