Im Sommer geht das natürlich nicht. Auch nicht im Frühjahr oder im Herbst: Sie rennen ja auch nicht über einen Fußballplatz, auf dem gerade gekickt wird – egal wie fein sich das Gras unter Ihren Füßen auch anfühlen mag.

Mit Golfplätzen ist es ähnlich: Menschen, die Golf spielen, schätzen es nicht, wenn man ihnen quer durchs Spiel läuft. Oder spaziert. Zum einen wegen der Konzentration/Irritation. Zum anderen, weil es nicht ganz ungefährlich ist, einem fliegenden Golfball in die Quere zu kommen. Und zum dritten, weil Golferinnen und Golfer in der Regel ziemlich viel dafür bezahlen, ihren Sport ungestört auf gut gepflegten Plätzen ausüben zu können.

Foto: Tom Rottenberg

Gleichzeitig sind Golfplätze – nicht zuletzt wegen des letzten Punkts – meist ziemlich schöne Parks. Weitläufige Teletubby-Landschaften mit Wegen und Wiesen, Kuppen und Senken. In der Regel weitestgehend auto- und sonstwasverkehrsfrei (Golfcarts, also Rasen-Autodrom, zählen nicht). Mit Passagen durch Wäldchen und an Weihern vorbei. Und dank der, der Exklusivität des Sportes geschuldeten, in Summe meist eher geringen Besucherfrequenz sind Golfplätze oft Rückzugsorte für allerlei Wild- und Wiesengetier.

Kurz: Golfplätze wären eigentlich ideale Laufreviere. Wären da nicht die Golfer.

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Zum Glück (aus Läufersicht) ist die Golfsaison in Österreich im Mittel- oder Spätherbst vorbei und beginnt dann nicht vor März oder April. Nageln Sie mich da aber bitte nicht auf Daten fest. Fakt ist, dass im Winter auch auf allen mir hierzulande bekannten Golfplätzen "Off-Season" ist. Denn Events wie "Dreikönigsturnier" sind kein Saisonstart: Wer unbedingt spielen will und es sich leisten kann, fliegt anderswohin. Nach Südafrika, in die Türkei, auf spanische Inseln etwa.

Für die heimischen Golfplätze und die von ihnen lebende Infrastruktur bedeutet das: Winterpause. Und dort, wo Golfplätze nicht eingezäunt und auf ausgewiesenem Privatgrund liegen, kann man sie dann ziemlich fein belaufen – und sich in den dazugehörigen Hotels eine noch feinere Auszeit gönnen. In Stegersbach etwa.

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Ich kenne Stegersbach gut: In einem anderen Leben arbeitete ich für die Falkensteiner-Hotelgruppe und betreute auch ihr "Balance Ressort" ebenhier: Ein Fünf-Sterne-Wellness-Haus auf jener burgenländischen Hügelkuppe, von der aus sich "Österreichs größte Golfschaukel" erstreckt.

Eine "Golfschaukel" ist der Zusammenschluss von mehreren Golfplätzen. Statt einer 18-Loch-Anlage sind es hier zwei 18er- und ein 9er-Kurs plus Drivingranges und anderen, sportarttypischen, "Nebengeräuschen": viel Platz, um an der frischen Luft durch die Gegend zu dackeln – mit ebenso wie ohne Ball.

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Laufen, weiß ich, kann man hier super. Im Gelände, also auch abseits der Golfwelt, auf 1.000 hügeligen Routen und Wanderwegen. Und auf den Golfwegen mit Rück- und Vorsicht auch. Und mit einem bisserl Hausverstand für das, was so ein Super-Rasen nicht mag (etwa bei Frost auf freistehende Halme drauftrampeln), auch am Spielfeldrand.

Während der Saison geht das logischerweise nur, bevor die Golfer ausrücken – oder wenn es dämmert: Flutlichtgolf ist anderswo zwar schon Standard, bei uns meines Wissens aber noch nicht Usus.

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Das für Nicht-Golferinnen und -Golfer Feine am Golf-Umfeld ist aber unter anderem, dass Golfer es komfortabel lieben: Vor dem Frühstück ist praktisch nie wer am Platz. Und die Wege am Platz sind nie wirklich steil und immer entweder sauber geschottert und gewalzt oder – damit es hinterm Golfcart nicht staubt – asphaltiert.

Aber das ist nur der eine Aspekt. Der zweite ist das "Après-Golf". Nein, nicht Vor-Corona-Ischgl-Remmidemmi: Nach einer anstrengenden Golfrunde am hübsch inszenierten Platz will man meist auch weiterhin in stimmig inszenierten Luxuswelten chillen. "Anstrengend" sage ich übrigens frei von Häme: Seien Sie mal ein paar Stunden lang unterwegs und dabei voll auf einen Ball und saubere Bewegungen fokussiert.

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All diese Infrastruktur verschwindet in der Off-Season nicht. Sie liegt brach. Zumindest ein bisserl: Wenn nicht grad wieder gelockdowned ist, sind Golfhotels deshalb perfekte Rückzugsorte, um auch Nicht-Golf-Köpfe und -Akkus zu "resetten".

Aktiv oder passiv? Das muss jeder und jede auf eigene Art und Weise tun.

Aber im Grunde meines Herzens bewundere ich Menschen, die es schaffen, drei oder noch mehr Tage den weißen Hotel-Bademantel nur auszuziehen, wenn sie in die Sauna oder zum Essen gehen.

Ich probiere das immer wieder, scheitere aber jedes Mal binnen weniger Stunden.

Foto: Tom Rottenberg

Wieso die Tourismusindustrie aber die sportlich aktive Nicht-Golf-Golfplatz-Auszeit noch immer nicht als Asset erkennt und gezielt bewirbt, habe ich schon in meiner Hotelzeit nie verstanden: So klein ist diese Zielgruppe nicht. Und mit einer Kombi aus Wellness, Chillen und Easy-Sport im Ich-kann-jederzeit-wieder-in-die-Komfortzone-zurück-Umfeld kriegt man mitunter auch neue Zielgruppen in die Laufschuhe.

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Menschen etwa, die sich bisher verständnislos an die Stirn tippten, wenn sich andere Haushaltsangehörige die Laufschuhe anzogen und sich für zwei oder drei Stunden auf den Weg machten.

Dass es dann weder um schnell noch lang oder weit geht, ist eh klar – aber gemeinsam laufen kann auch auf kurzen bis ultrakurzen Runden eine Menge.

Und wenn dann beim Abendessen kurz die Erzählung aufpoppt, dass eine Klassenkollegin beim Frauenlauf mit ihrer "Mom" gelaufen sei und das eigentlich gar nicht soooo uncool war … und so weiter.

(An die Stirn getippt wird natürlich trotzdem. Das ist schon gut und richtig so.)

Foto: Tom Rottenberg

Natürlich könnte ich jetzt behaupten, dass wir eben danach oder davor die eigentlich fix geplanten langen und intensiven Runden abspulten.

Nur wäre das gelogen: Zu wirklich viel mehr als nur einem bisserl mehr konnten wir uns schlicht und einfach nicht aufraffen. Nein, das lag nicht am Wetter, dem Boden, der Kälte oder sonst was: Das kam aus uns – und es war gut so.

Denn Off-Season, also das Runterkommen, die Auszeit, das Sich-einfach-treiben-Lassen – nennen Sie es, wie Sie wollen – sind wichtig. Für den Kopf genauso wie für den Körper.

Foto: Tom Rottenberg

Das gilt es zuzulassen und zu genießen. Denn in der meist stillen (wenn nicht sogar scheintoten) Zeit zwischen Weihnachten und Mitte Jänner versäumt man ohnehin selten etwas, wenn man beide Füße ganz bewusst vom Gas nimmt.

Und in einem Setting, das sich vom üblichen Hamsterrad auch räumlich unterscheidet, Stille nicht nur einkehren, sondern auch ihre Geschichten erzählen zu lassen und Gedanken Raum und Zeit zu geben, sich zu setzen, funktioniert oft besser als daheim.

Egal, ob das esoterisch klingt oder nicht: Was wirkt, das gilt.

Foto: Tom Rottenberg

Genau darum geht es. Denn wenn der Weg nicht nur als Floskel Teil des Ziels ist, muss man ab und zu stehenbleiben. Sonst rennt man an zu vielem achtlos vorbei.

Womit das elende Vokabel "Achtsamkeit" auch hier eingeführt wäre.

Das Wort können Sie jetzt natürlich als inflationär und ad nauseam überstrapazierten Marketingbegriff wegwischen.

Oder aber Sie lösen sich vom oberflächlichen Vokabel-Bashing und schauen darunter. Auf Inhalt und Bedeutung. Bei mir ist das: den Moment gelten und wirken lassen. Ohne Zorn zurück-, aber vor allem nach vorne zu blicken. Und ohne Druck und Zwänge Neues, Schönes und Lohnendes ins Auge fassen.

Ziele zu definieren, für die ich bereit bin, meine Komfortzone zu verlassen.

Und mich dann auf den Weg zu machen – nicht weil ich muss, sondern weil ich will. (Tom Rottenberg, 11.1.2022)

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Tom Rottenberg tritt im Jänner 2022 den Job eines Presseprechers bei den niederösterreichischen Grünen an. Da seine Kolumne keine politischen – und schon gar keine parteipolitischen – Botschaften oder Inhalte transportiert, wird seine Laufkolumne "Rotte rennt" weiter auf derStandard.at erscheinen.

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Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Aus dem eingangs erwähnten "anderen Leben" hatte Tom Rottenberg noch ein Guthaben im Balance-Ressort Stegersbach – und bekam einen Sondertarif.


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Foto: Tom Rottenberg