Neos-Mediensprecherin Brandstötter verlangt für Regierungswerbung "unabhängige Kontrolle, ob die jeweilige Kampagne tatsächlich im öffentlichen Interesse ist".

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Wien – Das neue Jahr beginnt mit einer neuen Medienministerin – und einer Reihe großer Themen und Forderungen, insbesondere nach einer Reform der Medienförderungen und der Inserate öffentlicher Stellen. Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter hat im STANDARD-Interview zweckdienliche Hinweise – auch für Maßnahmen gegen Fake News – für die künftige Medienministerin Susanne Raab (ÖVP), die noch formell mit dem Thema betraut wird.

2021 endete mit einem Drei-Parteien-Antrag von Neos, SPÖ und FPÖ für eine grundlegende Reform dieser öffentlichen Gelder. Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter verlangte zudem öffentliche Maßnahmen gegen Fake News. Zum Thema gehören für Brandstötter durchaus auch Programme von Servus TV.

STANDARD: Sie haben im Dezember im Nationalrat mit einem unselbstständigen Entschließungsantrag einen Drei-Punkte-Plan für Maßnahmen gegen Fake News vorgeschlagen – und neben den Neos hat nur die SPÖ dafür gestimmt. Wozu die Übung?

Brandstötter: Ich wollte, dass die anderen Parteien Farbe bekennen zu drei recht einfachen Forderungen: Medienkompetenzunterricht an Schulen, Medienförderung für Faktencheck-Organisationen und ein allgemein anerkanntes Gütesiegel für journalistische Sorgfalt.

STANDARD: Wer soll denn ein solches Gütesiegel vergeben?

Brandstötter: Die Idee dahinter: Ich muss mich – vor allem online – darauf verlassen können, dass das ein journalistisches Medium ist, das nach klaren Qualitätskriterien arbeitet. Oder ob es nur so tut, als ob – das fällt vielen Menschen schwer zu unterscheiden. Als Onlineshopperin schaue ich auch, ob ein Anbieter ein Trusted Shop ist. Und wenn wir es schaffen, dass die Medienförderung des Bundes neu aufgestellt wird, dann sollte sie nach meinen Vorstellungen nach genau denselben Kriterien vergeben werden.

STANDARD: Was sind Kriterien für: Das ist ein Medium, jenes nicht?

Brandstötter: Das sollten Basiskriterien sein wie Mitgliedschaft beim Presserat oder einem vergleichbaren anerkannten Selbstkontrollorgan; Quellennachweise; Redaktionsstatut; klare, nachweisliche Trennung zwischen Redaktion und Anzeigen; angestellte Journalistinnen und Journalisten, gerne bezahlt nach deren Kollektivvertrag. Das sind klare Qualitätskriterien.

STANDARD: Im Dezember haben ÖVP, Grüne und FPÖ nicht für Ihren Antrag zu Fake News gestimmt. Mir scheinen jedenfalls die Grünen inhaltlich nicht abgeneigt – die drängen ja etwa auf eine Reform der Medienförderung mit sehr ähnlichen Zielen. Und vielleicht können sie ja auch ihren Regierungspartner doch noch dazu motivieren.

Brandstötter: Ich denke, das muss allen medienpolitisch interessierten Menschen in allen Parteien ein Anliegen sein. Insofern habe ich mit Menschen aus allen Parteien immer wieder gute Gespräche – aber vor allem die ÖVP war medienpolitisch in den letzten Jahren immer recht desinteressiert, oder sagen wir mal: Sie haben sehr spezifische eigene Ziele verfolgt. Das Abschieben der Medienpolitik ins Frauenministerium ist jetzt auch nicht gerade eine Aufwertung. Bei den Grünen hat mir allerdings zuletzt auch die Entschlossenheit gefehlt. Für mich sind Fake News, gezielte Desinformation, das wichtigste medienpolitische Thema – neben einer Neuaufstellung der Medienförderungen und der Regierungswerbung. Wir müssen darüber reden, und das sage ich als Liberale, ob man nicht die großen Plattformen viel strenger regulieren oder sie sogar aufspalten muss. Diese Marktmacht ist brandgefährlich, und Quasimonopole bremsen Innovation und Weiterentwicklung. Auf EU-Ebene gibt es da erste Initiativen.

STANDARD: Der Presseclub Concordia hat gerade eine Sachverhaltsdarstellung über falsche oder irreführende Darstellungen auf Servus TV und insbesondere im Wochenkommentar des Senderchefs Ferdinand Wegscheider an die Medienbehörde gesandt. Wie sehen Sie denn Servus TV?

Brandstötter: Schwierig. 2020 hat der Sender fast drei Millionen Euro Bundesförderung bekommen. Was Wegscheider dort macht, ist hinterhältig. Das ist vor allem auch deshalb hinterhältig, weil das ganz klassisches Fernsehen ist, mit wirklich tollem Programm. Das sieht sich auch Mutti an. Und zwischendurch kommt dort aber "Talk im Hangar-7" und "Der Wegscheider", getarnt als Fragen stellende Satire. Das ist kein schwummriger Youtube-Kanal. Interessant fand ich auch die Reaktion auf die Concordia-Beschwerde, geliehen von Sebastian Kurz: "Sie sagen schon, Wegscheider muss weg." Das ist ein Spiel mit dem Feuer.

STANDARD: Sollte die Republik Servus TV die Privatrundfunkförderung verweigern? Für "Der Wegscheider" bekommt Servus TV keine Förderung.

Brandstötter: Der Milliardär Dietrich Mateschitz könnte vermutlich gut auf bis zu drei Millionen Förderung verzichten. Seine Lieferanten für Red Bull vielleicht schon weniger auf Agrarförderungen für Zuckerrübenanbau. Mir ist viel wichtiger zu sagen: Schau dir einmal an, welches gefährliche Spiel du hier treibst. Und damit die Menschen auch darauf nicht hereinfallen, braucht es Medienkompetenz-Unterricht und so viele Faktencheck-Kapazitäten wie nur möglich.

STANDARD: Bekäme Servus TV aus Ihrer Sicht das Gütesiegel?

Brandstötter: Vermutlich nicht. Wir bräuchten übrigens auch eine Art Presserat für TV-Sender.

STANDARD: Und eine Medienförderung nach den Vorstellungen der Neos wäre ein Gesamtkonzept über alle Mediengattungen statt Presseförderung, Privatrundfunkförderung kommerziell und nicht kommerziell, künftig auch Digitaltransformationsförderung?

Brandstötter: Ja, unter Berücksichtigung medienspezifischer Kriterien – Fernsehen ist nun einmal personalintensiver als Radio. Und bei der Gelegenheit könnte man natürlich auch die Mehrwertsteuer für Abos streichen.

STANDARD: Eine – inoffizielle – Medienförderung wäre da noch: die – auch im internationalen Vergleich sehr hoch dotierten und boulevardlastigen – Inserate öffentlicher Stellen. SPÖ, FPÖ und Neos haben ebenfalls im Dezember einen Entschließungsantrag zur Reform vorgelegt, der nun im Verfassungsausschuss behandelt wird.

Brandstötter: Ich bin gespannt, ob ÖVP und Grüne das – in der Umfrage- und Inseratenaffäre so überdeutlich und dringlich vor Augen geführte – Thema nun ernsthaft angehen oder im Ausschuss schubladisieren. Das wird auch ein zentrales Thema für den Untersuchungsausschuss ab März 2022. Ich hoffe auch auf Druck der Medien.

STANDARD: Was wollen die Neos ?

Brandstötter: Wir sehen, dass der Markt für Journalismus, wie er sein sollte, nicht oder nicht mehr funktioniert, wie das in der Vergangenheit der Fall war. Wir wollen einen diversen Medienmarkt und sehen, dass wir ihn fördern müssen, um Medienqualität und -vielfalt zu erhalten. Dazu gehört aber eine grundlegende Neuregelung der Werbung der Regierung und öffentlicher Stellen insgesamt – da soll sich jeder gemeint fühlen, vor allem die Länder.

STANDARD: Wie sollte Werbung öffentlicher Stellen geregelt werden? Da kann man sich grob an dem Antrag von Neos, SPÖ, FPÖ orientieren?

Brandstötter: In den Grundlinien ja: Nachhaltige und deutliche Reduktion des Werbevolumens öffentlicher Stellen, echte Transparenz über die Buchungsdaten ohne Schlupflöcher, echte und unabhängige Kontrolle, ob die Anforderungen des Medientransparenzgesetzes auch eingehalten werden – zum Beispiel öffentliches Informationsinteresse. Und unabhängige Kontrolle, ob die jeweilige Kampagne tatsächlich im öffentlichen Interesse ist. (Harald Fidler, 8.1.2022)