Julia Grabher hat ihr Hobby zum Beruf gemacht. Seit 20 Jahren spielt sie Tennis, seit sieben Jahren professionell. Sie ist die Nummer 184 der Welt, so gut war sie noch nie zuvor klassiert.

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Nein, Julia Grabher hatte bei der Einreise nach Australien keine Probleme. Das Visum der 25-Jährigen ist nach wie vor gültig, auch jenes ihres Trainers. "Die Australier sind streng, das weiß man auch", sagt Grabher dem STANDARD. Die Vorarlbergerin kann daher bei der Qualifikation zu den Australian Open im Tennis antreten, die am Montag beginnt.

Novak Djokovic hatte bei seiner Einreise große Probleme. Das Antreten des Rekordsiegers ist mehr als unsicher. Ganz Australien beschäftige sich mit dem Serben, sagt Grabher, "er ist in allen Medien präsent".

Auch in den Kabinen auf dem Areal des Melbourne Park, wo die Australian Open stattfinden, sprechen Spielerinnen und Spieler über die Causa prima. Laut Grabher stehen die meisten "eher nicht" hinter Djokovic. Die Sache sei ja simpel. "Für jeden gelten dieselben Voraussetzungen. Die kann man einhalten – oder man spielt nicht." Grabher hält sie ein, Grabher wird spielen.

Trainieren wie in der Disco

Seit Ende Dezember ist Grabher Österreichs beste Tennisspielerin. Sie ist aktuell die Nummer 184 der Weltrangliste. Das Ziel ist, diese Zahl in den zweistelligen Bereich zu bringen. Dafür betreibt sie einen großen Aufwand.

Pro Tag trainiert sie sechs bis sieben Stunden, meist in der Akademie von Trainer Günter Bresnik. Der Schlafrhythmus ist ihr wichtig: Sieben Stunden pro Nacht müssen, acht Stunden sollen es sein. Seit einem halben Jahr arbeitet Grabher sie an ihrer "Neuroathletik".

Das muss sie genauer erklären. Grabher sagt, man kann die Schnelligkeit der Augen trainieren. Das klingt praktisch, im Tennis geht es flott zu. Erkennt eine Spielerin früh, wo der Ball hinfliegt, kann sie entsprechend kontern. Aber wie trainiert man denn die Augen?

Sie hat da eine Spezialbrille, erzählt Grabher, die setzt sie im Training auf. Damit könne sie den Ball für ganz kurze Augenblicke nicht sehen. Es ist ein Training wie im Blitzlicht in der Disco. So als ob sie gleich mehrmals pro Sekunde blinzeln würde. Belohnung für die Tortur: "Wenn ich die Brille abnehme, wirkt es, als sehe ich alles in Zeitlupe." Grabher wisse von Topspielern, darunter Olympiasieger Alexander Zverev, die Neurowissenschafter im Betreuerstab hätten. "Das Thema kommt jetzt erst so richtig auf."

Eine Profikarriere ist häufig auch von Glück und Zufall abhängig. Grabher findet beides in der eigenen Familie. Weil nicht nur ihre Oma, sondern auch der Bruder im Tennisklub gegenüber dem Elternhaus in Dornbirn spielten, begann Grabher mit fünf Jahren selbst mit dem Sport. Die schulische Ausbildung war ihr wichtig, Grabher braucht eine Sicherheit in ihrem Leben. Am Sportgymnasium absolvierte sie die Matura, seither steht das Leben als Spitzensportlerin im Mittelpunkt. Der Bruder, einst das Vorbild, ist heute ihr Touring-Coach.

Schläge fertig

Grabher ist beim Bundesheer angestellt. Auch das gibt Sicherheit, vor allem finanziell. Es sind die vier Grand Slams, die für Spielerinnen mit Grabhers Ranking eine Möglichkeit bieten, Geld zu verdienen. 24.000 australische Dollar (rund 15.000 Euro) hat sie bereits fix. Sollte sie dreimal gewinnen und sich erstmals für ein Major-Hauptfeld qualifizieren, wartet die vierfache Summe.

Grabher spielt mit einer zügigen Vorhand, mit der sie Druck auf ihre Gegnerinnen ausübt. Dafür umläuft sie gerne die Rückhand, möglich macht dies ihre gute Beinarbeit. Sie ist eine klassische Grundlinienspielerin, am Netz sieht man sie immerhin beim Shakehands.

Ein Markenzeichen in ihrem Spielstil ist die ellenlange Bewegung nach Treffpunkt des Balles. Ihr rechter Ellbogen zeigt nach einer Vorhand noch einen Moment in jene Richtung, in die sie geschlagen hat. Daran erkennt man die Handschrift von Trainer Bresnik, sagt Grabher, es sei sein "Markenzeichen". So stellt sie sicher, dass sie gut durchschwingt. Sie nennt das "den Schlag fertig machen". Das erhoffte Ziel: mehr Geschwindigkeit am Schläger, und letztlich am Ball.

Gutes Los

Grabher spielt am Montag im vierten Spiel nach 12 Uhr Ortszeit (0 Uhr MEZ) gegen die Deutsche Katharina Hobgarski. Mit dem Los ist sie "durchaus zufrieden", die Gegnerin steht in der Rangliste fast 200 Plätze hinter Grabher. "In der Quali traue ich mir gegen jede Spielerin einen Sieg zu."

Bei den Männern ist im Einzel lediglich Jurij Rodionov für Österreich im Einsatz. In der ersten Quali-Runde trifft er auf Maxime Janvier (Frankreich) und ist knapper Favorit. (Lukas Zahrer, 9.1.2022)