KONZERT

Wien – Nach fünf ungeplanten Schließtagen wird an der Wiener Staatsoper wieder klangschön und stimmkräftig geliebt und gestorben. Im Fall von La Bohème bereits zum 444. Mal im zauberhaften Ambiente von Franco Zeffirelli. Muss Violetta Valéry in Simon Stones Traviata-Inszenierung in spiegelglatten Instagram-Welten ihrem Ende entgegenhusten, so präsentiert der italienische Regiegroßmeister die Schwindsucht-Metropole Paris von ihrer malerischen Seite.

Nicole Car ist in dieser Aufführungsserie eine rührende Mimì: die Bescheidenheit in Person. Auf bedächtige Weise, mit weichem, verdecktem Sopran, gibt die Australierin am Dreikönigstag die arme Stickerin. Ihr Angebeteter Rodolfo ist eher von der forschen Sorte: Saimir Pirgu liebt es, die Druckkraft seines Tenors zu demonstrieren – etwas zu sehr und zu oft. Dabei hätte der routinierte Albaner die Fähigkeit zu vokaler Elastizität, zu einer nuancierten Erzählweise.

Straff und energisch geht Eun Sun Kim die Dinge an. Die 41-jährige Koreanerin, Musikdirektorin der San Francisco Opera, hat alles tipptopp im Griff; ihre weiträumigen Gesten treiben das Staatsopernorchester zu unfreundlicher Lautstärke an. Grundsätzlich spielt das Orchester aber einfach zum Niederknien: diese Wattewolken an Zärtlichkeit beim Auftritt Mimìs ... Überzeugender bei den spitzen Tönen als in der lyrischen Kurvenlage: Slávka Zámecnikovás Musetta; spielfreudig die Künstler-WG mit Martin Häßler (Schaunard), Ryan Speedo Green (Colline) und dem vokal formidablen Etienne Dupuis (Marcello).

Die gelockerten Quarantäneregeln werden der Staatsoper helfen, dennoch wird es eine Herausforderung sein, den Spielbetrieb bei Omikron-Welle aufrechtzuerhalten. Applaus für jeden Tag, an dem dies gelingt. (sten) Wieder am 9., 12. und 16. 1., mit Benjamin Bernheim als Rodolfo. Am 12. und 16. singt Vera-Lotte Boecker die Musetta und Clemens Unterreiner den Marcello.

(8.1.2022)