In Tamil Nadu im Süden des Landes gibt es Ausgangssperren an den Wochenenden.

Foto: EPA/IDREES MOHAMMED

Wie in vielen anderen Teilen der Welt steigen nun auch in Indien die Covid-Infektionszahlen wieder kräftig an. Am Sonntag hatten sich laut "Times of India" knapp 160.000 Menschen neu mit dem Virus infiziert. So groß war der Anstieg der Infektionen zuletzt während der verheerenden zweiten Welle im vergangenen Mai.

Grund für das Wachstum ist wie auch anderenorts vor allem die neue Variante Omikron. In vielen Städten des Landes kommt die Mutante schon in mehr als der Hälfte der Fälle vor. Die ersten Bundesstaaten des riesigen Landes beginnen nun, die Reißleine zu ziehen.

In Maharashtra, wo die Megastadt Mumbai liegt, werden etwa Schwimmbäder und Fitnessstudios geschlossen. Auch Schulen und Universitäten bleiben bis Mitte Februar zu. Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, dürfen zudem nicht auf Urlaub gehen. Auch Himachal Pradesh im Nordwesten des Landes geht in einen Teillockdown, dort sind laut einem Beschluss vom Sonntag alle Veranstaltungen in den nächsten zwei Wochen verboten. In der Hauptstadt Delhi wartet man noch ab. Im Parlament dort haben sich aber fast 400 Mitarbeiter infiziert.

Faktor Wahlkampf

In anderen Teilen des Landes halten sich Behörden noch damit zurück, Restriktionen zu verhängen. So dürfen in Westbengalen noch tausende Menschen am religiösen Festival Gangasagar Mela teilnehmen, bei dem ein rituelles Bad im Ganges vorgesehen ist.

In wichtigen Bundesstaaten des Lands finden in den kommenden Monaten Regionalwahlen statt. Im bevölkerungsreichsten Uttar Pradesh mit rund 200 Millionen Einwohnern etwa wird von Anfang Februar bis Anfang März gewählt. Man will weder die Bevölkerung vergraulen, indem man religiöse Festivals verbietet, noch will man Wahlveranstaltungen unterbinden, die zur Anwerbung der Wähler und Wählerinnen so wichtig sind.

Doch im vergangenen Jahr wurde der Regierung von Premierminister Narendra Modi genau so ein Vorgehen vorgeworfen: Die Regierung habe Megaevents wie die Kumbh Mela – das ist eines der weltweit größten religiösen Festivals – oder Wahlkampfveranstaltungen nicht abgesagt und daher das Virus durch diese Superspreader-Events sich im Land verbreiten lassen.

Der Anstieg durch die damals noch vorherrschende Delta-Variante verlief dann so rasch, dass das Gesundheitssystem im April und Mai vielerorts vor dem Zusammenbruch stand. Der Sauerstoff ging aus, Patienten und Patientinnen mussten vor Spitälern abgewiesen werden.

Ob sich die Ereignisse des letzten Jahres wiederholen werden, ist freilich offen. Gesundheitsexperten im Land warnen zwar vor der nun kommenden dritten Welle, sie zeigen sich aber zumindest teilweise vorsichtig optimistisch: Knapp 50 Prozent der Bevölkerung seien mittlerweile geimpft, außerdem stehe nun mehr Sauerstoff zur Verfügung.

Dass sich die Menschen in Indien auf die kommende Welle einstellen, zeigen die Flugdaten im Land: In den vergangenen zwei Wochen gab es 40 Prozent weniger Inlandsfliegende. Virologinnen und Virologen in Indien gehen davon aus, dass der Höhepunkt der Welle in spätestens drei Monaten vorbei sein sollte. (Anna Sawerthal, 10.1.2022)