Streitigkeiten zwischen Nachbarn nehmen oft an der Grundstücksgrenze ihren Anfang.

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Äste und Wurzeln, die über die Grundstücksgrenze wachsen, sind nicht selten Ausgangspunkt für Streitigkeiten zwischen Nachbarn. Grundeigentümer müssen derartigen "Überhang" aber entweder dulden oder selbst entfernen. Ansprüche gegen den Nachbarn gibt es laut dem Obersten Gerichtshof (OGH) nämlich nur dann, wenn von der Pflanze eine Gefahr ausgeht. In einer aktuellen Entscheidung konkretisierte das Höchstgericht damit seine bisherige Rechtsprechung (OGH 13.9.2021, 10 Ob 22/21i).

Hecke aus Wildsträuchern

Zwei oberösterreichische Gartenbesitzer hatten ihre Gemeinde geklagt, weil sie am angrenzenden Grundstück eine Hecke aus Wildsträuchern gepflanzt hatte. Vor allem der stark wachsende Schlehdorn war den Nachbarn ein Dorn im Auge. Das Gewächs überragte die Grundstücksgrenze und bildete Wurzelausläufer, die sich auf ihrem Grundstück ausbreiteten und kaum zu bekämpfen waren. Einfache Selbsthilfemaßnahmen wie Abhacken oder Ausgraben reichten nicht. Der Schlehdorn wuchs immerzu nach.

In ihrer Klage forderten die Eigentümer die Gemeinde schließlich dazu auf, den Strauch unter Kontrolle zu bringen und den Bewuchs und die Jungtriebe auf ihrem Grundstück zu entfernen. Erfolg hatten sie damit vorerst aber keinen: Das Bezirksgericht Wels wies die Klage in erster Instanz ab. Die Hecke sei "Teil der behördlich genehmigten Anlage", der Schlehdorn außerdem "ortsüblich".

Keine Gefahr

Das Landesgericht Wels sah die Sache anders: Der Strauch sei eine unzulässige "unmittelbare Zuleitung", die jedenfalls zu unterlassen sei und beseitigt werden muss. Letztlich hob der Oberste Gerichtshof die Entscheidung aber gänzlich auf und verwies die Sache zurück an das Bezirksgericht. Die Richter hätten "keine ausreichenden Feststellungen getroffen", um den Fall überhaupt richtig entscheiden zu können.

Das Höchstgericht gab seinen Vorinstanzen für die neuerliche Entscheidung aber Kriterien mit auf den Weg. Demnach müssen Eigentümer eines Grundstücks den vom Nachbargrundstück herüberwachsenden "Überhang" grundsätzlich entweder hinnehmen oder selbst entfernen.

Dasselbe gilt für die Wurzeltriebe: "Hereinragende" Pflanzen gelten nämlich nur dann als "unmittelbare Zuleitung", die einen Anspruch gegen den Nachbarn begründe, wenn durch die Pflanzen eine Gefahr entsteht oder sie die "ortsübliche Benützung" des Grundstücks unzumutbar machen. Selbst in so einem Fall muss aber der Eigentümer den "gefährlichen Zustand" selbst beseitigen, sofern dies einfach möglich ist. (japf, 13.1.2022)