Am 24 Jänner jährt sich Amedeo Modiglianis Todestag zum 102. Mal. Die Corona-bedingt verschobene Großausstellung in der Albertina, die 80 seiner neben Werken von Pablo Picasso, Constantin Brâncuși und André Derain zeigt, schließt bereits mit Sonntag. Aus wirtschaftlicher Sicht wird die Bilanz nicht rosig ausfallen. Vor der Pandemie hätte man vielleicht 450.000 Besucher gezählt.

300.000 war der 2020 von Klaus Albrecht Schröder genannte Wert, um das finanzielle Risiko einer solchen Ausstellung zu tragen. Die Kosten bezifferte der Direktor der Albertina mit fast 2,5 Millionen Euro: der Transporte der Leihgaben (USA, China, Russland u. a.) und vor allem der Versicherungswerte von weit über 100 Millionen Euro für einzelne Gemälde wegen.

Mit 200.000 bis 250.000 Besucher wären die Kosten gedeckt, revidierte Schröder seine Kalkulation jüngst. Dann kam ein neuerlicher Lockdown. Die daraus resultierenden Mindereinnahmen bezifferte er im Kurier-Interview mit bis zu 1,5 Millionen Euro.

Trostpflaster

Der im Dezember gewährte vierte Zuschuss aus dem Covid-Krisenbewältigungsfonds fiel mit 500.000 Euro folglich in die Kategorie Trostpflaster. Anfang der Woche hielt man bei 180.000 Besuchern. Eine Verlängerung der Schau ist aufgrund der ihr nachfolgenden Munch-Ausstellung (ab 18. 2.) nicht möglich.

Ob und welche Auswirkungen die Präsentation in Wien auf den Kunstmarkt haben wird, wird sich zeigen. Das eine oder andere hier gezeigte Werk aus einer Privatsammlung könnte schon bald im Angebot eines internationalen Auktionshauses auftauchen. Denn Werke Modiglianis sind hoch im Kurs, gelangen jedoch vergleichsweise selten auf den Markt.

Wertsteigerung

Zeitgleich war die Preisentwicklung in den vergangenen 15 Jahren enorm, wie das Beispiel einer klassischen Modigliani-Nackedei belegt: 2003 gelangte der liegende Akt aus dem Jahr 1917 erstmals bei Christie’s in New York zur Versteigerung und wechselte für rund 27 Millionen US-Dollar den Besitzer. Im Mai 2018 erzielte dasselbe Bild bei Sotheby’s mehr als 157 Millionen US-Dollar.

Wie jetzt publik wurde, waren die Provenienzangaben im Sotheby’s-Katalog unvollständig. Den Hinweis liefert die in den Kinos angelaufene Dokumentation The Lost Leonardo, in der auch die Sammlung des russischen Oligarchen Dmitri Rybolowlew Thema ist. Der Milliardär besaß mehrere Werke Modiglianis, darunter eben nachweislich auch dieses. Gesichert scheint jedenfalls, dass der von der Albertina beauftragte Kurator Marc Restellini mit dieser Ausstellung seinen Ruf als Modigliani-Experte ausgebaut haben wird. Einige seiner Gutachten gelten jedoch in der Branche als umstritten. Sie stehen teilweise im Widerspruch zum Werkverzeichnis des verstorbenen Ambrogio Ceroni, dessen Publikationsreihe (1958 bis 1970) als wichtigste Standardliteratur gilt.

Fälschungsverdacht

Manchen darin verzeichneten Werken spricht Restellini nun die Modigliani-Autorenschaft ab. Andere, die nicht von Ceroni erfasst wurden, bewertet der Franzose wiederum als echt. Dazu gehört etwa das auf 1919 datierte Porträt eines jungen Mannes, das den Katalog und die Plakate jener Ausstellung in Genua 2017 schmückte, bei der italienische Behörden 21 mutmaßliche Fälschungen beschlagnahmten.

Digitale Fusion: das "Porträt eines jungen Mannes" aus dem Guggenheim Museum (oberhalb) und die Fassung aus unbekanntem Privatbesitz (unterhalb) gleichen einander frappant.
Foto: www.secretmodigliani.com

Dem "Coverboy" blieb eine Sicherstellung aufgrund des Restellini-Gutachtens erspart. Zweifler weisen jedoch auf die frappante Ähnlichkeit zu einem Porträt im Bestand des Guggenheim-Museums (New York) hin. Ordnet man digitale Aufnahmen der beiden Bilder übereinander an, wirken sie fast wie Kopien voneinander. Fast zu exakt.

Neues Werkverzeichnis

Das Werk aus einer unbekannten Privatsammlung gehört zu einer Gruppe von 80, die Restellini in das seit vielen Jahren angekündigte Werkverzeichnis aufnehmen wird. Nach einiger Verzögerung, zu der auch ein in den USA gerichtsanhängiger Disput rund um Rechte an seiner Modigliani-Forschung mit dem Wildenstein-Plattner-Institut beiträgt, soll es heuer bei Yale University Press erscheinen.

Bei etwa 20 Neueinträgen wird in der Ausstellungsvita nun auch Wien als Station angeführt sein. Das einzige Modigliani-Bild, das in der Albertina weiterhin die Stellung hält, ist der Weibliche Halbakt aus der Sammlung Batliner. Er bekam jüngst einen geschnitzten Barockrahmen aus dem 17. Jahrhundert, wie der deutsche Rahmenspezialist Murrer auf Instagram öffentlich machte. Den Anschaffungspreis will die Albertina nicht nennen. 15.000, vielleicht 20.000 Euro, meinen Fachleute. Für eine Neuanfertigung nach historischem Vorbild wäre beim Wiener Traditionsrahmenmacher Bühlmayer etwa die Hälfte angefallen.

Modiglianis "Weiblicher Halbakt" aus der Sammlung Batliner: Das Gemälde aus dem Jahr 1918 bekam jüngst einen italienischen Barockrahmen aus dem 17. Jahrhundert.
Foto: Albertina Youtube, Sammlung Batliner

Modiglianis "Weiblicher Halbakt" aus der Sammlung Batliner: Das Gemälde aus dem Jahr 1918 bekam jüngst einen italienischen Barockrahmen aus dem 17. Jh. Er ist aus Pappelholz geschnitzt, die ursprüngliche Silberfassung ist kaum noch vorhanden. (ALBUM, Olga Kronsteiner, 8.1.2022)