Ja, klar, wir lieben all unsere Verwandten und Bekannten – aber manchmal will man sich auch einfach ausklinken und "The Witcher" zocken.

Foto: EPA/Mariscal

Liebe Gamer, ihr müsst jetzt stark sein – denn leider wurde diese Woche kein neuer Lockdown verkündet, was de facto heißt, dass wir keine Ausrede mehr haben, ohne Unterbrechung dem schönsten Hobby der Welt zu frönen. Stattdessen müssen wir rausgehen, Verwandte und Bekannte treffen, vielleicht sogar mit der Familie auf Urlaub fahren. Und wie, bitte, sollen wir so in der Kampagne von Halo weiterkommen? Gibt es denn da keine Lösung?

Doch, keine Sorge, die gibt es: Mit den richtigen Services landen die Konsolen- und PC-Games auch auf dem Smartphone oder dem Tablet – so kann man heimlich unter dem Esstisch zocken oder sich mal für eine längere Zeit aufs stille Örtchen verabschieden, um einen Auftrag in The Witcher zu erledigen.

Das Zauberwort hinter dem ganzen Spaß heißt "Cloud Gaming". Hier wird das Spiel nicht mehr auf dem lokalen Gerät installiert, sondern auf einem entfernten Server abgespielt und von dort auf das Endgerät gestreamt – das funktioniert mit Konsolen und PCs, aber eben auch mit mobilen Geräten wie Smartphones oder Tablet-PCs. Die Rechenleistung des Endgeräts ist dabei fast egal, wichtiger ist eine stabile Internetleitung.

Verschiedene Anbieter haben sich inzwischen auf dem Markt mit ihren mehr oder weniger ausgegorenen Lösungen positioniert. DER STANDARD hat sie getestet, stellt sie hier mit ihren Vor- und Nachteilen vor und erklärt, was es dabei zu beachten gilt.

Game Pass Ultimate: Xbox-Spiele auf dem Handy

Wer im Microsoft-Universum zu Hause ist und obendrein vielleicht auch eine Konsole der Marke Xbox besitzt, der dürfte zunächst einen interessierten Blick auf den Xbox Game Pass Ultimate werfen. Für 12,99 Euro pro Monat bietet dieser so wie der herkömmliche Game Pass Zugriff auf zahlreiche Spiele und ermöglicht obendrein, diese von Servern auf beliebige Endgeräte zu streamen.

Doch Vorsicht: Es sind längst nicht alle Spiele des Game Pass zugleich auch im Streamingangebot enthalten, in erster Linie handelt es sich um Konsolenspiele. Zugleich ist Microsoft etwas zurückhaltender als die Konkurrenz, wenn es um die Touchscreen-Unterstützung geht (mehr dazu weiter unten). Auch das Cross-Saving – also das Speichern auf einem Gerät, um das Spiel später auf einem anderen weiterzuspielen – war hier teils mit längeren Wartezeiten verbunden. Und während des Streamens wanderte im Test teils eine vertikale Linie über das Bild.

Typische Testsituation: chillig auf der Couch liegen und "Skyrim" spielen.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Das alles mag nun äußerst negativ klingen – es ist aber auch zu erwähnen, dass sich der Game Pass Ultimate offiziell noch in der Betaphase befindet und somit technisch noch Luft nach oben ist. Und dass er, wie eingangs erwähnt, in puncto Content für Xbox-Fans die beste Wahl darstellt.

Google Stadia: Alles aus dem Netz

Anders verhält es sich mit Google Stadia. Der Internetkonzern verfügt über keine eigene Konsole, ermöglicht zu Hause aber das Zocken mit einem Chromecast Ultra und einem dazugehörigen Controller. Ebenso werden die Spiele auf den PC gestreamt, wo man sie mit Tastatur und Maus spielen kann. Auf dem Smartphone oder Tablet werden sie entweder per Touch oder per Stadia-Controller gesteuert.

Die Standardmitgliedschaft ist bei Stadia gratis, Spiele können käuflich erworben werden. Für 9,99 Euro im Monat kann eine "Stadia Pro"-Mitgliedschaft abgeschlossen werden, in der diverse Games enthalten sind.

Google punktet in diesem Fall dort, wo Microsoft schwächelt – und umgekehrt. So wirken die Server von Google im Test vergleichsweise schnell und stabil, das Speichern und wieder Starten von Spielen über verschiedene Geräte hinweg läuft nahtlos. So sehr Google aber auch technisch punktet, so schwächelt es beim Content. Denn die inkludierten Games sind allesamt keine großen Reißer, im Gegensatz zu Microsoft hat Google noch keine nennenswerten Studios gekauft. Wer also diesen Service nutzen will, der sollte vorher prüfen, ob ihm die Spiele überhaupt zusagen.

Nvidia Geforce Now: PC-Spiele auf dem Smartphone

Wiederum anders ist das Angebot von Nvidia mit ihrem Geforce Now. Denn hier liegt der Fokus darauf, bereits vom Kunden käuflich erworbene PC-Spiele auf virtuellen Computern laufen zu lassen und auf Endgeräte – wie eben auch das Handy oder der Tablet-PC – zu streamen.

Die Preise sind hier gestaffelt: Im kostenlosen Modell steht man vor jeder Session auf einer Warteliste und darf maximal eine Stunde am Stück spielen, ab 8,33 Euro im Monat kann bis zu sechs Stunden am Stück in Full-HD gespielt werden, acht Stunden am Stück in 4K sind ab 16,67 Euro pro Monat möglich.

Geforce Now bietet Zugriff auf Gratisspiele und die eigene PC-Spielebibliothek.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Auf technischer Ebene ließen sich über das Nvidia-Angebot so viele Worte verlieren, dass dies den Rahmen dieses Artikels sprengen würde. Nur so viel sei gesagt: Es lässt sich hier deutlich mehr – von den Eingabegeräten bis zu den Frames per Second – händisch einstellen als bei der Konkurrenz, zugleich kann diese Masse an Möglichkeiten für Neulinge aber auch ein wenig verwirrend sein

Contentseitig empfiehlt Nvidia regelmäßig Free-to-Play-Titel, wie etwa Fortnite. Zudem können Spiele aus dem eigenen Repertoire gezockt werden, allerdings längst nicht alle – eine Übersicht der unterstützten Spiele gibt es unter diesem Link. Fun Fact: Die "Elder Scrolls"-Spiele findet sich nicht in der Liste. Sie gehören ja zu Bethesda, welches von Microsoft gekauft wurde – ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Ehrenhafte Erwähnung: Streamen im Playstation-Universum

Okay, und was ist mit der Playstation? Die schlechte Nachricht zuerst: Zwar hat Sony mit Playstation Now einen Cloud-Gaming-Dienst im Angebot, allerdings ermöglicht dieser nicht das Streamen auf mobile Geräte wie Smartphones und Tablet-PCs.

Stattdessen ist es aber auch möglich, via "PS Remote Play" direkt von der eigenen Playstation auf das Smartphone zu streamen. Wie das funktioniert, haben wir bereits vor ein paar Monaten unter diesem Link beschrieben. Kurz zusammengefasst: Ist die Playstation 5 eingeschaltet oder im Standby-Modus, so lässt sie sich aus der Ferne mit dem Handy steuern. Dann können alle auf dem Gerät installierten Spiele gespielt werden – entweder über den Touch-Controller oder indem man einen Playstation-Controller mit dem Handy verbindet.

Die Sache mit dem Controller

Ist einmal die Frage des Anbieters geklärt, so stellt sich die Frage: Wie steuert man die Spiele eigentlich? Wenig überraschend funktionieren die Xbox-Spiele am Besten mit einem Xbox-Controller, Playstation mit Playstation und Stadia mit Stadia. Nvidia bietet unter diesem Link eine Auflistung empfohlener Controller, allerdings lässt sich Geforce Now auch über herkömmliche Konsolen-Controller steuern. Im Test funktionierte das mit einem Xbox-Controller deutlich besser als mit einem Playstation-Controller.

So sieht es aus, wenn man "The Witcher 3" mit virtuellem Controller spielt.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Allerdings gibt es auch Situationen, in denen man keinen Controller bei der Hand hat – etwa, wenn die Oma glauben soll, dass man einfach nur SMS schreibt und nicht gerade den finalen Bossfight austrägt. In dem Fall hilft die Touch-Steuerung in Form virtueller Controller. Hier werden die Buttons transparent über das Spielgeschehen gelegt und können angetippt werden, um die entsprechende Handlung auszuführen.

Das funktioniert bei manchen Anbietern mehr, bei anderen weniger gut. So werden bei Stadia und Playstation die Buttons auf Wunsch immer eingeblendet und können problemlos verwendet werden. Bei Nvidia wird eine Warnung ausgespuckt, dass kein Controller verbunden ist, auf Wunsch kann dann aber ein virtueller Controller eingeblendet oder der Touchscreen als Mauszeiger verwendet werden. Bei Microsoft schließlich wird bei vielen Spielen – etwa Halo – ein Controller schlichtweg vorausgesetzt, andere – etwa Psychonauts 2 – lassen sich auch per Touch spielen.

Apple vs. Android: Ein klarer Sieger

Um die Streaming-Services dann auf dem Smartphone oder Tablet-PC zu starten, braucht es die entsprechende App aus dem Store, und schon kann es losgehen – wobei, nein, das stimmt so nicht ganz: Denn die Apps gibt es nur bei Android. Dort funktioniert dann auch alles problemlos.

Aktuelle Ansage zum Thema Fortnite.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Wer hingegen auf einem iOS-Gerät cloudgamen möchte, der muss einen entsprechenden Link in Safari aufrufen und die Seite dann dem Startscreen hinzufügen. Über das Tippen auf das entsprechende Icon wird der Service dann gestartet – zumindest theoretisch. Denn so liefen die Services auf dem iPhone teils instabiler als auf einem Android-Gerät, beim Game Pass Ultimate starrte ich teils minutenlang auf einen weißen Bildschirm und konnte das Problem nur durch einen Neustart des Services beheben.

Und ja, falls sich das jemand fragen sollte: Fortnite lässt sich natürlich auch via Cloud Gaming nicht auf iOS-Geräten starten, wiewohl Nvidia hier nach wie vor auf eine Lösung hofft. Aber das ist freilich eine andere Geschichte.

Cloud Gaming – auch im Mobilfunknetz?

Stellt sich noch die Frage: Muss ich zum Zocken bei den Großeltern sie um ihr WLAN-Passwort anbetteln oder kann ich auch über mein eigenes Mobilfunknetz spielen? Die Antwort lautet: Kommt ganz drauf an – denn das ist eine Frage der Geschwindigkeiten ebenso wie der Kosten.

So liefen die Services im Test stabil, solange die Bandbreite hoch genug und der Ping niedrig war. Im Test ruckelte es etwa ordentlich, als mein Downstream auf 12 MBit/s fiel, weil irgendwer in der Familie meinte, er müsse einen Videocall mit der Großtante führen und mir dabei meine wertvolle Bandbreite wegschnappen.

Ein anderer Aspekt ist der Datenverbrauch. Dieser wird von Sony je nach Qualität folgendermaßen angegeben:

  • Niedrige Qualität: 1,6 GB/h
  • Standardqualität: 2,5 GB/h
  • Hohe Qualität: 5,2 GB/h
  • Beste Qualität (nur PS5 und PS4 Pro): 6,8 GB/h

Wer also keine grenzenlose Flatrate bei der Hand hat, der sollte das Cloud Gaming via Mobilfunknetz allein aus Kostengründen schon mit Vorsicht genießen.

Fazit: Die Basis ist da, aber mit Luft nach oben

Ist es also empfehlenswert, mit Cloud Gaming auch jenseits der eigenen vier Wände zu zocken? Jein. Die technische Basis ist auf jeden Fall gegeben, und die Angebote entwickeln sich auf jeden Fall weiter. Gleichzeitig gibt es aber noch viele Kinderkrankheiten, die es zu überwinden gilt, und das Spielen von für den großen Bildschirm optimierten Spielen auf einem kleinen Handyscreen mit Touch-Controller ist auch nicht immer das Gelbe vom Ei.

Wer also gerne vorne mit dabei sein möchte oder schlichtweg immer Zugriff auf die eigenen Spiele haben will, der kann auch jetzt schon ein Abo abschließen – die Angebote sind ja teils gratis, teils zu einem niedrigen Aufpreis verfügbar. Zugleich sollte man sich immer bewusst sein, dass es hier noch viel Luft nach oben gibt. (Stefan Mey, 8.1.2022)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die Services und Geräte wurden teilweise von den Anbietern zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.