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Verhandlungen sind im Steuerrecht eigentlich nicht vorgesehen. Über Details kann aber mitunter diskutiert werden.

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Die Steuercausen rund um die Illwerke und Siegfried Wolf zeichnen ein fragwürdiges Bild von mutmaßlichen "Steuerdeals" zwischen Unternehmern und Finanz. Aber wie üblich sind derartige Vorgänge in der Praxis? Und kann so etwas überhaupt legal sein?

Dazu eines vorweg: Interventionen in Hinterzimmern sind zumindest verwerflich, Bestechungsversuche definitiv verboten. Und doch kann es bei Betriebsprüfungen zu erlaubten "verhandlungsähnlichen" Situationen kommen, wie Steuerberater im STANDARD erklären.

Frage: Wann werden Betriebsprüfungen durchgeführt?

Antwort: Anders als oft angenommen, prüft das Finanzamt Steuererklärungen nicht im Detail, sondern setzt die Steuer meist automatisiert per Bescheid fest. Diese Bescheide können aber nachträglich bei einer Betriebsprüfung geändert werden. Die Unternehmen werden dabei entweder durch Zufall ausgewählt oder bei Bedarf kontrolliert.

Frage: Was passiert bei einer Betriebsprüfung?

Antwort: Die Finanzbeamten kontrollieren, ob die Angaben des Unternehmens stimmen – und setzen die Steuerschuld gegebenenfalls höher an. "Manchmal gibt es dabei aber Punkte, in denen Unternehmen und Prüfer nicht einer Meinung sind", sagt Steuerberater Florian Würth. Denn viele Fragen lassen sich – so wie in allen Rechtsbereichen – nicht eindeutig beantworten.

Frage: Und dann kann verhandelt werden?

Antwort: Jein. Ein Recht dazu gibt es freilich nicht. Der Betriebsprüfer darf auf seinem Standpunkt bleiben. Dem Unternehmen steht dann der Weg zur Bescheidbekämpfung am Bundesfinanzgericht offen. Es gibt aber auch Situationen, in denen Prüfer und Unternehmen eine Art "fachliche Verhandlung" führen, erklärt Würth. Oft stellten sich grundsätzliche Fragen. Welche Konten sind betroffen, welche Einkünfte? Und wie ist das alles rechtlich zu beurteilen?. "Solche Gespräche gibt es natürlich", sagt Würth.

Frage: Wie geht es in so einem Fall weiter?

Antwort: "Wenn man unterschiedlicher Meinung ist, kann es Sinn machen, zu diskutieren und eine pragmatische Lösung zu finden", erklärt Steuerberaterin und Rechtsanwältin Caroline Toifl. So könne man vermeiden, dass es zu einem jahrelangen Rechtsstreit kommt. "Aber es ist natürlich eine Gratwanderung", sagt Toifl. "Und ich glaube nicht, dass jemand in der Öffentlichkeit fröhlich ausplaudern würde, so einen ‚Vergleich‘ geschlossen zu haben, ein solcher ist nämlich rechtlich nicht vorgesehen."

Frage: Was sind Punkte, über die verhandelt werden kann?

Antwort: "Theoretisch kann man über jede einzelne Bestimmung im Steuerrecht diskutieren", sagt Toifl. Häufig stelle sich bei falschen Steuererklärungen etwa die Frage, ob jemand fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat. In der Praxis hat diese Einstufung große Auswirkungen: Handelte jemand fahrlässig, können Bescheide, die bis zu fünf Jahre alt sind, geändert werden; bei Vorsatz sind es zehn Jahre. Zudem kann das Strafrecht zuschlagen.

Frage: Wie sieht es mit einer Steuernachsicht aus?

Antwort: Behörden können die Steuerschuld aus bestimmten Gründen nachsehen. Allerdings ist das nur unter engen Voraussetzungen möglich. So muss die Einhebung der Steuer "unbillig" sein – also etwa die wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen bedrohen. Die Entscheidung liegt im Ermessen der Behörde. "Steuernachsichten sind in der Praxis aber sehr selten", sagt Toifl.

Frage: Kann man auch im Vorhinein schon verhandeln?

Antwort: Steuerpflichtige können Auskunftsbescheide beantragen, mit denen Fragen schon im Voraus geklärt werden. Diese "advance rulings" sind aber mitunter umstritten. Denn Unternehmen könnten etwa Investitionen von der Antwort der Behörde abhängig machen.

Frage: Wer entscheidet in Betriebsprüfungen?

Antwort: Zunächst der zuständige Finanzbeamte. In komplexeren Verfahren werden Vorgesetzte oder bestimmte Fachbereiche im Finanzamt beigezogen. Das Ministerium schaltet sich nur selten ein.

Frage: Werden die Verhandlungen bei Steuerprüfungen protokolliert?

Antwort: Die offizielle Schlussbesprechung einer Prüfung wird zwar verschriftlicht, "in der Praxis werden aber nicht alle Gespräche wie etwa kurze Telefonate in den Akt genommen", sagt Toifl. In der Niederschrift der Schlussbesprechung wird außerdem nur das festgehalten, was sich im Steuerbescheid geändert hat – nicht aber, von welchen möglichen Nachzahlungen ein Betriebsprüfer abgesehen hat.

Frage: Ist das alles transparent und überprüfbar?

Antwort: Nur bedingt. Es gibt in bestimmten Fällen zwar eine interne Revision, aber keine Kontrolle außerhalb der Finanzverwaltung. Die Steuerbescheide sind aufgrund von Amtsgeheimnis und Datenschutz nicht öffentlich. "Das entspricht auch der österreichischen Kultur, dass man über sein eigenes Einkommen nicht offen spricht", erklärt Würth. Steuerentscheidungen können daher nur schwer überprüft werden. Das sei auch das Grundproblem in Korruptionsfällen: Beteiligte haben kein Interesse an der Öffentlichkeit. Und alle anderen wissen nichts davon. (Jakob Pflügl, 8.1.2022)