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Im österreichischen Gesellschaftsrecht gibt es noch viel Raum für mögliche Reformen. Mit der geplanten "Flexkap" setzt die Regierung einen ersten in Schritt Richtung Flexibilität.

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Noch wird intensiv verhandelt, bis Ende des ersten Quartals könnte es so weit sein: Mit einem neuen Gesellschaftsrecht will die Bundesregierung Gründungen für Start-ups einfacher und Anteilsübertragungen unkomplizierter machen.

Im Gegensatz dazu erweist sich die Novelle selbst aber als eher schwere Geburt: Das fängt schon damit an, dass ein erstes Regelungskonzept vor mehr als einem Jahr vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegeben wurde, für den Gesetzesentwurf aber das grüne Justizministerium zuständig ist. Jetzt deutet alles darauf hin, dass die Reform weniger weitreichend ausfallen wird als ursprünglich geplant. Die neue Gesellschaftsform in Gestalt einer "Flexkap" dürfte aber fix sein.

Von Austrian Limited zu Flexkap

Laut dem ursprünglichen Regelungskonzept, das von den Anwaltskanzleien CMS Wien und Herbst Kinsky erstellt wurde, sollten die zentralen Elemente der neuen Gesellschaftsform "Austrian Limited" – angelehnt an die britische "Limited" – eine "unbürokratische Gründung" und "flexible Anteilsvergaben" sein. So sollte die Errichtung der Gesellschaft ohne Notariatsakt erfolgen können. Als Stammkapital sollten laut Gutachten 5000 Euro reichen, 2500 Euro davon in bar.

Inwieweit sich der Gesetzesentwurf an diesem Konzept orientieren wird, bleibt abzuwarten. Mittlerweile lautet der Arbeitstitel der neuen Gesellschaft auch nicht mehr "Austrian Limited", sondern "Flexkap". Damit der Zweck, mehr Gründungen und Flexibilität zu erreichen, erfüllt wird, müssten aus Sicht von Rechtsanwalt Philipp Kinsky, der das Weißbuch mitverfasst hat, aber zumindest einige wesentliche Elemente gegeben sein.

Entfall des Notariatszwangs

Dazu zählen etwa flexiblere Modelle für die Beteiligung von Mitarbeitern an der Gesellschaft und damit korrespondierende Regelungen im Steuerrecht. Wichtig sei auch eine einfache digitale Gründung über das Unternehmensserviceportal (USP), der Entfall der Notariatspflicht mit den damit verbundenen Kosten sowie die Vereinfachung von Gesellschafterbeschlüssen.

Vor allem der im Raum stehende Entfall des Notariatszwangs ist Streitthema in den Verhandlungen. Dagegen stellt sich mit aller Kraft die Notariatskammer. Kinsky, der die Abschaffung befürwortet, formuliert es drastisch: Es entstehe der Eindruck, dass die Interessenvertretungen eine ganze Branche bzw. Gruppe von Unternehmern in "Geiselhaft" nehmen, um ihre Partikularinteressen zu verfolgen.

Ihnen sei es sichtlich ein "besonderes Anliegen", Gründern und Mitarbeitern "die notwendigen Kenntnisse abzusprechen, um fundierte und mündige Entscheidung zu treffen". Dabei werden allerdings die "wirklichen Bedürfnisse der Start-ups negiert." Kinsky: "Warum sollten wir nicht einen flexibleren Rahmen schaffen können, für den sich Gründer bewusst entscheiden und damit auch vermeintlich höhere Risiken in Kauf nehmen?"

Unparteiliche Beratung

Die Notariatskammer sieht das naturgemäß anders: Laut Notarsubstitutin Maria Thierrichter, die die Kammer bei den Verhandlungen im Justizministerium vertritt, ist die "unparteiliche Beratung durch einen Notar" essenziell. "Spart man bei der Beratung und der Beteiligung des Notars am Anfang, verlagert man die Kosten auf später", sagt Thierrichter. Beraten können zwar theoretisch auch Anwälte, Notare seien in ihrem Selbstverständnis aber unparteilich und legten einen starken Fokus darauf, spätere Rechtsstreitigkeiten zu verhindern.

Auch das Tempo sei kein Argument mehr. "Ich gründe Gesellschaften mittlerweile in ein bis zwei Tagen", erklärt Thierrichter. Seit der neuen Covid-19-Gesetzgebung könne sie theoretisch alles digital abwickeln. 50 Prozent der Mandanten greifen bereits auf diese Möglichkeit zurück. Dazu kommt, dass die Notare nicht zuletzt auch eine Missbrauchskontrolle seien. "Jetzt klingt es vielleicht modern, den Notar wegzurationalisieren, aber das heißt in weiterer Konsequenz, dass wir viel Sicherheit verlieren", sagt Thierrichter.

Susanne Kalss, Professorin für Unternehmensrecht an der WU Wien, nimmt in der Frage der Notariatspflicht eine vermittelnde Position ein. Bei einfachen Gründungen mit Standardverträgen oder Anteilsübertragungen solle man den Notariatsakt jedenfalls überdenken. Das sei in diesen Fällen deshalb nicht notwendig, weil ohnehin auch das Firmenbuchgericht prüft. Start-ups bräuchten aufgrund der rascheren Änderung der Gesellschafterstruktur schlicht mehr Flexibilität, sagt Kalss, die als Expertin an den Verhandlungen im Justizministerium beteiligt war.

Auftakt für weitere Reformen

Bei komplizierteren Gründungen könne die Notariatspflicht aus ihrer Sicht aber bestehen bleiben. Das Argument, dass es nur das persönliche Risiko des Gesellschafters sei, wenn er auf einen Notar verzichtet, zähle nicht. Betroffen seien nämlich auch Regelungen zum Schutz von Gläubigern und die Rechte von Minderheitsgesellschaftern.

"Es wird wohl nicht das große Gesetz, das man sich erhofft hat", sagt Kalss. Eine "grundlegende Reform des Gesellschaftsrechts" erwartet sie nicht mehr. Mit der neuen, flexiblen Kapitalgesellschaft könne man jedoch bestimmte Dinge "ausprobieren". Langfristig sei die Attraktivierung der nichtbörsennotierten Aktiengesellschaft aber wichtiger. Kalss hofft, dass die neue Gesellschaft Auftakt für weitergehende Reformen ist. (Jakob Pflügl, 10.1.2022)