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Methicillin-resistente Staphylococcus-aureus-Bakterien auf einer elektronenmikroskopischen Aufnahme. Diesem gefährlichen Keim ist nur sehr schwer beizukommen.
Foto: REUTERS/NIAID

Im Kampf gegen bakterielle Infektionen ist das Waffenarsenal der Medizin mittlerweile deutlich ausgedünnt. Der Großteil der Antibiotika vermag heute kaum mehr etwas gegen die multiresistenten Keime auszurichten, die in den Krankenhäusern kursieren. Eines der bekanntesten und gefürchtetsten "Superbugs" ist Staphylococcus aureus, denn die multiresistente Form des Bakteriums wurde in den vergangenen Jahrzehnten zu einem immer größeren Problem. Nun zeigt sich, dass ein spezieller S.-aureus-Typ seine Zähigkeit schon lange vor der Einführung von Penicillin in Igeln erworben hat.

Überraschender Befund

Bekannt ist der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) bereits seit rund 60 Jahren. Den neuen Analysen der Wissenschafter um den Erstautor der "Nature"-Studie, Jesper Larsen vom Statens Serum Institut in Kopenhagen (Dänemark), zufolge hat sich eine solche Resistenz aber schon deutlich früher entwickelt. Beteiligt an der Arbeit, die die genetische Geschichte des Bakteriums durchleuchtete, waren neben Forschern aus Großbritannien auch Igor Loncaric von der Veterinärmedizinischen Universität Wien und Heidrun Kerschner vom Ordensklinikum Linz Elisabethinen.

Der Ausgangspunkt für die weitreichende Studie war die überraschende Erkenntnis, dass bis zu 60 Prozent der Igel, die in Dänemark und Schweden untersucht wurden, den resistenten S.-aureus-Typ mecC-MRSA trugen. Im Zuge der anschließenden Analysen stellte sich heraus, dass dies bei Tieren von Europa bis Neuseeland der Fall war, berichten Forscher der University of Cambridge (Großbritannien).

Keine Angst vor den Igeln!

Die Wissenschafter betonen freilich, dass es dennoch keinen Grund gibt, sich vor den Igeln zu fürchten. "Obwohl dieser Befund für uns neu ist, tragen die Igel dieses Bakterium seit mindestens 200 Jahren, ohne beim Menschen größere Infektionen zu verursachen," erklärt Igelexpertin und Co-Autorin der Studie, Sophie Lund Rasmussen von WildCRU, University of Oxford. Daher lautet ihr Rat, den Igeln im heimischen Garten keineswegs mit Angst sondern respektvoll gegenüber zu treten, aber (wie beim Umgang mit allen Wildtieren) auf eine gute Handhygiene bei einem etwaigen Kontakt zu achten – sowohl den Igeln zuliebe als auch uns selbst.

Problem für Mensch und Tier

In etwa eine von 200 MRSA-Infektionen ist auf mecC-MRSA zurückzuführen. Der Erreger stelle somit ein durchaus großes Problem für Menschen und Nutztiere dar, so die Wissenschafter. Sie analysierten insgesamt über tausend S.-aureus-Proben von Igeln und anderen Tieren. Die Untersuchungen der spezifischen Gene, die mecC-MRSA so widerstandsfähig machen, weisen demnach darauf hin, dass sich dieser Typ schon von rund 200 Jahren in Igeln entwickelt haben muss.

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Lange vor der Entdeckung von Antibiotika existierten schon multiresistenten Keime. Im Fall von Staphylococcus aureus spielten Igel eine entscheidende Rolle bei ihrer Entstehung.
Foto: REUTERS/Russell Cheyne

Diese Tiere werden oft von einem Pilzparasiten namens Trichophyton erinacei heimgesucht. Der Mitbewohner auf der Igelhaut produziert zwei natürliche Antibiotika. Mit diesen Substanzen musste sich S. aureus also herumschlagen, um sich in der Igelpopulation zu halten. Die Forscher gehen davon aus, dass diese direkte Koexistenz mit einem Antibiotikaproduzenten zu ursprünglichen Entwicklung der Resistenz geführt hat.

Doch kein modernes Phänomen?

Diese Entwicklung hat sich also schon lange vor der mittlerweile vielfach unkontrollierten Verwendung von Antibiotika in der Medizin und Viehzucht zugetragen. "Unsere Studie legt nahe, dass es nicht die Verwendung von Penicillin war, die zur Bildung von MRSA geführt hat. Es war ein natürlicher Prozess", so Ewan Harrison von der University of Cambridge. Von der Haut der Igel sprang der Erreger dann irgendwann auf Menschen und Nutztiere über.

Das rüttle an der Annahme, dass solche Resistenzen vor allem ein moderneres Phänomen sind. Das ändert freilich nichts an der Tatsache, dass der unreflektierte und oft unnötige Missbrauch der wichtigen Arzneien die Wahrscheinlichkeit des Auftretens weiterer multiresistenter Keime erheblich steigert. Denn es gibt vermutlich viele Erreger in der Natur, die dagegen gewappnet sind. Je mehr also Antibiotika eingesetzt werden, umso größer ist deren Überlebensvorteil gegenüber harmloseren Varianten. Die Arbeit sei daher ein Warnsignal, die Medikamente künftig sorgfältiger einzusetzen, so die Wissenschafter. (red, APA, 7.1.2022)