"Party machen" wollten zwei Jugendliche im populären Lokal Flex. Geld für den Eintritt hatten sie nicht, weshalb ein Raubplan entstand, der sie nun vor Gericht brachte.

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Wien – "Was tun?", lautete eines der drei Leitmotive der Documenta 12, und auch Verteidiger Florian Kucera stellt die Frage im Laufe des Gerichtsverfahrens gegen Marcel und Daniel mehrmals in leicht abgewandelter Form. "Was kann man tun?", überlegt er vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Daniela Zwangsleitner. Was kann man tun, um den beiden bisher unbescholtenen 17-Jährigen, die am 21. August am Donaukanal einen schweren Raub begangen haben sollen, den Weg in ein geordnetes Leben zu weisen?

Laut Staatsanwältin Kerstin Wagner-Haase soll Daniel an diesem Tag die Idee gehabt haben, "jemanden meier zu machen", um zu Geld zu kommen. Seinem Freund Marcel habe er sinngemäß vorgeworfen, keine Gonaden zu haben und sich nicht zu trauen. Worauf Marcel in der Nähe des Lokals Flex einem 23-jährigen Deutschen ein Springermesser vorhielt und Bargeld forderte. Die Beute: 75 Euro.

Joint nach dem Aufstehen zur Mittagszeit

Erstangeklagter Marcel bekennt sich vollinhaltlich schuldig, ganz so, wie es in der Anklage steht, sei es aber nicht gewesen, erklärt der Arbeiter dem Gericht. Daniel und eine gemeinsame Freundin hätten an dem Tag bei ihm geschlafen, gegen Mittag erfüllte man das Wien-Klischee von Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP): Man stand auf und rauchte sich einmal einen Joint an. Die Abendunterhaltung sah einen Besuch im Flex vor, allein, den Teenagern mangelte es am Eintrittsgeld von 18 Euro pro Person.

"Irgendwie haben wir dann gesagt: ,Mach ma wen meier, damit ma ins Flex gehen können?'", erinnert Marcel sich. "Wie kommt man auf die Idee?", fragt Zwangsleitner nach. "Man könnte doch auch schnorren. Das geht leichter, ich habe gerade einen Akt, da hat jemand in kurzer Zeit 55 Euro zusammenbekommen." – "Das war erst Spaß", behauptet der Erstangeklagte.

Aus dem Ernst wurde. Zunächst organisierte sich Marcel bei einem Zwischenstopp bei einem weiteren Freund dessen Springermesser. "Warum nehmen Sie ein Messer zum Flex mit? Das braucht man dort doch eigentlich nicht?", wundert sich die Vorsitzende. "Ich nehme es nur mit zu Orten, wo mir selbst was passieren könnte", versucht Marcel zu erklären. "Ehrlich, dann geh ich dort nicht hin, wenn ich mich bewaffnen muss", kann Zwangsleitner der Argumentation nicht folgen.

Alkohol bei Tankstelle gestohlen

Vor dem Lokalbesuch besuchte das Duo noch eine nahe Tankstelle. "Dort haben wir uns Schnaps besorgt", verrät der 17-Jährige. "Wie? Gekauft oder einfach mitgenommen?", fragt die Vorsitzende. "Einfach mitgenommen", gesteht Marcel nach kurzem Zögern ein. Die Flasche wurde geleert, dann machte man sich auf den Weg zum Lokal – Geld hatte man noch immer keines. Daniel habe ihm aber keine fehlenden Hoden vorgeworfen: "Genauso hat er es nicht gesagt. Aber es hat sich so angefühlt", erinnert Marcel sich an seine gekränkte Ehre. "Ich mach das jetzt", habe er gesagt, während Daniel sich entfernte, um mit einer Gruppe Jugendlicher zu plaudern.

Die Geschichte ist die mittlerweile dritte Version, die Marcel erzählt, hält Zwangsleitner ihm vor. Er wurde kurz nach dem Überfall von der Polizei festgenommen, in der ersten Einvernahme sprach er noch davon, Tschetschenen hätten ihn dazu genötigt. Diese Darstellung widerrief er, beim zweiten Verhör sagte er, Daniel habe ihn beinahe angefleht, ihm Geld für Drogen zu besorgen, und ihn so angestiftet. Die Eintrittsgelder ins Flex erwähnte er nicht. "Ich habe in der Zeit Drogen genommen, relativ viel Alkohol getrunken und nur Scheiße gebaut", bedauert der Erstangeklagte.

Sein Verteidiger Kucera arbeitet noch einen anderen Aspekt heraus: Ein guter Freund von Marcel hatte sich kurz vor der Tat selbst getötet. Und mittlerweile habe sein Mandant eine Arbeitsstelle und mache eine Psychotherapie, den Kontakt zu Daniel habe er abgebrochen.

Stanleymesser im Donaukanal entsorgt

Zweitangeklagter Daniel, vertreten von Bernhard Hofer, bekennt sich dagegen nicht schuldig. Es habe keine konkreten Überlegungen zu einem Raubüberfall gegeben, behauptet er. Gleichzeitig gibt der Teenager zu, in der Wohnung, in der Marcel das Springermesser bekam, ein Stanleymesser eingesteckt zu haben. Das habe er dann aber vor der Tat im Donaukanal entsorgt, da er nicht mehr mitmachen wollte. Angestiftet habe er den anderen jedenfalls sicher nicht.

Allzu dick scheint die Freundschaft zwischen den Burschen nicht gewesen zu sein: Daniel registrierte damals, dass Marcel vor Polizisten davongelaufen sei, habe sich aber wenig dabei gedacht. "Weil wir Party machen wollten!", argumentiert er. Tatsächlich habe er sich dann Geld von Passanten erbettelt und sei "bis in die Früh" ins Flex gegangen. Er habe ein Drogenproblem und einen stationären Therapieplatz in Aussicht, gesteht der Zweitangeklagte noch zu.

Was kann das Gericht also tun? In diesem Fall entscheidet es sich für bedingte Haftstrafen. Marcel, der zusätzlich noch wegen eines versuchten Diebstahls im Oktober verurteilt wird, erhält 18 Monate, Daniel wird nicht als Anstifter, sondern als Beitragstäter zu 15 Monaten bedingt verurteilt. Zusätzlich erhalten die beiden Bewährungshilfe, Marcel muss die Psychotherapie fortsetzen, dem Zweitangeklagten wird die Weisung erteilt, sich einer stationären Entzugstherapie zu unterziehen, alle Entscheidungen sind rechtskräftig. "Machen Sie was aus Ihrem Leben. Wir wollen Sie hier nicht wieder sehen", verabschiedet Zwangsleitner die jungen Delinquenten. (Michael Möseneder, 7.1.2022)