Auf den ersten Blick scheint es, als hätte TOI-2257 b Glück gehabt. Wenn da nicht diese merkwürdige Umlaufbahn wäre, hätte der ferne Exoplanet zumindest nach gewissen Kriterien keine so schlechte Chance, unter die astrobiologisch interessanteren Welten eingereiht zu werden. Der Planet ist im Vorjahr von einem internationalen Forscherteam unter Leitung der Universität Bern entdeckt worden.

Anfangs waren die Beobachtungen nicht ganz eindeutig gewesen: Die lückenhaften Transitdaten des Weltraumteleskops Transiting Exoplanet Survey Satellite (TESS) der Nasa wiesen bei dem kleinen Stern TOI-2257 zwar auf einen Planeten mit unklarer Umlaufbahn hin, doch erst ergänzende Untersuchungen mit dem Las Cumbres Observatory Global Telescope, einem Netzwerk von Observatorien, und dem SAINT-EX-Teleskop in Mexiko verschafften Klarheit: Um den roten Zwergstern in rund 190 Lichtjahren Entfernung kreist ein Exoplanet, und er benötigt für einen Umrundung 35 Tage.

Vages Bild von einem "Sub-Neptun"

Die Transitmethode, bei der der Helligkeitsabfall gemessen wird, wenn ein Planet aus Sicht der Erde über seinen Stern hinwegzieht, gibt aber nicht nur Aufschluss über die Umlaufzeit eines Exoplaneten. Die Intensität des Einbruchs ermöglicht es, den Durchmesser des Planeten zu bestimmen. Kombiniert mit Schätzungen der Planetenmasse aus anderen Methoden, wie zum Beispiel durch Messungen der Radialgeschwindigkeit, kann schließlich die Planetendichte berechnet werden.

Diese Informationen erlauben es, sich ein vages Bild von TOI-2257 b zu machen: Aufgrund dieser Daten und seiner Größe – er dürfte in etwa den doppelten Durchmesser der Erde besitzen – haben die Wissenschafter den Exoplaneten als "Sub-Neptun" eingestuft. Das sind im Vergleich zu Gasriesen deutlich kleinere Gasplaneten mit vermutlich sehr dichten Atmosphären und bis zu zehnfacher Erdmasse.

TOI-2257 b – hier rechts in einer hypothetischen Darstellung – besitzt den etwa zweifachen Durchmesser der Erde und vermutlich eine dichte Atmosphäre.
Illustr.: NASA/JPL-Caltech/R. Hurt (SSC)

In der habitablen Zone, zumindest manchmal

Das lässt TOI-2257 b zwar reichlich unwirtlich erscheinen, doch die allgemeine Konstellation des Systems weist dem Exoplaneten eine zumindest theoretisch günstige Position zu: Wie das Team um Nicole Schanche vom Center for Space and Habitability CSH der Universität Bern im Fachjournal "Astronomy & Astrophysics" berichtet, umkreist TOI-2257 b sein Heimatgestirn in einem durchschnittlichen Abstand, in dem flüssiges Wasser möglich ist. Weil dieser Zwergstern viel weniger Energie abstrahlt als unsere Sonne, liegt diese sogenannte habitable Umlaufzone in einer Distanz von rund 21 Millionen Kilometern; das entspricht einem Siebtel der Entfernung zwischen Erde und Sonne.

Das wiederum wären prinzipiell lebensförderliche Bedingungen, wenn auf TOI-2257 b nicht solche extremen Jahreszeiten herrschen würden. Nicht nur, dass der Exoplanet aufgrund seiner großen Nähe seinem Stern wahrscheinlich stets die gleiche Hemisphäre zeigt, er umkreist ihn auch noch in einem ungewöhnlich langestreckten Orbit. "Wir haben festgestellt, dass TOI-2257 b keine kreisförmige, konzentrische Umlaufbahn hat", erklärt Schanche. Es handle sich vielmehr sogar um den exzentrischsten Planeten um einen kühlen Stern, der je entdeckt worden sei.

Die photometrischen Beobachtungsdaten des Sterns TOI-2257 von Tess ließen auf unterschiedliche mögliche Umlaufbahnen schließen. Erst weitere Analysen mit anderen Teleskopen ergaben ein klareres Bild.
Grafik: Schanche et al., 2021.

Riesen am Rande des Systems?

"Im Hinblick auf eine mögliche Bewohnbarkeit ist dies leider eine schlechte Nachricht", so die Astronomin. "Während die durchschnittliche Temperatur des Planeten angenehm wäre, schwankt sie tatsächlich zwischen minus 80 Grad Celsius und etwa 100 Grad Celsius, je nachdem wo auf seiner Umlaufbahn der Planet sich gerade befindet."

Als mögliche Verursacher dieses überraschenden Orbits haben die Wissenschafter unsichtbare Riesen in den äußeren Regionen des Sternsystems in Verdacht. Die Forscher halten daher künftig nach weiteren möglichen insbesondere massereichen Planeten Ausschau, die Einfluss auf die Bahn von TOI-2257 b haben könnten. Doch auch der Exoplanet selbst sei ein außerordentlich attraktives Ziel für weitere Beobachtungen. Hier könnte vor allem das gerade erst erfolgreich ins All beförderte James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) für einen enormen Wissensgewinn sorgen. (tberg, red, 11.1.2022)